Redewendungen aus der Bibel

Die Redewendung «seine Hände in Unschuld waschen» möchte zum Ausdruck bringen, dass jemand mit einer Sache nichts zu tun haben möchte, dass er dafür keine Verantwortung übernimmt.

Der Kindergarten wurde von katholischen Schwestern geführt. Schwester Angelika bezog zwei Mal am Tag Position zwischen Buben- und Mädchenwaschraum. Mit scharfem Auge überwachte sie, dass wir Seife und Handtuch benutzten. Unser Händewaschen war der Hygiene geschuldet, nicht der Moral.

Pontius Pilatus, der römische Statthalter von Judäa, war für die Juden kein unbeschriebenes Blatt. Der Geschichtsschreiber Flavius Josephus berichtet von mehreren Provokationen des sogenannten «Haarlosen» gegen die religiöse Empfindlichkeit der Juden. Bei der Freigabe Jesu zur Vollstreckung des hohenpriesterlichen Todesurteils (Mt 27 par) kann er Anklage und Verurteilung nicht nachvollziehen, denn was kümmert einen, der diese Religion nicht teilt, ein König, «nicht von dieser Welt» (Joh 19,36)?

«Lass die Hände von diesem Mann. Er ist unschuldig» (Mt 27,19), soll seine Frau ihm geraten haben. Pontius Pilatus wiegelt ab: Er finde keine Schuld an ihm und bringt Barrabas ins Spiel: Wollt ihr Jesus oder den Räuber?

«Als der Tumult immer grösser wurde» (Mt 27,24), – beim Evangelisten Johannes verschärft mit der Drohung, die Juden wollten den Kaiser in Rom benachrichtigen (Joh 19,12), – da knickt er ein. Als Verantwortlicher war er nie draussen, jetzt aber spielt er mit. Pilatus und Herodes sollen über der Verspottung Jesu zu Freunden geworden sein (Lk 23,12). Ein gemeinsamer Sündenbock hat schon manche Böcke vereint.

Jetzt lässt sich Pilatus das Wasser bringen. Nicht das Wasser des Lebens, sondern das Brackwasser der egozentrischen Angst. Das trübe Wasser der falschen Verbrüderung. Das faule Wasser des Wegschauens. Das stinkende Wasser der demonstrativen Unschuldsbekundung, welches die Schuld dessen spiegelt, der seine Hände danach ausstreckt.

Als Hannah Arendt als Beobachterin im Eichmann-Prozess die These von der «Banalität des Bösen» aufstellte, gingen sogar Freunde auf die Barrikaden. Eine Welt entrissen zu bekommen, in der die Lager Schuldige und Unschuldige, Gute und Böse, Engel und Dämonen nicht mehr deutlich getrennt sind, und wir uns nicht mehr auf die Seite des Reinen retten können, weckt Zorn.

Mit dem Geboren-Werden aus dem Fruchtwasser sind wir ins Leben geworfen. Wir werden tätig. Wir tragen Verantwortung. Wir entscheiden. Die Hände werden schmutzig. Händewaschen schützt vor Infektionen. Zum Leben gehört Fehlen, Schuldig- Werden. Sich dazu zu verhalten ist Würde. Eine Waschung in Unschuld gibt es nicht.

Christine Rammensee, Theologin

Ausgabe Nr. 4/2018

Bild: pixabay.com

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