Die letzten Tage der Kartause Ittingen

Im Ittinger Museum gibt es neu einen Themenraum über die Aufhebung der Kartause. Er ermöglicht einen Blick auf eine Zeit, in der Mönche als Müssiggänger und Schmarotzer betrachtet wurden.

Auf einem Schimmel präsentiert sich stolz ein Mann in schwarzem Mantel und Hut: Das Bild, das im neuen Themenraum ausgestellt ist, zeigt den letzten Prior der Kartause Ittingen, Bernhard König, auf ungewohnte Weise. Daneben findet sich aber auch ein Gemälde des Priors in der Kutte. Ein weiteres Gemälde zeigt eine gesellige Runde von Mönchen, mehrheitlich Kartäuser. Eine aquarellierte Federzeichnung der Kartause um 1845 ergänzt die Sammlung. 

Misswirtschaft durch Verwalter
Banner und Audioguides geben einen Überblick über die Hintergründe der Klosteraufhebung: Bereits 1782 waren in Österreich alle Klöster ohne gesellschaftlichen Nutzen aufgehoben worden. Darunter fielen alle Kartausen. Die Revolution von 1798–1799 hatte in Frankreich zur Auflösung aller Klöster geführt. So wuchs ab 1830 durch das Vordringen des Freisinns auch der Druck auf die Schweizer Klöster. 1836 wurden diese im Thurgau unter staatliche Verwaltung gestellt. Die Mönche hatten nichts mehr zu sagen, konstatierten aber massive Misswirtschaft durch die Verwalter. Deshalb liessen sie einen Aufruf an die Eidgenössische Tagsatzung drucken. Sie wiesen darauf hin, dass die Klöster im Vergleich zu anderen Körperschaften eine Ungleichbehandlung erfuhren. Im Bundesvertrag von 1815 hatte es noch geheissen, der Fortbestand der Klöster werde garantiert als «Gesammtgut der schweizerischen Katholicität». Davon war in den 1840er-Jahren nichts mehr zu spüren. Das in der Gesellschaft vorhandene Bild der faulen Mönche war nicht mehr aufzuhalten. Es war ein propagandistischer Vorwand für eine klosterfeindliche Haltung. Klöster galten als überkommene Relikte, weshalb ihr Vermögen eingezogen werden sollte für gemeinnützige Zwecke. – Im Falle der Kartause Ittingen wurde der Verwalter später des Betruges in bedeutendem Ausmass für schuldig befunden und zu einer Zuchthausstrafe verurteilt. 

Ankündigung der Aufhebung
Die letzten acht Mönche in Ittingen wurden 1848 durch Regierungsrat Johann Konrad Egloff von der Aufhebung des Klosters in Kenntnis gesetzt. Es blieb ihnen eine bestimmte Frist, innert derer sie das Kloster zu verlassen hatten. Johann Kaspar Mörikofer, reformierter Pfarrer und Dekan, der Regierungsrat Egloff begleitet hatte, zeigte sich noch 22 Jahre später beim Aufnotieren seiner Erinnerungen erstaunt darüber, dass die Kartäuser einen tiefen Schmerz empfanden beim Vernehmen der Nachricht: «Der Prior zitterte an allen Gliedern, der Schaffner war todtenblass und seine Lippen bebten, dem Küchenmeister rannen die Thränen über die Wangen; mit lautloser Ergebung vernahmen sie das Todesurtheil des Klosters.» Seine Erinnerungen über «Die letzten Tage des Karthäuser-Klosters Ittingen» hatte er 1870 dem thurgauischen historischen Verein eingereicht. Sie dienen heute als Augenzeugenbericht, hatte Mörikofer 1848 doch drei Wochen seiner Sommerferien ehrenamtlich dem Inventarisieren der Ittinger Klosterbibliothek gewidmet, um zu verhindern, dass die Bücher einem Antiquar verkauft wurden. 

Blick auf Mönche
Mörikofer lebte während dieser drei Wochen im Kloster. Er bewunderte die Mönche dafür, dass sie bis zur letzten Minute ihre Klosterregel einhielten und sich nicht beklagten über ihr Schicksal, so sehr es sie mitnahm. Ansonsten kamen sie recht schlecht weg bei ihm. Bis auf zwei Ausnahmen bezeichnete er sie als «eng». Prior Bernhard titulierte er gar als «völlig unwissend, höchst beschränkt und kindisch albern, […] In der Mussezeit amüsirte er sich vorzüglich mit Reiterstücken auf seinem prächtigen Schimmel.» 

Leibrenten
Für die Mönche gab es als Anschlusslösung eine Leibrente. Diese Pension betrug pro Jahr für den Prior 1100 Franken, für die anderen Brüder zwischen 500 und 700 Franken. Als Vergleich sei erwähnt, dass zu jener Zeit ein Pfarrer einen Jahreslohn von 1200 Franken erhielt, ein Amtsschreiber 570 Franken, ein Lehrer 200 bis 400 Franken und ein Textilarbeiter 150 Franken.
Mörikofer hatte den Auftrag erhalten, den Abzug der Mönche zu überwachen. Deshalb verbrachte er mit ihnen die letzte Nacht. Die übrig gebliebenen fünf Brüder hatten sich in Schwarz gehüllt. «Stille Trauer lag auf allen Gesichtern, mehrere konnten nicht essen.» Der Pfarrer von Warth war ebenfalls anwesend. Als er ein Abschiedswort sprach, «brachen die Schleusen des Schmerzes unaufhaltsam los». 

Béatrice Eigenmann, forumKirche, 15.03.2023
 

Georg Anton Gangyner: «Der letzte Prior von Ittingen Bernhard König»
Quelle: Ittinger Museum/Dauerleihgabe Hist. Museum TG
Georg Anton Gangyner: «Der letzte Prior von Ittingen Bernhard König»

Kommentare

+

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.
CAPTCHA
Diese Sicherheitsfrage überprüft, ob Sie ein menschlicher Besucher sind und verhindert automatisches Spamming.
Bild-CAPTCHA
Geben Sie die Zeichen ein, die im Bild gezeigt werden.