«Der kleine Prinz» wird 75 Jahre alt

Unzählige Male gelesen und noch mehr zitiert. Ein Buch, welches seit Jahrzehnten fasziniert, berührt und zum Philosophieren anregt. Die Geschichte bietet je nach Perspektive auch theologische Interpretationsmöglichkeiten – diesen und Weiterem hat sich Kirche ohne Grenzen gewidmet.

So märchenhaft diese tendenziell autobiographische Geschichte, welche im Jahr 1943 erschien, auch klingen mag – der französische Schriftsteller und Pilot Antoine de Saint-Exupéry (1900–1944) beabsichtigte damit weder ein Märchen- noch ein Kinderbuch. Nach der Besetzung Frankreichs durch die Deutschen 1940, emigrierte er nach New York. Seine Heimat, durch die deutsche Besatzung eingenommen und in tiefer Not. Aufmerksame Lesende erahnen in der Widmung an einen jüdischen Freund, in welcher Zeit diese zeitlose Geschichte verfasst wurde. Sätze wie «Es ist viel schwerer, über sich selbst zu richten, als über andere zu urteilen. Wenn du es schaffst, selbst über dich gerecht zu werden, dann bist du ein wahrer Weiser», «Es ist schon ein rätselhaftes Land, das Reich der Tränen», «Ich hätte sie nach ihren Taten und nicht nach ihren Worten beurteilen sollen», erscheinen in diesem Kontext umso politischer und brisanter. Im Zusammenhang mit diesem Text kann man sich daher gut mit den Fragen: «Wie bewältigen wir Trauer? Wie geben wir Trost?» auseinandersetzen. Schnell wird deutlich: Das Buch erzählt mehr als eine Geschichte, es entwirft ein ganzes Weltbild, ermöglicht ein Identifikationsangebot, welches sich gleich für mehrere Generationen eignet. In der Form einer Fabel oder Science-Fiction wird, deutlicher als es manch politische Abhandlung sein kann, die damalige Verfassung der Welt und die Verfehlungen der Menschen schonungslos ehrlich dargestellt sowie infrage gestellt.

Himmelfahrt als Bildungsreise

Lesende können den Text religiös wie psychologisch, philosophisch wie pädagogisch oder als fiktiven Abenteuerbericht auffassen. «Der kleine Prinz» unternimmt eine Himmelfahrt, eine Reise von Planet zu Planet – auf welchen er unterschiedlichen menschenähnlichen Wesen begegnet. In der Geschichte kommt ihm die Rolle zu, durch das Berichten seiner Erlebnisse die Welt der Erwachsenen zu kritisieren und infrage zu stellen: «Die Erwachsenen lieben Zahlen. Wenn ihr ihnen erzählt, ihr hättet einen neuen Freund, erkundigen sie sich niemals nach dem Wesentlichen. Nie werdet ihr von ihnen hören: Wie klingt seine Stimme? Was spielt er am liebsten? Sammelt er auch Schmetterlinge? Sie fragen: Wie alt ist er? Wie viele Geschwister hat er? Wie viel wiegt er? Wie viel verdient sein Vater? Erst wenn sie das wissen, glauben sie ihn zu kennen.»

Werden wie die Kinder und doch kein Kinderbuch...

Während seiner Reise durch das Weltall und durch die verschiedenen Begegnungen gelangt der kleine Prinz zu einer lebensentscheidenden Erkenntnis und zu einem neuen Selbstbewusstsein. Der Glaubensweg eines jeden kann ebenso als fortdauernde Bildungsreise betrachtet werden, wobei es nach Jesus auch immer wieder darum geht, nicht zu vergessen und zugleich zu sein und zu werden wie die Kinder: «Alle grossen Leute waren mal Kinder, aber nur wenige erinnern sich daran.» Es stellt sich also durch das Buch die Frage: Müssen wir werden wie die Kinder, um Erlösung zu erfahren?

