Der Klimawandel muss in der Kirche beginnen

Auf der UN-Klimakonferenz im polnischen Kattowitz im letzten Dezember einigte man sich zwar auf ein umfassendes Regelwerk für die praktische Umsetzung, jedoch ohne verbindliche Ziele für die einzelnen Länder. In der Verantwortung zum ökologischen Wandel stehen alle – auch die Kirchen. Was hier im Einzelnen getan wird und noch getan werden muss, erklärt Kurt Zaugg-Ott, Leiter der Fachstelle oeku Kirche und Umwelt, im Interview.

Laut Sonderbericht des Weltklimarates zur Erderwärmung haben wir nur noch rund zehn Jahre Zeit, um den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen. Warum hat man trotzdem das Gefühl, es passiert zu wenig?

Die Ursache für die Klimaerwärmung, die Verbrennung fossiler Rohstoffe, ist bekannt. Wir wissen also, was zu tun ist. Wir scheuen uns aber davor, das Kind beim Namen zu nennen und für die notwendigen Massnahmen einzustehen. Als Gesellschaft haben wir nach wie vor nicht realisiert, wie dringend diese Massnahmen sind. Auch auf politischer Ebene sind Mehrheiten für wirksame Klimaschutzmassnahmen nur schwer zu finden. Das Ziel muss aber jetzt ins Auge gefasst und angegangen werden – auch wenn es etwas kostet. Wie sollen wir es sonst schaffen, bis 2050 aus den fossilen Energieträgern auszusteigen? Wenn wir nichts unternehmen, schreiten der Klimawandel und mit ihm das Artensterben ungebremst weiter. Wetterextreme wie Hitzewellen, Starkniederschläge, Überschwemmungen und Stürme werden noch mehr zunehmen. Der Meeresspiegel steigt weiter an. Und jedes Jahr Nichthandeln wird aufgrund der zu erwartenden Schäden teurer.

Was für Ergebnisse brachte die Weltklimakonferenz in Kattowitz?

Das Regelwerk wurde auf Grundlage des Pariser Klimaabkommens von 2015 konkretisiert. Die Umweltverbände zeigten sich mehrheitlich zufrieden und bezeichneten die Konferenz als gelungen. Nicht zufrieden sind sie aber mit den bisherigen Zielsetzungen der einzelnen Länder, auch denjenigen der Schweiz. Die Ziele zur Eindämmung der CO2-Emissionen werden international nicht vorgegeben. Jedes Land entscheidet selbst über deren Höhe und Umsetzung. In Kattowitz wurde die Aufforderung bekräftigt, dass die Staaten bis 2020 ihre aktualisierten Ziele vorlegen sollen.

Welche konkreten, daraus resultierenden Schritte sind nun geplant, auch hinsichtlich der EU-Bemühungen?

Die bisherigen Klimaziele der EU sehen vor, bis 2030 die eigenen Emissionen um 40 % zu reduzieren, bis 2040 um 60 % und bis 2050 um 80 % bis 95 %. In der Schweiz fehlen solche starken Vorgaben bisher. Der Bundesrat schlägt vor, bis 2030 die Emissionen im Inland um 30 % zu reduzieren. Die EU geht also weiter als die Schweiz. Einzelne Staaten wie Deutschland, Schweden, Grossbritannien oder Holland wollen bis 2030 die Emissionen sogar um mehr als 50 % senken. Wissenschaftler empfehlen, bis 2050 komplett auf fossile Energien zu verzichten.

Was ist hierzulande nötig, um diesen Rückstand auszugleichen?

Der Bundesrat und das Schweizer Parlament sollten – aufgrund der Resultate des neuesten Klimaberichts – zur Einsicht kommen, dass die bisherigen Klimaziele nicht genügen. Im Moment ist das CO2-Gesetz in der Beratung. Mit der Totalrevision dieses Gesetzes will der Bundesrat die Schweizer Klimapolitik 2021–2030 festlegen. Das wäre die Gelegenheit, die Ziele zu erhöhen. Doch momentan sieht es, aufgrund der politischen Mehrheiten, nicht danach aus. Wir fürchten sogar, dass die Klimaziele der Schweiz gegenüber dem alten CO2-Gesetz noch abgeschwächt werden. Das ist bedenklich und der grosse Aufschrei in der Gesellschaft ist leider bisher ausgeblieben.

