Ein Blick auf die Ausstellung TALITA KUM

Seit Anfang April ist im Hotel St. Elisabeth des Klosters Hegne (D) die Ausstellung TALITA KUM - STEH AUF zu sehen. 63 Künstler*innen versuchen mit ihren Bildern, Skulpturen und Installationen dieses Wort Jesu in die Gegenwart zu übersetzen. Für Kurator Peter Stengele ist mit diesem Aufruf ein Menschenbild verbunden, das gerade in Zeiten von Krieg und Menschenrechtsverletzungen wegweisend sein kann. 

Das Markusevangelium (5,21-24; 35-43) erzählt, dass der Synagogenvorsteher Jairus Jesus inständig bittet, seine kranke Tochter zu heilen. Noch auf dem Weg zur Zwölfjährigen erhalten die beiden die Nachricht, dass sie bereits gestorben ist. Jesus geht trotzdem zu dem Mädchen, nimmt seine Hand und sagt zu ihm: «Talita kum!» Das Evangelium übersetzt die aramäischen Worte mit: «Mädchen, ich sage dir, steh auf!» Und es erzählt weiter, dass das Mädchen sogleich aufstand und umherging. 
Diese Erzählung lässt sich schon aus theologischer Sicht unterschiedlich auslegen: befreiungstheologisch, tiefenpsychologisch oder im Blick auf die Stellung von Frauen und Männern. Doch für Peter Stengele geht das Thema dieser Erzählung noch über den biblischen Kontext hinaus: «Es ist ein hoch aktuelles Thema. In ´Talita kum´ steckt die Aufforderung ´Mensch, werde Mensch´. Darin zeigt sich ein Bild vom Menschen, der aufrecht stehend sich selbst, den anderen und Gott gegenüber verantwortlich ist.» Damit verbunden sieht er die «Aufforderung zum Handeln», auf die der Künstler Bernhard Maier im Begleittext zu seinem Bild «Von der steten Versuchung des Verharrens» hinweist. Peter Stengele war es wichtig, dass die Künstler*innen offen an dieses Thema herangehen und dass die Aufforderung «Steh auf» vielfältig und in verschiedene Lebensbereiche hinein übersetzt wird.

Unterschiedliche Zugänge
Mit dem Ergebnis kann der Kurator sehr zufrieden sein. In einigen Arbeiten wurde das Thema geschichtlich umgesetzt wie bei der Skulptur von Franz Hämmerle, die die Ordensfrau Mary Ward darstellt. Diese setzte sich im 17. Jahrhundert für einen Frauenorden ohne Klausurvorschriften und für die Bildung junger Frauen ein. Einen gesellschaftspolitischen Bezug stellt die Skulptur von Wolfgang Kleiser her – eine Person, an die sich ertrinkende Flüchtlinge klammern. Er verbindet damit die Frage: «Wegschauen oder die Hand reichen?» Die beschriebene Bretterwand von Stefan Brunner erinnert an die John-Lennon-Wall in Prag, an der über viele Jahre hinweg Proteste gegen jede Form von Knechtschaft verewigt wurden. Einen persönlichen Zugang ermöglicht das Bild von Giela Degonda: eine geöffnete Tür ins Freie, ganz in Türkis. Und dazu die Ermutigung: «…das Tor der unvorstellbaren Freiheit steht dir offen.» Die drei Stelen von Peter Klein verweisen auf eine spirituelle Dimension des Themas. Die Enden der Stelen «leuchten verheissungsvoll auf» wie Berggipfel in der Morgensonne. Sie tragen die Botschaft in sich: «Steh auf und lass dich vom Licht umfangen.» 

Dialog zwischen Glauben und Kunst
Mit ihren jährlich zwei bis drei Kunstausstellungen leistet die Theodosius Akademie in ihrem Programm bewusst einen Beitrag zum Gespräch zwischen Glaube und zeitgenössischer Kunst. Für Peter Stengele haben religiöses Tasten und künstlerisches Schaffen viel gemeinsam: «Glauben und Kunst sind verwiesen auf die Tiefendimension des Menschseins. Beiden geht es um das, was den Menschen leben lässt, letztlich um das Leben selbst.» Wenn sie miteinander ins Gespräch kämen, könnten sie einander helfen, in diese Tiefendimension vorzustossen. Das Hotel des Klosters Hegne sei dafür ein geeigneter Ort. «Hierher kommen Menschen, um Urlaub zu machen, spirituell aufzutanken und sich weiterzubilden. Mit der Kunst bietet das Haus geistig-geistliche Nahrung für seine Gäste», sagt der pensionierte Priester, der an diesem Ort in den letzten 17 Jahren 35 Ausstellungen organisierte.

Einführung für Künstler*innen
Die Ausschreibung zur Ausstellung TALITA KUM wurde bereits vor mehr als zwei Jahren veröffentlicht. Sie wurde vor allem über die Gemeinschaft christlicher Künstler der Erzdiözese Freiburg und den Kunstverein der Diözese Rottenburg-Stuttgart multipliziert. Es meldeten sich über 60 Künstler*innen. Die Ausstellung, die coronabedingt zwei Mal verschoben wurde, konnte dieses Frühjahr eröffnet werden. 
Die Künstler*innen, die sich an der Ausstellung beteiligen wollten, hatten vorab die Gelegenheit, sich mit dem Thema in einem eintägigen Workshop auseinanderzusetzen. Dort erhielten sie eine theologische und eine kunsthistorische Einführung. Bei der Finissage der Ausstellung, am 16. Oktober, werden ein Publikums- und ein Künstler*innenpreis verliehen. 

Detlef Kissner, forumKirche, 13.04.2022
 

Kurator Peter Stengele
Quelle: Detlef Kissner
Kurator Peter Stengele vor zwei Exponaten der Ausstellung TALITA KUM.

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