Redewendungen aus der Bibel

Die Redewendung «unter die Räuber fallen» meint, dass jemand gemobbt, ungerecht behandelt, schamlos ausgenutzt oder ausgebeutet wird.

Die Redensart «Unter die Räuber fallen» geht auf das Gleichnis vom barmherzigen Samariter zurück, wo es heisst: «Es war ein Mensch, der ging von Jerusalem hinab nach Jericho und fiel unter die Räuber» (Lk 10,30). Jesus erzählt diese Geschichte einem frommen, gelehrten Mann, heute würde man sagen einem Pfarrer oder einem Theologieprofessor. Dieser hatte Jesus zuvor gefragt, wer sind denn eigentlich meine Nächsten? Gehört dazu nur mein engster Familienkreis oder sind das auch fernere Verwandte, sind es die Bewohner meiner Strasse, meiner Stadt, meines Landes oder auch Andere, Fremde, ja Feinde?

In Jesu Antwort erfahren wir nichts über die Täter oder die Gründe für die Tat. Auch von dem Überfallenen, der höchstwahrscheinlich ein Israelit war, erfahren wir nur, dass er «unter die Räuber fiel». Jesus stellt die Leute in den Mittelpunkt, die dem Opfer begegnen: Wie verhalten sie sich? Und dabei macht er ausgerechnet einen Samariter zum Helden der Geschichte. Samariter waren für Jesu Zuhörer, vor allem den frommen Fragesteller, Glaubensfeinde erster Klasse.

Jesus beschreibt erstaunlich genau, was der Samariter tut: Nachdem er das Opfer gesehen hat, hält er an und leistet die notwendige erste Hilfe, indem er seine Wunden – wie damals üblich – zuerst mit Wein desinfiziert und sie dann zur besseren Heilung mit Olivenöl beträufelt. Dann verbindet er ihn, hebt ihn auf sein Lasttier und bringt ihn zur nächsten Herberge.

Nach der Geschichte muss auch der fromme Bibelgelehrte zugeben, dass sich weder der Priester noch der Levit, sondern der verhasste Samariter mit seinem falschen Glauben als einziger menschlich verhalten hat. Er spricht zwar den Namen «Samariter» auch jetzt nicht aus, sagt aber eindeutig: «der Mitleid gezeigt hat». Jesu Botschaft an uns: Wenn jemand danach fragt, wie er sich wirklich richtig im Leben verhalten soll, der soll sich diesen Samariter zum Vorbild nehmen.

Für viele ist die Geschichte vom barmherzigen Samariter das Modell für das Selbstverständnis des Christentums. Papst Franziskus wirbt sogar für eine «pastorale Umkehr» hin zu einer «samaritanischen Kirche». «Wir müssen in die Dynamik des barmherzigen Samariters eintreten, indem wir so handeln wie Jesus.» Also, in den heutigen Verhältnissen genau das Gleiche tun, was Jesus tat. Dazu gehört auch, «Wege zur Zivilisation der Liebe zu eröffnen». Denn es genügt nicht, dem unter die Räuber Gefallenen die Wunden zu verbinden, man muss auch verhindern, dass es Strassen gibt, auf denen Menschen unter die Räuber fallen.

Theodor Pindl, Wirk Raum Kirche St. Gallen

Ausgabe Nr. 11/2018

Bild: Alina Martin

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