Redewendungen aus der Bibel

Mit dem Ausspruch «Wer’s glaubt, wird selig» gibt man auf ironische Weise zu verstehen, dass man eine Aussage für übertrieben oder unwahr hält, dass man naiv sein muss, wenn man ihr vertraut.

Nein, jeden Blödsinn glauben wir natürlich nicht: dass «die in Bern» immer nur zum Wohl des Volkes entscheiden; dass die Krankenkassen nichts als unser Wohlergehen im Blick haben; dass Google & Co. selbstlos ihr digitales Know-how in den Dienst der Menschheit stellen. Nein, das alles glauben wir nun wirklich nicht und jenen, die uns das vorgaukeln wollen, antworten wir: «Wer’s glaubt, wird selig.»

Dass dieser Spruch, den wir im Alltag oftmals in den Mund nehmen, tatsächlich aus der Bibel stammt, dürfte nur wenigen bewusst sein. Und dass wir ihn heute im völlig umgekehrten Sinne verwenden, als er im Markus-Evangelium (Mk 16,16) steht, wurde auch mir erst beim Schreiben dieses Artikels klar.

Im Original sagt der gekreuzigte und drei Tage nach seinem Tod auferstandene Jesus zu seinen Jüngern: «Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet werden.» Wer glaubt (anders übersetzt könnte es auch heissen, wer darauf vertraut), dass der Tod nicht das letzte Wort hat, dass wir alle über unser eigenes Leben hinaus in Gottes Liebe geborgen sind, der wird gerettet werden. Wer sich taufen lässt und damit Glied der Gemeinde der Jüngerinnen und Jünger Jesu und also auch Zeuge der Auferstehung wird, der hat das ewige Leben. Der Glaube an das Leben, an die Besiegbarkeit alles Tod-Bringenden, das ist die Grundvoraussetzung zur Rettung. Anders gesagt, es ist die Basis eines gelingenden Lebens. Wer glaubt, dass das Gute das Böse bezwingen kann, der ist ein seliger Mensch.

Wer aber nicht glaubt, dass die Mächte des Todes überwunden werden können, der ist ihnen schon verfallen und wird selbst ein Teil dieser bösen Mächte. Wer das Bemühen um eine bessere Welt für sinnlos hält, wer sich damit abfindet, dass man eh nichts ändern kann, der hat keinen Glauben. Das Markus-Evangelium drückt es drastisch aus: «Wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden.»

Im Sinne der Bibel brauchen wir also mehr Glaube, nicht weniger. Denn tatsächlich, nur wer glaubt, wird wirklich selig. Aber jeden Blödsinn sollen wir trotzdem nicht glauben. Nur das, worauf es ankommt: dass der Tod nicht das letzte Wort hat.

Simon Spengler, Leiter Kommunikation, kath. Kirche Zürich 

Ausgabe Nr. 20/2018

 

Bild: Sarah Stutte

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