Schweizer Kulturspenden nach der Bombardierung Schaffhausens

Die Bombardierung Schaffhausens am 1. April 1944 (s. forumKirche 2019/08) war ein Schicksalsschlag für das Museum zu Allerheiligen. Die Bomben zerstörten den Westflügel des Museums mit Kunstabteilung und historischen Zimmern. Daraufhin gab es schweizweite Geld- und Kulturspenden, womit das Museum mit neuen Kunstobjekten wie Phönix aus der Asche auferstand. Eine Sonderausstellung, welche bis zum 20. Oktober dauert, ist diesem Thema gewidmet.

66 Kunstwerke gingen durch Feuer, mechanische Beschädigungen und Löschwasser verloren. Dazu gehörten neun Porträts vom Schaffhauser Renaissance-Künstler Tobias Stimmer (1539–1584). Auch ein Bildnis Martin Luthers von Lucas Cranach dem Älteren (1472–1553) ist bis zur Unkenntlichkeit zerstört. Jetzt dient es als Mahnmal in dieser Ausstellung. Ebenso wurde eine historische Schaffhauser Bürgerstube mit Stuckdecke, deren Ausstattung sowie einem Steckborner Kachelofen von 1739 vernichtet bzw. beschädigt. Einige Gemälde haben wie durch ein Wunder die Bomben überlebt. So hat die Druckwelle der Explosion das Porträt des Universalgelehrten Conrad Gessner von Tobias Stimmer fast unversehrt nach draussen geschleudert. Der prächtige Kreuzsaal des ehemaligen Benediktinerklosters blieb vom Feuer verschont. Heute zeugen davon noch Brandspuren auf der Holztreppe zur Kunstsammlung.

Schweizweite Solidaritätswelle

Die Bombardierung Schaffhausens löste landesweite Bestürzung aus. Es folgte eine schweizweite Solidaritätswelle. Kantone, Gemeinden, Museen, Firmen und Private spendeten neben Geld auch Kunstobjekte. Eindrücklich ist die Zürcher Kulturspende. Von Politikern, Vertretern der NZZ und der Kunsthistoriker-Vereinigung gefördert, sammelte die Zürcher Bevölkerung rund 150'000 Franken. Neben einem Denkmal für die Opfer des Bombardements wurde durch diese Spende der Ankauf von Alten Meistern, dem grössten Verlust des Museums, erworben. Auch die ehemalige Schaffhauser Firma INGA schenkte dem Museum eine riesengrosse Tapisserie (1580–1600). Seit 75 Jahren verbrachte der kunstvolle Bildteppich einen Dornröschenschlaf im Museumsdepot. «Der Zustand der Tapisserie ist recht gut, ihre Wiederentdeckung im Depot eine kleine Sensation», erzählt der Kurator Daniel Grütter. «Sie wird nun im Museum zum ersten Mal präsentiert und später auch fachgerecht restauriert.»

Geniale Restauratoren

Von den als zerstört deklarierten Gemälden konnten 13 gerettet werden. Besonders der Museums-Restaurator Hans Harder vollbrachte schier Unmögliches. Zum Beispiel beim Jünteler Epitaph, einer Kreuzigungsdarstellung von 1449 aus der Umgebung Rheinaus, bildeten sich durch Feuer, Hitze und Löschwasser Blasen im Firnis. Es kam zu Farbveränderungen und
-ablösungen. Nach sechs Jahren meisterhafter Restauration konnte die Holztafel der Vorreformation wieder öffentlich ausgestellt werden.

Geschädigte gründen Stiftung

Bei der Bombardierung des Westflügels gingen fünf Porträts der Vorfahren Peyers, die teils von Tobias Stimmer gemalt worden waren, für immer verloren. Die Dauerleihgeber Peyer, eine alteingesessene Schaffhauser Bürgerfamilie, gründete 1946 mit der Entschädigungssumme aus den USA die Peyersche Tobias Stimmer-Stiftung. Zum Schwerpunkt ihrer Stiftung gehört, das Schaffhauser Kulturerbe zu erhalten, Sammlungen des Museums zu ergänzen und Kunstwerke aus der Zeit von Stimmer zu beschaffen.

Phönix aus der Asche

Aus US-Reparations- sowie Versicherungszahlungen und schweizweiten Geldspenden konnte das Museum zu Allerheiligen den Westflügel wieder errichten. Zwar waren die Kulturverluste unwiederbringbar, aber durch den Bombardierungsfonds konnten Sammlungen ergänzt oder neu aufbaut werden. «So besitzt das Museum zu Allerheiligen mittlerweile etwa 35 Miniaturporträts des Schaffhauser Künstlers Johann Heinrich Hurter, einem der bedeutendsten Miniaturmaler des 18. Jahrhunderts», sagt Daniel Grütter stolz. «Es ist die eindrücklichste Sammlung seiner Werke in der Schweiz!» Aus dem Heimatmuseum entwickelte sich nun ein Universalmuseum einschliesslich Naturkunde. Denn nach der Totalzerstörung des Naturhistorischen Museums am Herrenacker fand es nach 40 Jahren im ehemaligen Kloster seine Wiederauferstehung. Die Sonderausstellung präsentiert über 80 Kunstobjekte der sogenannten Kulturspende, davon treten die meisten erstmals ans Licht der Öffentlichkeit.

Judith Keller (14.5.19)


Nähere Infos unter www.allerheiligen.ch.
Die Publikation «Kunst aus Trümmern» erscheint am 3. Oktober. 


 

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Kurator Daniel Grütter und Restauratorin Ursula Sattler bereiten die Ausstellung «Kunst aus Trümmern» vor.

Bild: Judith Keller

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