Bilder von Menschen im Wandel der Zeit

Menschen machen gern Bilder von sich und anderen – nicht erst seit der Zeit des Handys. Es finden sich jahrtausendalte Zeugnisse. Was bewegt den Menschen dazu? Welchem Zweck dienen diese Darstellungen? Und wie veränderten sie sich im Laufe der Zeit? Darüber sprach forumKirche mit Markus Landert, Direktor des Kunstmuseums Thurgau. Dort sind zurzeit Ausstellungen zu sehen, bei denen Bilder von Menschen im Mittelpunkt stehen.

Schon bei den ersten Höhlenmalereien finden sich Abbildungen von Tieren und Menschen. Solche Bilder und später auch Figuren wurden zuerst in einem kultischen Kontext produziert. Sie dienten rituellen Zwecken. «Religionen nutzten immer wieder Bilder, weil das Versinnbildlichen des Göttlichen stärker unsere Fantasie anregen kann als sprachliche Begriffe», sagt Markus Landert. Wer ein Bild herstellt, muss sich einschränken, abstrahieren und vereinfachen, was dem geschaffenen Objekt eine grössere Klarheit und damit auch eine grössere Attraktivität verleiht. «Im Umkehrschluss muss aber klar sein, dass Bilder immer den Hang haben, scheinhafte Wirklichkeit vorzublenden, die sie nicht einlösen können», fügt der Kunstexperte hinzu. Das Bild erfasst nicht die Realität des Göttlichen oder eines bestimmten Menschen, den es darzustellen versucht.

Bild als Erinnerung

Einen geliebten Menschen in Erinnerung zu behalten, ist ein weiterer Grund für die Darstellung von Menschen. Da dabei die Person des Verstorbenen im Mittelpunkt stand, entwickelten sich aus stilisierten menschlichen Darstellungen solche mit individuellen Zügen. Frühe Beispiele dafür sind ägyptische Mumienporträts aus dem 3. Jahrhundert n. Chr. Dass Menschen so gemalt wurden, wie sie wirklich aussahen, setzte sich im späten Mittelalter bzw. zu Beginn der Renaissance durch. «Man begann damit, den Menschen in seiner Individualität und Einzigartigkeit wahrzunehmen», sagt Markus Landert.

Indem man seinen Gesichtsausdruck oder Gestik modifizierte, ihn in einer besonderen Umgebung oder zusammen mit symbolischen Gegenständen malte, machte man auf Stimmungen, Charakterzüge oder Interessen des Porträtierten aufmerksam. «Durch Darstellungen von berühmten Persönlichkeiten versuchte man auch, deren Bedeutung zu steigern», sagt Landert und verweist dabei auf die Werkstatt von Cranach, in der berühmte Gemälde von Luther und seinen Mitstreitern entstanden. Diese Bilder wurden auch als Kampfmittel im Streit um die Religion eingesetzt.

Fotos – Bilder von allen

Schliesslich wird Kunst zu einem Instrument der Repräsentation. «Bedeutende Personen setzten sich ins Bild, inszenierten sich in ihrer Rolle, mit ihren Machtansprüchen. Die eigene Individualität verschwand hinter dieser Inszenierung», führt Markus Landert aus. Bilder nahmen oft auch den Platz eines abwesenden Herrschers ein, wurden damit zu seiner Präsenz. Die Erfindung der Fotografie ermöglichte allen Menschen – nicht nur den Reichen und Mächtigen –, von sich oder anderen ein Bild zu machen. Fotos fangen allerdings eher den Moment, Zufälliges und das äussere Erscheinungsbild eines Menschen ein. Die Möglichkeit, etwas über den Menschen auszusagen, wird damit eingeschränkt.

Aktuelle Ausstellungen

Menschenbilder spielen im Werk von Helen Dahm, in das das Kunstmuseum Thurgau noch bis 25. August Einblicke gewährt, eine zentrale Rolle. Vor allem ihre zahlreichen Selbstbildnisse wecken das Interesse. «Es scheint fast, als ob sie diese Bilder wie einen Spiegel nutzte, um mehr über sich selbst und ihre Beziehung zur Umwelt zu erfahren», sagt Markus Landert.

Menschenbilder stehen auch im Mittelpunkt von Till Veltens Schaffen. Er hört Menschen unvoreingenommen zu, nimmt wahr, was sie zu sagen heben. Seine Porträts im erweiterten Sinn bestehen aus räumlichen Inszenierungen von Fotografien, Tonaufnahmen und Videosequenzen von seinen Gesprächspartnern. Im Kunstmuseum Thurgau kombiniert Till Velten fünf Videogespräche, die zum Teil in der Kartause Ittingen aufgenommen wurden, mit Skulpturen des Aussenseiterkünstlers Erich Bödeker. Die Ausstellung dauert bis 27. Oktober.

Ab 19. Mai zeigt das Museum ein weiteres Porträt, nämlich das von Germaine Winterberg. Das dreiteilige Videoprojekt gibt Einblicke in ein «nonkonformistisches Frauenleben».

Detlef Kissner (15.1.19)

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Helen Dahm’s Selbstportrait als Malerin (1927).

Bild: zVg

 
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Till Velten lässt in seinen Videos Menschen zu Wort kommen.

Bild: Detlef Kissner

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