Bald gibt es zwei regionale Unverpackt-Läden

In Hüttwilen betreibt Corina Pleisch seit über einem Jahr das kleine Geschäft «Gnussvoll» mit verpackungsfreien Produkten. Als Teil einer vierköpfigen Projektgruppe will sie das erfolgreiche Konzept nun auch in Frauenfeld etablieren. Im Gespräch erklärt die Ladenbesitzerin, was hinter der Idee steckt, wie man bei ihr welche Lebensmittel einkaufen kann und wie es um den Preis steht.

Wie Sind Sie auf die Idee gekommen, in Hüttwilen einen Unverpackt-Laden zu eröffnen?

Als Konsumentin achte ich schon länger darauf, weniger Plastikartikel zu konsumieren und möglichst bewusst sowie unverpackt einzukaufen. Da es kein solches Geschäft in der näheren Umgebung gab, habe ich mich dazu entschlossen, selbst ein solches Konzept anzubieten. Nun gibt es den kleinen Laden, in dem ich seit gut eineinhalb Jahren auf knapp 10 m2 rund 200 verschiedene Produkte anbiete.

Was gibt es bei Ihnen alles im Sortiment?

Ich biete vor allem Trockenprodukte an. Getreide als Korn, das man in einer Mühle im Geschäft selber mahlen kann, und in verarbeiteter Form als Mehl oder Flocken. Daneben habe ich eine grosse Auswahl an Trockenfrüchten und Nüssen, verschiedenen Gewürzen, Essig und Öl, Pasta-Sorten, Hülsenfrüchten, Reis und Polenta. Unverpackt gibt es bei mir zudem Zutaten zum Kochen und Backen wie Zucker oder Salz, Backpulver und Maisstärke und ein kleines Sortiment an ökologischen Haushalts- und Reinigungsartikeln.

Was sucht man im Unverpackt-Laden dagegen vergeblich?

Ich verzichte auf ein Angebot an Früchten und Gemüse. Der Laden in Hüttwilen liegt sehr dezentral, was es für mich schwer planbar macht, ob ich an einem Tag alle frischen Produkte verkaufen könnte. Zudem gibt es in der Region sehr viele Anbieter, bei denen man Obst und Gemüse direkt unverpackt auf dem Hof kaufen kann. Logistisch stellen für alle Unverpackt-Läden Kühl-, Frisch- und Konservenprodukte eine Herausforderung dar. Im Speziellen verarbeitete Produkte, bei denen die Verpackung der Konservierung und Haltbarkeit dient, wie beispielsweise Eingekochtes, Fermentiertes, Vakuumiertes oder Pasteurisiertes.

Setzen Sie bei der Auswahl ausschliesslich auf Bio-Produkte oder auch auf Regionalität?

Der Grossteil des Angebots ist biologisch hergestellt, jedoch nicht alles. Wenn ich nachhaltige und unverarbeitete Lebensmittel von einem verantwortungsvollen Hersteller aus der Region beziehen kann, dann mache ich das. Ich möchte auf das natürliche, authentische Produkt sensibilisieren, das meist in nächster Nähe in guter Qualität vorhanden ist. Meine erste Wahl ist deshalb immer, direkt den Kontakt zu den jeweiligen Produzenten «aus der Nachbarschaft» herzustellen und bei ihnen zu bestellen, ohne Zwischenhändler und unnötige Transportwege.

Und wer kauft bei Ihnen ein?

Alle, von Gross bis Klein. Familien, Einzelpersonen, aber auch Kinder kommen in den Laden. Bei den Erwachsenen sind es mehrheitlich Frauen, aber auch Männer jeden Alters und jeder Gesellschaftsschicht. Das führt mitunter zu sehr schönen Begegnungen beispielsweise mit älteren Menschen, die diese Art des Einkaufens noch von früher kennen und sich darüber freuen, dass sie nun endlich wieder in ihren Behältnissen Lebensmittel auffüllen können. Sie sind auch ein gutes Beispiel für die jüngere Generation, die sich diese Einkaufsweise erst aneignen muss.

Und alle haben ihre eigenen Schüsseln, Dosen und Taschen dabei?

Genau. Jeder hat dabei seine eigene Methode. Diejenigen, die in der direkten Nachbarschaft wohnen, kommen mit ihrem Vorratsglas und füllen es einfach wieder auf. Oft sieht man sehr schöne, alte Gläser, die vermutlich jahrelang im Keller der Grossmutter lagerten, auch alte Blechdosen feiern ein Revival. Die Kunden mit einem weiteren Anfahrtsweg transportieren die Lebensmittel eher in leichten Taschen oder in Papiersäcken. Für diejenigen, die das erste Mal und ohne Behältnis bei mir sind, habe ich ein Grundsortiment an Gläsern, Papiersäcken und Stoffbeuteln. Meistens wollen sie sich erst einmal umschauen und können sich dadurch besser vorstellen, was man wie schöpfen kann, welche Schüsseln oder Dosen sich dafür am besten eignen und ob man diese zu Hause hat.

Was macht das unverpackte Einkaufen anders?

Man benötigt mehr Zeit. Es gibt immer wieder Kunden, die ein wenig gestresst bei mir ankommen und schnell noch etwas einkaufen wollen. Doch schnell geht nicht, weil man nicht einfach eine Verpackung aus dem Regal nehmen kann. Die Entschleunigung setzt automatisch ein, sobald man die Waren selbst abfüllt und ausrechnet. Am Schluss verlassen sie den Laden entspannt. Das Leben nimmt sich die Zeit einfach und das tut einem gut. Dadurch entstehen auch Begegnungen, die in einem Supermarkt in dieser Form vielleicht nicht entstehen.

