Redewendungen aus der Bibel

Die Redewendung «Das ist für mich wie ein Buch mit sieben Siegeln» sagt im übertragenen Sinne aus, dass ein Thema sehr schwer zugänglich oder schwer verständlich ist.

«Das Ganze ist für mich ein Buch mit sieben Siegeln», sagen wir etwa, wenn wir etwas nicht verstehen, z. B. eine Technik, die komplizierten Regeln einer Sportart. Auch bei Menschen kommt die Redewendung zum Zug, wenn wir das Verhalten eines Mitmenschen oder einer ganzen Gruppe nicht kapieren. Aber es gibt auch das Gegenbild. Eine Person ist offen, ehrlich, herzlich. Ihre Art, ihr Verhalten, ihre Körpersprache kann ich lesen wie in einem offenen Buch. Da sind keine Siegel, die man aufbrechen muss. Begegnungen dieser Art machen Freude.

In der geheimen Offenbarung (Off 5,1), wo die Redewendung herkommt, geht es um den Inhalt einer Buchrolle. Der Verfasser wüsste gern, was drinsteht, es könnte für ihn lebenswichtig sein. Aber, verkündet ein Engel mit lauter Stimme, «niemand im Himmel, auf der Erde und unter der Erde» sei würdig, das Buch zu öffnen und zu lesen. Und der Verfasser der Offenbarung ist deswegen betrübt und weint. Wir können mit ihm darüber nachdenken, was man in diesem Zusammenhang unter «Würde» verstehen könnte. Ehrliches Interesse an grossen Lebensfragen – und nicht oberflächliche Neugier – oder einfach Ehrfurcht vor dem Geheimnis?

Wir leben in einer Zeit, in der man alle Fragen und Rätsel des Lebens lösen will. Die Wissenschaft wird es früher oder später schon richten, denken wir, sie macht ja auch dauernd neue Entdeckungen. Rätsel kann man lösen, entziffern und in andere Zusammenhänge einordnen. Anders verhält es sich mit einem Geheimnis. Wir brauchen beide Wörter in der Umgangssprache. Wir können und wollen nicht alle Geheimnisse auflösen. Es darf etwas verborgen bleiben, dadurch wird es für uns persönlich wichtig. Es stellt Fragen, mit den Antworten sind wir vorsichtig; wissen, dass sie nur vorläufig gelten und unsere Wahrnehmung, unsere Sensibilität noch wachsen muss. Ein Mensch, der uns nahe steht, kann uns in vielem ein Rätsel sein und bleiben. Da möchten wir dahinterkommen. Aber er darf auch seine geheimnisvollen Seiten behalten. Das respektieren wir und wir begegnen ihm dementsprechend. – Das gilt erst recht, wenn wir Gott verstehen wollen.

Bruno Dörig, Autor 

Ausgabe Nr. 2/2018

Bild: pixabay.com

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