Auch die Kirche trägt eine Verantwortung gegenüber dem Klimawandel. Nimmt sie diese wahr?

Meiner Ansicht nach schon. Der Schweizerische Evangelische Kirchenbund SEK, die Christkatholische Kirche der Schweiz und die Schweizer Bischofskonferenz SBK haben den Bundesrat zu konsequenterem Handeln aufgefordert. Die Kirchen in der Schweiz tragen mit der Beheizung ihres grossen Gebäudebestandes ebenfalls zu den Treibhausgas-Emissionen bei. Einzelne Kirchgemeinden versuchen auf verschiedenen Wegen, ihren Energie- und Heizöl- Verbrauch zu reduzieren. Die katholische Landeskirche Thurgau fördert das Umweltmanagementsystem «Grüner Güggel», das Kirchgemeinden und kirchlichen Institutionen hilft, ihre Umweltauswirkungen zu erfassen und zu reduzieren. Bisher zählen wir ungefähr 50 «Grüner Güggel»-Kirchgemeinden in der Schweiz, die zertifiziert sind oder sich auf dem Weg dorthin befinden. Eine grössere Verbreitung des kirchlichen Umweltmanagements würde zur Glaubwürdigkeit des kirchlichen Engagements beitragen.

Was können Kirchgemeinden schon im Kleinen verändern?

Genauso sorgfältig, wie sie die Finanzen verwaltet, kann eine Kirchgemeinde auch den eigenen Energieverbrauch kontrollieren und so gegebenenfalls reduzieren. Während des Sonntagsgottesdienstes kann die Temperatur bei maximal 18 Grad begrenzt werden und unter der Woche senkt man sie wieder ab. Damit spart man viel Energie und Geld. Auch für die Kunstwerke und Verzierungen in einer Kirche sind tiefe Temperaturen empfehlenswert. Heizt man zu stark, sinkt die Luftfeuchtigkeit – die Fresken und Orgeln nehmen Schaden. In der Kirche heizt man für die Kirchgänger. Bei ihnen müssen wir um Verständnis für die tiefere Temperatur werben.

Auch das Förderprogramm ProChileWatt soll helfen, in elektrisch beheizten Kirchen Strom zu sparen. Wie funktioniert das?

Laut Schätzungen sind rund 50 % der Kirchen in der Schweiz elektrisch geheizt. Die se Heizungssysteme beziehen enorm viel Strom, wenn sie eingeschaltet sind. Mit modernen elektronischen Steuerungen lassen sich die Maximal- und Minimaltemperatur sowie die Heizkurve optimal einstellen, sodass Einsparungen von 20 bis 30 % möglich sind, ohne dass die Behaglichkeit während des Gottesdienstes leidet.

Inwiefern kann im Gottesdienst auf die Notwendigkeit zum ökologischen Handeln hingewiesen werden?

Seit 1993 bieten wir den Kirchgemeinden in der Schweiz jährlich im Herbst an, die Aktion SchöpfungsZeit zu feiern. Dafür stellen wir Unterlagen für die Gestaltung von Gottesdiensten zu einem wechselnden Thema zusammen. Die Kirchen können auch durchs Jahr mithelfen, das ökologische Bewusstsein zu schärfen. Dies, indem sie ihre Angebote so organisieren, dass die Kirchgänger weniger das Auto nutzen, zu Fuss zur Kirche kommen oder mit einem kirchlich organisierten Abholdienst. Die Menschen können mit gemeinschaftlichen Angeboten motiviert werden, sich positiv an der Gestaltung unserer Zukunft zu beteiligen.

Sie sind seit 21 Jahren Fachstellenleiter der oeku, die ihrerseits seit 33 Jahren existiert. Inwieweit hat sich das öffentliche Bewusstsein für das Engagement der Organisation gewandelt?

Am Anfang wurde die oeku nicht wirklich ernst genommen. Inzwischen habe ich den Eindruck, dass die Umwelt, beziehungsweise die Bewahrung der Schöpfung, in den Kirchen als wichtiges Thema anerkannt ist. Dennoch hat die Umwelt vielerorts nicht das Gewicht, das sie haben könnte. Nach wie vor ist es für uns schwierig, von übergeordneter Stelle Gelder für die praktische Umweltarbeit zu erhalten. Den «Grünen Güggel» finanzieren wir grösstenteils mit Beiträgen des Bundesamtes für Energie. Die Kantonalkirchen könnten viel dazu beitragen, die bestehenden Angebote für kirchliches Umwelthandeln bekannter zu machen.

