Eine Treppe wird zum Kunstprojekt

In der Kartause Ittingen entsteht eine Kunstinstallation – eine Himmelsleiter. Interpretiert wird sie vom Walliser Künstler Vincent Fournier. Der ehemalige Fussballprofi arbeitet heute gerne in der Stille. 

Ab sofort kann man auf der steilen Treppe im Rebberg bei der Kartause Ittingen auf Schritt und Tritt einem Heiligen begegnen. Grund dafür ist die Ausstellung «Göttliche Landschaft – Zeitgenössische Kunst zu Glaube und Religion», die von Künstlerinnen und Künstlern im Zusammenhang mit dem 150-Jahr-Jubiläum der beiden Landeskirchen umgesetzt wird. Vincent Fournier, gläubiger Katholik und ehemaliger Profifussballer beim FC Zürich, wurde von Projektleiter Reto Friedmann für die künstlerische Umsetzung einer Himmelsleiter angefragt. «Das ist eine tolle Arbeit für die Fastenzeit», sagt Fournier und passt ein hellblaues Holzbrett zwischen die Stufen ein.

Zwei Monate in einer Klause 
Damit die Bretter sich gut einfügen, muss er jede der 184 Treppenstufen von Unrat befreien. In der Stille zu arbeiten, ist er gewohnt: Sein Atelier liegt praktisch im Kapuzinerkloster in Sion, wohin sich der frischgebackene Grossvater regelmässig zu den Gebeten der Kapuziner zurückzieht. Hier in Ittingen dauert die Zurückgezogenheit gut zwei Monate, in der Fournier in einer Kartäuserklause leben und arbeiten kann. «Dank der Stille nehme ich das Läuten der Kirchenglocken viel bewusster wahr», sagt Fournier. 

Verbindung zum Himmel
Die 184 Treppenstufen entsprechen hinauf und hinunter in etwa einem Kirchenjahr, welches unter anderem durch die Gedenktage der Heiligen geprägt ist. Welche Heiligen er in die Himmelsleiter aufnehmen solle, fragte er nach. «Ich erhielt Vorschläge vom katholischen Theologen Reto Friedmann und auch vom evangelischen Pfarrer Thomas Bachofner. Das fand ich irgendwie witzig», sagt Fournier. Er hat auf den bemalten Lärchenholzbrettern auch Kirchenfeste wie Ostern, Pfingsten oder liturgische Texte festgehalten. Aber nicht jedes Brett ist mit einer Heiligenfigur wie Bruder Klaus oder Wiborada bemalt. Einige bleiben bewusst leer und ergänzen mit «Durch diese Farbe, die auch in der Klosterkirche Ittingen eine zentrale Rolle spielt, wird von unten gesehen eine Verbindung zum Himmel geschaffen. Der Himmel wird damit heruntergeholt», sagt Fournier. Durch die Himmelsleiter werde der geistliche Reichtum des christlichen Lebens angezeigt. Das Sichtbarmachen der Religion im öffentlichen Raum ist Fournier ein grosses Anliegen. Denn er stellt ernüchtert fest, dass vielen Jugendlichen der Bezug zum Glauben abhandengekommen ist. 

Fussball und Kunst 
Da er sich sehr für die Kartäuser interessiert, freut er sich doppelt, hier in Ittingen tätig zu sein. «Die Kartäuser haben einen eigenen Bezug zur Zeit und zum Tod, sie sind sehr realistisch orientiert, was mir gefällt», sagt Fournier und gewährt Einblick in seine temporäre Klause. Überall stehen hellblau bemalte Bretter, die darauf warten, eingebaut zu werden. An den Wänden hängen eigene, mitgebrachte Bilder, einige mit einem Kreuzmotiv versehen. Er hätte immer zwei Kreuze zu tragen gehabt, sagt Fournier, der die Kunstschule in Lausanne besuchte und Arzt werden wollte. Letzteres war mit dem Fussball schlecht vereinbar, so blieb er beim Fussball und bei der Kunst. Fournier macht Kunst, die von Spiritualität und Mystik geprägt ist. Seine Kunst soll leben und atmen können, soll frei und offen sein. Deshalb kann er im Moment noch nicht sagen, wie die Himmelsleiter am Schluss aussehen wird. Er lässt sich überraschen, und leiten. 

Claudia Koch (14.04.20)


Das Werkgespräch mit Vincent Fournier in der Kartause Ittingen vom 15. April sowie die Vernissage am 3. Mai sind wegen des Corona-Virus verschoben. 


Kunstobjekte bei Fischingen

Neben der Himmelsleiter sind ab 3. Mai im Rahmen der Ausstellung «Göttliche Landschaft – Zeitgenössische Kunst zu Glaube und Religion» zwei weitere Installationen zu sehen. Sie befinden sich im Umfeld des Klosters Fischingen. Das Künstlerduo steffenschöni platziert in der Nähe der Mariensäule auf der Ottenegg eine runde Stahlplatte. Die beiden Objekte sollen sich laut steffenschöni «gegenseitig aufladen und zu einem landschaftlichen Reflexionsraum ergänzen». Mit seinem Titel «Opaion» verweist das Kunstwerk auf die kreisrunde Öffnung in Kirchenkuppeln. Am Wegrand zwischen dem Kloster Fischingen und der Ottenegg werden ausserdem «Bildstöckli» aufgestellt, in denen Studierende der Hochschule Luzern für Design und Kunst ihr Verhältnis zu Religion, Glaube, Materialismus, Metaphysik und Religionskritik zum Ausdruck bringen. (dk) 
 

Vincent Fournier
Beim Anpassen eines bemalten Holzbrettes in die «Himmelsleiter»: Vincent Fournier.

Bild: Claudia Koch

 

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