Die Credit-Suisse-Krise und Hans Küngs Weltethos-Manifest

Bernd Villhauer ist Geschäftsführer des von Hans Küng gegründeten Weltethos-Instituts an der Universität Tübingen. Im Interview sagt er, was Küng einfordern würde angesichts des Falles der Credit Suisse (CS): dass sich die schweizerische Bankenlandschaft verantwortungsbewusster aufstellt. 

Sind Banken aus Ihrer Sicht unmoralisch?
Banken sind nicht per se unmoralisch. Es gibt solche, die moralisch agieren, und solche, die unmoralisch agieren.

In welche Kategorie gehört die CS? Niemand hat sich offiziell für deren krassen Absturz entschuldigt.
Die CS ist über Jahre hinweg durch eine toxische Führungskultur geprägt gewesen. Angefangen von der Bespitzelungsaktion eines UBS-Mitarbeiters bis zum Geldwäscheskandal. Es war absehbar, dass sie an einen solchen Punkt kommen würde, weil sie sehr viel Vertrauen verspielt hat. Die Krise ist hausgemacht. Allerdings kommt der Absturz in einem Augenblick, in dem weltweit Banken kriseln und man den Eindruck gewinnen kann, das Bankensystem gerate ins Schwanken.

Ist aus Ihrer Sicht für Banken der Markt die Ultima Ratio, der Ersatz für die Moral?
Leider ist bei vielen Banken das Management sehr abgehoben. Es werden Zahlen verkündet, die absurd klingen angesichts ihrer faktischen Realität. Beispielsweise wurden bei der CS in einem Jahr 32 Milliarden Franken an Boni bezahlt, obwohl die Bank im selben Zeitraum einen Verlust von 3.2 Milliarden zu verzeichnen hatte. Der Theologe Hans Küng würde in so einem Fall einfach Haltung seitens der Bank einfordern, Vertrauen und Transparenz.

Für Küng war Global Business Ethic ein wichtiges Thema. Was ist das?
Die Firmen sollen eine ethische Sprach- und Handlungsfähigkeit entwickeln, die auf dem moralischen Fundament beruht, das Zivilisationen seit langer Zeit prägt und in den Weltreligionen und grossen Glaubenssystemen Form gefunden hat: auf einer natürlichen Moral.

Natürliche Moral? 
Küng meint damit, dass sich die Mitarbeitenden einer Firma darauf besinnen, was sie grundsätzlich tun können, um das Miteinander in einem Unternehmen zu gestalten. Er geht im Weltethos-Manifest davon aus, dass es in den Weltreligionen gemeinsame und verbindende Prinzipien gibt wie Wahrhaftigkeit, Friedfertigkeit und die sogenannte Goldene Regel.

Goldene Regel?
Diese Goldene Regel finden wir in allen Religionen, aber eben auch in der biblischen Botschaft (Tobit 4,16): «Was du nicht willst, das man dir tue, das tue einem anderen auch nicht!»

Sind solche hehren Absichten nicht ein Kampf gegen Windmühlen?
Wenn man das ethische Bewusstsein der Banken mit der Wirklichkeit abgleicht, kann es einem so vorkommen. Aber es gibt sehr verantwortungsvolle finanzwirtschaftliche Unternehmen – zum Beispiel im Bereich «Sustainable Finance». Diese achten auf eine umweltgerechte Wirtschaft und klimagerechte Finanzen, die für ökologische Ziele eingesetzt werden. Es gibt solche Banken, die sehr erfolgreich sind.

Küng hat nach der Finanzkrise 2008/2009 einen Ethik-Kodex für Banker gefordert. Was genau hat er gefordert?
Er hat bemerkt, dass das Vertrauen in die Finanzbranche schwindet. Für ihn sind deshalb Vertrauen und Transparenz das Entscheidende. Es muss Vertrauen in Banken geschaffen werden, um verantwortlich handeln zu können. Küng hat immer wieder die exzessiven Boni und überhöhten Gehälter kritisiert.

Was ist aus der Idee geworden angesichts einer kapitalistischen Welt, die auf Gewinnmaximierung basiert?
Küngs Ideen haben viel Widerhall gefunden, das Manifest zum globalen Wirtschaftsethos ist bis heute eine Richtlinie. Es gibt Unternehmen, die auf soziale Wirkungen und auf Nachhaltigkeitsstrategien setzen.

Was sind aus Ihrer Sicht die Lehren aus dieser Krise?
Keine Bank ist so gross, dass sie nicht scheitern könnte. Zudem gibt es toxische Führungs- und Unternehmenskulturen in der Bankenwelt, die nur schwer zu verändern sind. Auch der Gesetzgeber muss gezielt eingreifen können, um solche Krisen künftig verhindern zu können. Küng hat neben einer moralischen Haltung immer auch eine kluge und massvolle Regulatorik gefordert.

Wäre es nicht am lehrreichsten, mal eine dieser «Hybris-Banken» crashen zu lassen?
Das hat man 2008 bei der Lehmann-Bank in den USA gemacht. Solche Lerneffekte sind immer stark begrenzt, weil es darauf ankommt, inwieweit die anderen davon betroffen sind. Die Zehntausenden von Entlassenen dürfen wir dabei nicht vergessen! Meist müssen bei solchen «Bereinigungen» die Kleinen bluten.

Wolfgang Holz/Red., 29.03.2023
 

Bernd Villhauer
Quelle: zVg
Bernd Villhauer, Geschäftsführer des Weltethos-Instituts

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