Was wünschen Sie sich, um das kirchliche Bewusstsein für die Umwelt noch zu fördern?

Ich wünsche mir viel mehr Breite. Die Angebote, die wir den Kirchgemeinden zur Verfügung stellen, sollten auch von Landeskirchenverwaltungen viel intensiver wahrgenommen werden. Je flächendeckender die Massnahmen umgesetzt werden, desto glaubwürdiger ist die Kirche letztendlich auf übergeordneter Ebene, wenn sie für einen starken Klimaschutz und die Bewahrung der Schöpfung einsteht.

Interview: Sarah Stutte (21.1.19)


Bilanz der UN-Konferenz in Kattowitz

Vom 2. bis 15. Dezember fand im polnischen Kattowitz die 24. UN-Klimakonferenz statt. Drei Jahre nach der historischen Einigung auf das Pariser Klimaabkommen beschlossen fast 200 Staaten gemeinsame Regeln für deren praktische Umsetzung. Um die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen, müssen die Treibhausgas-Emissionen durch Kohle und Öl in den kommenden Jahren drastisch reduziert werden. Unter anderem vereinbarte der Gipfel Transparenzregeln und Standards zur CO2-Erfassung, damit die Klimaschutz-Anstrengungen der Staaten miteinander vergleichbar sind. Arme Länder erhalten allerdings Zeit, um die technischen Voraussetzungen dafür zu schaffen und sollen zudem durch die Industrieländer ab 2020 jährlich finanziell in ihren Bemühungen für den Klimaschutz unterstützt werden. In Kattowitz bekräftigten die Staaten, dass sie bis 2020 aktualisierte Klimaziele vorlegen werden, wie es das Pariser Abkommen vorsieht. Das Abschlussdokument enthält überdies eine Anerkennung des jüngsten Sonderberichtes des Weltklimarates, in dem ein verstärkter Einsatz zur Erreichung des 1,5-Grad-Zieles angemahnt wird. Der nächste UN-Klimagipfel findet Ende 2019/ Anfang 2020 in Chile statt.


oeku Kirche und Umwelt

Der ökumenische Verein, dem heute rund 600 Kirchgemeinden, kirchliche Organisationen und Einzelpersonen als Mitglieder angehören, wurde 1986 gegründet. Heute ist oeku von der Schweizer Bischofskonferenz (SBK) und dem Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund (SEK) als kirchliche Umweltfachstelle anerkannt. oeku unterstützt Kirchgemeinden, Pfarreien und Landeskirchen mit schöpfungstheologischen Impulsen, Kursen, Praxisempfehlungen und der Vermittlung von Beratungen. Ein wichtiger Schwerpunkt des Vereins ist, neben der Aktion SchöpfungsZeit, das Sparen von Energie in den Kirchen. Zudem führt oeku die Geschäftsstelle für das kirchliche Umweltzertifikat «Grüner Güggel». oeku wird von einem ehrenamtlichen Vorstand geführt und verfügt über eine eigene Fachstelle in Bern. (www.oeku.ch


Unter diesem Link vom Bafu finden Sie noch weiteres Info-Material und Grafiken zur Treibhausgasbelastung in der Schweiz mit Ziel 2020 und Klimaänderungen. 
https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/klima/inkuerze.html


 

 

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Kurt Zaugg-Ott, Fachstellenleiter oeku Kirche und Umwelt

Bild: zVg

Kurt Zaugg-Ott, Fachstellenleiter oeku Kirche und Umwelt.

Bild: zVg

 

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Der Klimawandel lässt die Polarkappen schmelzen und den Meeresspiegel schneller anheben. Dadurch steigt auch die Zahl an weltweiten Flutkatastrophen.

Bild: pixabay.com

Der Klimawandel bewirkt extreme Wettersituationen wie z. B. übermässige Regenfälle mit Hochwasser.

Bild: pixabay.com

 

Jahresmitteltemperatur - Abweichung vom Durchschnitt der Jahre 1961-1990 in °C

Quelle: MeteoSchweiz

Einladung zum Umweltmanagementsystem für Kirchgemeinden und kirchliche Institutionen:

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