Der kleine Prinz und das Buch Genesis

Im Buch schimmern aber auch sozial- sowie umweltethische Themen durch – mit der Brille eines christlichen Lesenden erinnern Zitate wie: «Wenn man seine morgendliche Körperpflege hinter sich hat, muss man auch den Planeten sorgfältig pflegen», an Gen 1,26 und 2,15, den Herrschaftsauftrag des Menschen über die Erde, sie zu behüten und zu bebauen. Der Mensch soll die Schöpfung pfleglich verantwortlich gestalten, bewahren und schützen. Themen wie: «Was ist das Leben, wo führt es hin? Wie wichtig sind Regeln, Gebote und Rituale in unserem Leben? Was ist der Sinn unseres irdischen Lebens?» lassen sich anhand der Erfahrungen und Erlebnisberichte des kleinen Prinzen gut diskutieren.

Biblische Symbole

Während der gesamten Geschichte erinnern sich bibelkundige Lesende an biblische Symbole und Bilder. Die Zahl Sieben begegnet einem immer wieder im Textverlauf; der siebte Planet seiner Reise durch den Kosmos ist die Erde, nach ebenso vielen Tagen verlässt er sie wieder. Verlassen kann er diese durch den Biss einer Schlange. Ein Wesen, welches in der Bibel recht negativ besetzt ist. Es finden sich noch erheblich mehr symbolische Parallelen, welchen nachzuspüren sich lohnt. Für den Autor ist zudem klar, so wird es im Verlauf des Buches immer wieder deutlich, dass es der Geist ist, welcher die Dinge beseelt, einzigartig und unverwechselbar macht. Der Geist ist das schöpferische Wesen: «Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.»

Text & Übersetzung: Romina Monferrini


Teologizzare con il piccolo principe

«Il piccolo principe» compie 75 anni

Innumerevoli volte letto e ancor più quotate. Un libro che ha affascinato, toccato e ispirato a filosofare per decenni. A seconda della tua prospettiva, la storia offre anche possibilità di interpretazioni teologiche – queste e altre cose a cui Kirche ohne Grenzen si è dedicato.

Per quanto magica possa sembrare questa storia autobiografica tendente, che è apparsa nel 1943, lo scrittore e pilota francese Antoine de Saint-Exupéry (1900–1944) non ha avuto intenzioni di scrivere né una fiaba né un libro per bambini. Dopo l'occupazione della Francia da parte dei tedeschi nel 1940, emigrò a New York. La sua patria, occupata dall'occupazione tedesca, è in gravi difficoltà. I lettori attenti indovinano, nella dedica ad un amico ebreo, in cui è stata scritta questa storia. Frasi come «Vedi solo con il cuore. L'essenziale è invisibile agli occhi», «È già un paese enigmatico, il regno delle lacrime», appare ancora più politico ed esplosivo in questo contesto. Nel contesto di questo testo si può quindi affrontare bene la domanda «Come affrontiamo il lutto, come possiamo dare conforto?». Diventa subito chiaro: il libro racconta più di una storia, crea una visione del mondo intero, rende possibile un'offerta di identificazione, adatta a diverse generazioni. Nella forma di una favola o di fantascienza, più chiaramente di quanto possano essere alcuni tratti politici, la precedente costituzione del mondo e le trasgressioni del popolo sono interpretate senza pietà onestamente e messe in discussione.

Ascensione come viaggio educativo

I lettori possono interpretare il testo in modo religioso, psicologico, filosofico, pedago gico o fittizio. «Il piccolo principe» intraprende un'Ascensione, un viaggio da un pianeta all'altro, sul quale incontra diversi esseri umani. Attraverso il suo viaggio nello spazio e nei vari incontri, il piccolo principe ottiene una visione profonda e una nuova sicurezza di sé. Il percorso di fede di ogni persona può anche essere visto come un continuo viaggio educativo – e Gesù si preoccupa sempre di non dimenticare, di essere e di diventare come fanno i bambini: «Tutti i grandi personaggi erano bambini, ma pochi ricordano esso».


Ausgabe Nr. 19/2018

 

Pfarrer Emmanuel Adelklo zeigt das Kreuz der Verkündigungskirche, das der IS mit Gewalt entfernt hat.

Gipfelstürmer – mit 80 Millionen verkauften Exemplaren gehört «Der kleine Prinz» zu den meistgelesenen Büchern der Welt.

Bild: Romina Monferrini

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