Setzt man sich dabei anders mit den Lebensmitteln auseinander?

Ja, definitiv. Man spürt das Produkt mehr, weil man den Inhalt direkt sieht und nicht von der Verpackung fehlgeleitet und beim Auswählen des Produkts gesteuert wird. Man bekommt einen direkten Bezug zum Produkt und nimmt auch Veränderungen eher wahr. Bei den Hirseflocken höre ich zum Beispiel den Kommentar, dass die gerade gelieferten viel gelber seien als die letzten, da es von Charge zu Charge Unterschiede gibt. Ich merke auch, dass das Interesse daran grösser ist, die Lebensmittel später auf gute Art zu verarbeiten. Man schmeisst weniger weg, weil man nur einkauft, was man wirklich benötigt und das Verantwortungsbewusstsein durch das Wissen über die Herstellungsart des Produkts gefördert wird.

Wie wurden Sie Mitglied der vierköpfigen Projektgruppe, die nun auch einen Unverpackt-Laden in Frauenfeld eröffnet?

Das war nicht meine Idee, sondern diejenige meiner Teamkolleginnen Eliane Hirschi und Marion Lieberherr. Sie wollten schon länger so etwas in Frauenfeld realisieren und haben sich bei mir nach meinen Erfahrungen erkundigt. Ich wollte das unterstützen und stiess so zur Gruppe. Das vierte Mitglied ist Roman Högger, der als leidenschaftlicher veganer Hobbykoch auch just auf der Suche nach einer Möglichkeit war, sich selbstständig zu machen.

Sie sind dann dreimal zusammen auf den Frauenfelder Wochenmarkt und haben dort getestet, wie die Idee ankommt.

Genau. Wir wollten nicht an den Menschen vorbeiplanen. Auf dem Markt kamen wir mit ihnen ins Gespräch und fanden heraus, dass das Bedürfnis nach einem solchen Laden gross ist. Um noch mehr ins Detail in Bezug auf das Sortiment gehen zu können, haben wir zudem eine Online-Umfrage durchgeführt. Sie hat ergeben, dass den Menschen die Regionalität am wichtigsten ist, noch vor den Bioprodukten, Fairtrade, und dass die Produkte keine künstlichen Inhaltsstoffe haben. Das Schlusslicht bildete der Preis. Die Menschen sind also grundsätzlich bereit, für gute Qualität und für nachhaltige Produkte mehr Geld auszugeben.

Gibt es denn schon ein Ladenlokal?

Ja. Wir werden, voraussichtlich ab Frühling 2020, im «Trompetehüsli» an der Thundorferstrasse 18 zu finden sein. Im Moment wird das historische Gebäude noch umgebaut. Dort werden wir allerdings nicht alleine einziehen, sondern teilen uns die Ladenfläche mit einem Café. Das hat den Vorteil, dass die Gäste dort erst einmal ankommen können und nicht direkt im Ladenbereich stehen. Dadurch haben wir mehr Platz für alles, was um das Einkaufen herum noch entsteht, die Gespräche, der Austausch von Rezepten oder Erfahrungen. Das lässt sich dann sehr gut im Café noch vertiefen.

Preislich sind die meisten Unverpackt-Läden immer noch sehr teuer. Wenn man nicht für die Verpackungskosten zahlt, wofür dann?

Für die Qualität. Unsere Produkte sind nicht vergleichbar mit einem industriell verarbeiteten Supermarkt-Artikel. Ich möchte nur hochwertige und möglichst nachhaltige Produkte verkaufen. Dazu kommt, dass die Verpackung und die Etikettierung zwar wegfallen, dadurch aber mehr Logistik und Arbeit beim Ladenbetreiber entsteht. Die Lebensmittel unverpackt anzubieten, ist viel arbeitsintensiver, als wenn man nur Päckchen ins Regal einräumt. Die Behälter müssen immer wieder aufgefüllt werden, die Gebinde gereinigt, die Schöpfbestecke geputzt und am richtigen Ort platziert sein – dafür wird mehr Personal und mehr Platz benötigt.

Sie bieten als Sparmöglichkeit in Hüttwilen eine Mitgliedschaft an, wie funktioniert diese?

Ich finde es schade, wenn Menschen mit einem tieferen Lohn nachhaltig einkaufen wollen und ihnen das Budget einen Strich durch die Rechnung macht. Deshalb will ich die Kunden belohnen, die regelmässig bei mir einkaufen. Indem sich die Betriebskosten über die fixen Mitgliederbeiträge finanzieren, können die Mitglieder die Produkte nahezu zum Einkaufspreis beziehen. Je mehr man also kauft, desto mehr profitiert man, weil der Produktpreis so günstig bleibt.

Es gibt immer mehr solcher Läden. Ist das ein Zukunftsmodell, das den Grossverteilern auch als Vorbild dient?

Das wäre wünschenswert und dass Unverpackt- Läden so flächendeckend und damit einfach erreichbar sind wie Volg-Filialen. Inwiefern dadurch Grossverteiler unter Druck geraten und auch mitziehen müssen, ist schwer abzuschätzen. Sie spüren den Trend natürlich auch, die Frage ist, wie sie die Bedürfnisse ihrer Konsumenten umsetzen. Es würde schon sehr helfen, wenn sich die grossen Ketten Alternativen für Einweg- Plastikverpackungen überlegen würden.

Interview: Sarah Stutte (22.10.19)   

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Corina Pleisch verkauft in Hüttwilen und bald auch in Frauenfeld unverpackte Lebensmittel.

Bild: Sarah Stutte

 
 
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Ein Teil des Sortiments im Unverpackt-Laden in Hüttwilen.

Bild: zVg

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