Über die Restauration eines Cranach-Gemäldes

Eine aufwendige Restaurierung der Holztafel «Maria mit Kind und Trauben», gemalt von Lukas Cranach dem Älteren (1472–1553), hat die Peyersche Tobias Stimmer-Stiftung möglich gemacht. Ihr Gemälde, das wieder im Schaffhauser Museum zu Allerheiligen dauerhaft zu besichtigten ist, wird mit Dokumentationen der Restaurierung vom 14. Dezember bis 28. Februar 2021 präsentiert.

In den letzten Monaten hat die Restauratorin Barbara Bührer akribisch und ausdauernd an diesem Cranach-Gemälde gearbeitet. Während die fast 500 Jahre alten Malschichten der Trauben-Madonna in einem sehr stabilen Zustand sind, waren Retuschen von Anfang des 20. Jahrhunderts sehr grob aufgetragen und nachgedunkelt. Besonders das Inkarnat der sitzenden Gottesmutter mit dem stehenden Jesuskind auf ihrem Schoss wirkte dadurch fleckig und störend. Die Fachfrau musste die Intension des Renaissance-Malers, der den alabasterartigen Teint der Maria vor dem dunklen Hintergrund zum Leuchten brachte, zurückgewinnen. Mit feinen Pinseln, professioneller Beleuchtung und einem Mikroskop rückte sie «Mutter und Kind» auf die Pelle.

Erhalten statt Schminken

Nach damaligen Restaurierungsvorstellungen waren es Kunstmaler, die ein altes Gemälde «wieder schön» gemacht haben. Sie scheuten sich nicht, scharfe Mittel, grobe Werkzeuge und ölhaltige Farben am Meisterwerk einzusetzen. Heute wählt Barbara Bührer, um das schnelle Altern der Retusche zu vermeiden, Aquarellfarben. Sie sind lichtecht und trocknen sofort. «Sie sind auch einfach reversibel», erklärt die Fachfrau, «falls der Zeitgeist meint, das Bild mit allen Schäden wieder zu präsentieren. » Interessant ist ihre Wiederentdeckung einer blauschimmernden Ader an Marias Schläfe. «Das ist früher übermalt worden», erklärt die Restauratorin, «weil sie wohl dachten: ‘Was für ein komischer Strich!’ und schminkten ihn zu.» Die blaue Ader findet die Fachfrau auch bei anderen Madonnen-Bildern im Cranach Digital Archiv (CDA).

Eine Symbiose mit der Madonna

Nach geschätzten 250 Arbeitsstunden kennt Barbara Bührer jeden Millimeter der Holztafel. «Die Traubenmadonna ist für mich das schönste Bild im Museum. Maria schaut wahnsinnig liebevoll aus», erzählt sie euphorisch. Auch die klösterliche Stimmung an ihrem Arbeitsplatz im Museum zu Allerheiligen hat diese Symbiose gefördert. «Wenn ich am Mikroskop ganz ruhig sitze, ganz alleine für mich arbeite und dann auf dem Nachhause-Weg durch das menschenleere Kräutergärtli und den Kreuzgang gehe, empfinde ich manchmal: Ich bin wie eine Klosterfrau von hier.» Spätestens im Stadtgewimmel auf der Vordergasse kommt sie wieder ins Diesseits zurück.

«Reformatorisches» Andachtsbild

Während der Reformationszeit hatte der bedeutende Künstler Lucas Cranach der Ältere sowohl Altgläubige als auch Reformierte, wie seinen Freund Martin Luther, als Auftraggeber gehabt. Auch das Schaffhauser Andachtsbild ist vom reformatorischen Einfluss geprägt. Während Maria und das Jesuskind den Betrachter an - blicken, führt der Knabe eine Traubenbeere zum Mund, daher der volkstümliche Titel «Trauben-Madonna». «Der Blick von Mutter und Kind zeigt die menschliche Seite dieser Heiligen», erklärt der Schaffhauser Kurator Andreas Rüfenacht. «Die Heiligen sind weiterhin Vorbilder.» Ein weiterer Glaubenswandel könnte die rötliche Farbspur an Marias Gewand sein, die die Restauratorin entdeckt hat. «Das Kleid sollte zuerst rot werden», vermutet Barbara Bührer, «und nur der Mantel blaugrün. Wahrscheinlich hat sich der Auftraggeber oder der Maler umentschieden.» Als Beweis legt sie ein anderes Madonnen-Bild mit rotem Kleid aber gleichen blaugrünen Farbkombinationen vor.

Wissenschaftliche Aufwertung

Der Restauratorin stand ein Team von Kunsthistorikern, technischen Hilfsmitteln wie Röntgenaufnahmen, UV-Fluoreszenzfotos, Infrarot-Reflektografie und Analysen von Retuscheproben zur Verfügung. «Wir kamen zusammen, haben die Untersuchungen angeschaut, Fachleute angehört und diskutiert», berichtet Andreas Rüfenacht über die wissenschaftlichen Absicherungen für die Restaurierung sowie gegenüber der sponsernden Eigentümerin Peyerische Tobias Stimmer-Stiftung. Diese neuen Dokumentationen und die Restaurierungs-Geschichte sind nun im CDA online abrufbar. Damit erhält die Schaffhauser «Maria mit Kind und Trauben», die zwischen 1537 bis 1540 datiert wird, eine erweiterte wissenschaftliche und wertvolle Plattform. Die Museums-Veranstaltungen zur Traubenmadonna mit der Restauratorin sowie dem Kurator sind zu empfehlen.

Judith Keller, 1.12.20


Nähere Infos: www.allerheiligen.ch und CDA: https://lucascranach.org/CH_PTSS-MAS_A671

Restauratorin Barbara Bührer und Kurator Andreas Rüfenacht betrachten die restaurierteTrauben-Madonna.
Quelle: zVg
Restauratorin Barbara Bührer und Kurator Andreas Rüfenacht betrachten die restaurierteTrauben-Madonna.

 

 

Restauratorin Barbara Bührer
Quelle: zVg
Restauratorin Barbara Bührer bei der Arbeit

 

 

Bild Trauben-Madonna
Quelle: ZVg
Vorsichtig wird das Bild restauriert.

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