Lebensfreundlichkeit für alle Lebewesen

Am 4. Oktober ist Gedenktag des heiligen Franziskus, Welttierschutztag und Beginn der SchöpfungsZeit. Dazu hat forumKirche Dr. Eveline Schneider Kayasseh befragt. Die Juristin ist seit 2017 Geschäftsleiterin des Arbeitskreises Kirche und Tiere (AKUT) und setzt sich ein für die Initiative Tierfreundliche Kirche

Wie ging es weiter, nachdem die katholische Kirchgemeinde Romanshorn 2020 als erste das Siegel Tierfreundliche Kirche erhalten hatte?
Drei weitere Kirchgemeinden haben die Selbstverpflichtung unterzeichnet. Wir hoffen, dass viele folgen und sagen: Wir als Kirche wollen mehr Lebensfreundlichkeit für alle Lebewesen. Die Kirchen kümmert die Lage der Tiere noch viel zu wenig. Mitgefühl mit Tieren und Mitmenschlichkeit sind dringend nötig, wenn wir eine Zukunft haben wollen. 

Was muss eine Kirchgemeinde tun, um dabei zu sein?
Die Selbstverpflichtung unterzeichnen und kontinuierlich Massnahmen, die man selbst wählt, umsetzen – zu den folgenden fünf Grundsätzen: mitgeschöpfliche Würde von Tieren achten, tierfreundlich konsumieren, Lebensräume für Tiere schaffen und schützen, Tieren im kirchlichen Leben und Denken Raum geben sowie Organisationen mit tierethischem Fokus unterstützen. Der Aufwand ist überschaubar, hilft aber direkt den Tieren und wirkt gegen Klimawandel und Artensterben.

Wie ist das Verhältnis zum kirchlichen Umweltmanagement Grüner Güggel?
Das passt gut zusammen. Eine Tierfreundliche Kirche gibt Mitgeschöpfen hohe Priorität und tut Zusätzliches. Wer beim Grünen Güggel mitmacht, erfüllt bereits Aspekte der Tierfreundlichen Kirche. 

Warum ist es schwierig, für Tiere Aufmerksamkeit zu erreichen?
Einzelne Tierschutzfälle berühren Menschen. Die Herausforderung ist, durch Sensibilisierung nachhaltige Verbesserungen für die Tiere zu erreichen. Wenige bezweifeln, dass Katzen oder Hunde traurig oder glücklich sein können. Die Wissenschaft zeigt klar, dass dies auch für Kühe, Schweine, Hühner, Schafe, Fische und viele andere Tiere gilt. Nur lässt sich deren Leid leichter verdrängen, denn die meisten Menschen kommen fast nie mit «Nutztieren» oder Wildtieren in Kontakt.

Wie sehen Sie den Fleischkonsum?
Der steigende, übermässige Fleischkonsum ist besorgniserregend. Den Preis dafür zahlen milliardenfach die Tiere. Menschen schadet er nicht nur gesundheitlich: Industrielle Fleischproduktion und Landwirtschaft gehören zu den Hauptverursachern von Klimawandel und Artensterben. Ich verstehe nicht, wie von der «Bewahrung der Schöpfung» gesprochen wird und im kirchlichen Alltag noch zu viel und zu billiges Fleisch auf den Tisch kommt. Das muss sich dringend ändern, um glaubwürdig und zukunftstauglich zu sein.

In der päpstlichen Enzyklika «Laudato si» steht: Wir haben kein Recht, Tiere zu quälen und auszurotten. Wir müssen uns vom überzogenen Anthropozentrismus verabschieden. Die geschundenen Geschöpfe sind auch unsere Nächsten. Hat das Dokument den gebührenden Stellenwert?
Mein Eindruck ist, dass das Schreiben ausserhalb der Kirchen mehr Gehör findet. Es hat wohl zu Umweltschutzinitiativen geführt. Aber es muss viel mehr geschehen. Der Papst unterstreicht, dass die Erde das Zuhause aller Geschöpfe ist. Damit sie zu einem friedlicheren Zuhause für alle Lebewesen wird, müssen sich die Kirchen unbedingt auch um die Missstände im oft von Gewalt geprägten Umgang mit den Mitgeschöpfen kümmern.

Sie könnten eine sehr gut dotierte Position haben. Warum sind Sie für die Tiere da?
Ich spüre tiefe Verbundenheit mit allen Geschöpfen. Für mich bedeutet «Mensch-Sein», Mitgefühl und Liebe auf jedes Lebewesen auszudehnen. Womöglich hat ein Pfarrer aus Kindertagen zu meinem Engagement bei AKUT geführt: Er war liebenswürdig und klug, sprach aber in der Kirche nie über die Tiere – so, als ob es sie nicht gäbe. Das konnte ich nicht verstehen. 

Was können wir sofort tun, um Tiere besser zu achten? 
Der Auftrag Gottes, die Schöpfung zu bewahren, gilt für uns alle. Wir müssen mit der Zerstörung der Schöpfung aufhören und den Tieren menschengemachtes Leid und Ausrottung ersparen. Es hilft bereits, mehr pflanzenbasierte Nahrung zu essen, nachhaltige und tierversuchsfreie Produkte zu wählen, eine Gartenecke der Natur zu überlassen, Insektenfreundliches zu pflanzen – und bei der Tierfreundlichen Kirche mitzutun.

Gaby Zimmermann, 28.09.2022


Tiersegnungsgottesdienste
Katholische Kirche Romanshorn:
Sa, 1.10., 18.30 Uhr
So, 2.10., 10.15 Uhr
Kapelle Degenau, Sitterdorf:
So, 2.10., 10 Uhr


www.tierfreundlichekirche.ch und www.arbeitskreis-kirche-und-tiere.ch 

Dr. Eveline Schneider Kayasseh
Quelle: zVg/Philippe Kayasseh
Setzt sich für die Initiative Tierfreundliche Kirche ein: Dr. Eveline Schneider Kayasseh, Geschäftsleiterin von AKUT

Kommentare

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Carmen Kurt

11.10.2022, 10:00

Danke vielmal, liebe Eveline, für deinen unermüdlichen Einsatz und deinen Glauben!
Ich habe in meiner Kirchgemeinde und in der lokalen Community angefragt, um das Thema des immensen Tierleids vor unserer Haustüre in die GD's zu bringen und nur Ablehnung und Ignoranz erlebt. Ist das nicht erschütternd?
Auch macht es mich traurig, dass so viele Tierschützer sich enttäuscht von der Kirche abgewandt haben und nun denken, Gott habe kein Interesse an Tieren. Dabei sind es Seine geliebten, wunderbar gemachten Geschöpfe!
Ich bin froh und dankbar,dass ich bei Akut mitmachen darf!
Gottes reicher Segen und herzliche Grüsse von Carmen

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