Staat und Kirchen sind zum Handeln aufgefordert

Das Mittelmeer soll nicht mehr zum Grab für Bootsflüchtlinge werden. Dafür soll sich die Schweiz einsetzen, indem sie sich am Aufbau eines zivilen Seenot-Rettungssystems beteiligt. Dies fordert eine Petition, die mit rund 24’400 Unterschriften eingereicht wurde. Auch die Kirchen werden in die Pflicht genommen.

Auf dem Berner Waisenhausplatz haben Freiwillige Anfang Januar tausende Stoffstreifen mit Namen von Menschen, die auf der Flucht nach Europa gestorben sind, im Wind flattern lassen. Während sich die Installation mit den Namen von rund 36’000 Verstorbenen in einem grossen Rechteck formierte, fand in der Nähe die Medienorientierung zur Petition «Sterben auf dem Mittelmeer stoppen!», zuhanden von Bundesrat und Parlament statt. Die Petition sei lanciert worden, um eine Motion der Zürcher Nationalrätin Mattea Meyer (SP) mit demselben Titel zu unterstützen, sagte der reformierte Theologe Pierre Bühler, der sich im Netzwerk migrationscharta.ch. engagiert, vor den Medien. Die Antwort des Bundesrates auf den Vorstoss der Politikerin sei «unbefriedigend» gewesen. Im Nationalrat ist er noch nicht behandelt worden. «Deshalb ist es ein guter Moment, die Petition jetzt einzureichen», so Bühler weiter.

Auch Schweiz soll Bootsflüchtlinge aufnehmen

Die Petition fordert, dass sich die Schweiz am Aufbau eines europäisch organisierten und finanzierten zivilen Seenot-Rettungssystems beteiligt. Laut Petition soll sie sich auch für eine Verteilung von Menschen einsetzen, die aus Seenot gerettet werden. Bundesrat und Parlament sollen zudem die rechtlichen Grundlagen schaffen, die eine rasche Aufnahme von Bootsflüchtlingen in der Schweiz ermöglichen. Hinter der Petition stehen die Solidaritätsnetze Schweiz, Solidarité sans frontières und weitere Organisationen, darunter die Kirchliche Kontaktstelle für Flüchtlingsfragen (KKF) im Kanton Bern und der Ökumenische Mittagstisch für Asylsuchende mit Nothilfe und Sans-Papiers in Bern.

Seenotrettung ist «Gebot der Menschlichkeit»

Die bekannte Menschenrechtsaktivistin Anni Lanz (siehe auch Interview forumKirche Nr. 24/2019) sagte, den Anstoss zur Petition habe das Engagement der italienischen Waldenser gegeben. «Sie haben erreicht, dass Salvini bereit war, in Seenot geratene Flüchtlinge aufzunehmen. Hut ab!» Die Seenotrettung sei aus ihrer Sicht zwar «keine Lösung, aber ein Gebot der Menschlichkeit». Die ehemalige Generalsekretärin von Solidarité sans frontières ging auch auf die Ängste vor weitergehenden Forderungen ein, etwa vor einer Öffnung der Grenzen für alle Ausreisewilligen. Man müsste eine Lösung finden, die beide Seiten zufriedenstellen würde, die Europäer und die Migranten, sagte sie.

Rettungsschiff unterstützen

Nicht nur die offizielle Schweiz soll aktiv werden, sondern auch die Kirchen. Am 7. Januar wurde ein Brief des Netzwerkes migrationscharta.ch, in dem sich etwa 1000 Menschen zusammengeschlossen haben, an die Schweizer Bischofskonferenz (SBK) und die Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz (EKS) publik gemacht. Das Schreiben war bereits am 12. Dezember, noch vor Weihnachten, verschickt worden. Mit der Veröffentlichung wolle man «ein bisschen Druck» ausüben, räumte Pierre Bühler vor den Medien ein. Die Kirchen werden in dem Brief gebeten, sich dem von der evangelischen Kirche Deutschlands initiierten Bündnis «United4Rescue Gemeinsam Retten e.V.» anzuschliessen. Dieses will ein eigenes Rettungsschiff für Flüchtlinge ins Mittelmeer schicken. Angesichts des täglichen Sterbens im Mittelmeer erachte man es als geboten, dass die Kirchen «alles in ihren Möglichkeiten Stehende tun, um Leben zu retten und die Not der Geflüchteten und die Ursachen dieser Not zu mindern und zu bekämpfen», heisst es in dem Brief. Die Kirchen werden aufgefordert, das Bündnis finanziell zu unterstützen. Sie werden auch gebeten, die Kantonalkirchen, kirchlichen Verbände, Kirchgemeinden, Pfarreien und die einzelnen Gläubigen aufzurufen, ihrerseits das Bündnis zu unterstützen.

Beim Bund Einfluss nehmen

SBK und EKS sollen zudem Einfluss nehmen, indem sie sich bei den zuständigen Stellen des Bundes dafür einsetzen, dass sich die Schweiz an der Aufnahme von geflüchteten und aus Seenot geretteten Menschen beteiligt. «Es ist höchste Zeit, wirklich zu handeln und unseren vielen Worten in Predigten und Ansprachen konkrete Taten folgen zu lassen», sagte die katholische Theologin Nicola Neider. Das beinhalte auch finanzielle Solidarität. Die Kirchen könnten damit ein Zeichen auch in der Gesellschaft setzen. «Wir sind bereit, bei unserer Lebenshaltung Abstriche zu machen – so wie das auch die Klimajugend tut.»

Barbara Ludwig, kath.ch/Red. (14.1.20) 

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Flüchtlings-Installation auf dem Berner Waisenhausplatz.

Bild: Barbara Ludwig, kath.ch

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