Wie Schuppen von den Augen fallen

Redewendungen aus der Bibel

Wenn jemand etwas klarer sieht, er – im wörtlichen Sinn – eine Enttäuschung erfährt oder ihm ein neuer Zusammenhang aufgeht, spricht man davon, dass es ihm «wie Schuppen von den Augen fällt».

Die Redewendung spricht eine Erfahrung an, die viele von uns machen: Wir planen etwas, stellen uns vor, wie es sein wird, machen uns ein Bild – und dann fällt es uns wie Schuppen von den Augen. Schlagartig wird uns klar, dass wir uns getäuscht haben. Wir müssen unser Bild korrigieren. So hat sich mancher Vater vorgestellt, wie schön es sein wird, wenn er mit dem Kind spielen und etwas unternehmen kann. Und macht dann die Erfahrung, dass er sich einschränken muss, der geplante Jassabend mit den Kollegen fällt ins Wasser, weil das kranke Kind Betreuung braucht. Das Vater-Sein hat Konsequenzen.

Die Redewendung kommt aus der Apostelgeschichte. Der Christenverfolger Saulus hört die Stimme von Jesus (Warum verfolgst du mich) und es wird im schlagartig klar, dass sein Leben nach einem Plan Gottes verläuft und er jetzt die Fülle des Heiligen Geistes bekommt. Es heisst wörtlich «es umblitzte ihn auf einmal ein Licht vom Himmel». Und er stellt sein ganzes Leben in den Dienst der Botschaft Jesu, als Apostel Paulus.

Bleibt die Frage an uns heute: Sollen wir darauf warten, bis auch uns ein Licht vom Himmel umblitzt? Vielleicht sind es eher kleinere Lichter, die uns erreichen, mitten im Alltag, in der Familie, im Zwischenmenschlichen, in der Gesellschaft.

Wir erkennen, dass Christsein weniger mit einem religiösen Gefühl zu tun hat, sondern mit der Lebenspraxis aus dem Evangelium. Eine heilsame Erkenntnis mit Konsequenzen.

Bruno Dörig, Autor

Ausgabe Nr. 13/2018