Eine historische Weihnachtsausstellung in Bischofszell

Weihnachten in Zeiten des Krieges in Europa – ein immenses Spannungsfeld. Das Historische Museum Bischofszell wagt sich an die Thematik heran und zeigt die aussergewöhnliche Weihnachts-Sonderschau «Nicht nur ‹Oh du fröhliche›…»: Christbaumschmuck, Weihnachtsdeko und Zeitdokumente aus früheren Kriegsjahren regen zum Nachdenken an.

Seit mehr als 40 Jahren sammelt Alfred Dünnenberger aus Baar Gegenstände rund um Weihnachten. Sein ganzes Haus ist voll von Christbaumschmuck, Adventskalendern und historischen Erinnerungsstücken, die ihresgleichen suchen. Nun gestaltet er erstmals eine historische Weihnachtsausstellung in der Ostschweiz – eine ganze besondere, denn, so Dünnenberger: «Der Ukrainekrieg in nächster Nähe machte mir schlagartig deutlich, dass die Präsentation von ‹heiler› Weihnacht dieses Jahr nicht angebracht ist.» Der Bischofszeller Roman Reinhart, Vorstandsmitglied und Eventkoordinator des Museums Bischofszell, konnte den Sammler aber überzeugen, dass dieses Jahr eine Sonderschau passender ist denn je: «Weihnachten spiegelte zu jeder Zeit auch Schwieriges. Das hat das Fest mitgeprägt und stets neue Impulse gegeben.» 

Soldaten statt Engel
Dünnenberger überlegte sich in der Folge, wie er mit seinen zum Nachdenken anregenden weihnachtlichen Zeitdokumenten etwas ganz Spezielles zusammenstellen könnte, das sich an den Ukrainekrieg anlehnt – denn: «In früheren Zeiten, als nationale Werte zu festigen oder gar zu verteidigen waren, war es plötzlich selbstverständlich, den Christbaum mit patriotisch aufgeladenen Objekten zu schmücken.» Man habe sprichwörtlich «Flagge gezeigt» und den glitzernden Baum und die Engel «ohne Hemmung mit Soldaten und Heerführern samt martialischem Kriegsgerät ergänzt». Wenn dann «erhabene Ziele» erreicht worden seien, habe der Christbaum auch schon mal zu einem «eigentlichen Siegesbaum mutieren können». Zum christlichen Fest der Liebe sei immer wieder auch die Opferbereitschaft der eigenen Bevölkerung idealisiert worden. Dünnenberger spricht Klartext: «Weihnachten wurde für die psychologische Kriegsführung eingesetzt.»

Friedensrufe scheitern kläglich
Bereits nach dem Ersten Weltkrieg sei indes «Nie wieder Krieg» skandiert worden, und die Soldaten seien aus dem Adventskalender verbannt worden. Oder im Vietnamkrieg hätten John Lennon und Yoko Ono in ihrem Weihnachtslied «Happy Xmas» den Protestslogan «Der Krieg ist vorbei – wenn ihr es nur wirklich wollt» eingebaut. Doch Dünnenberger weiss und bedauert: «Solche Friedensrufe scheitern auch heute kläglich an den Realitäten: In einer Welt voller Fake News und ideologischem Grössenwahn muss mitten in Europa das Weihnachtsfest abermals unter fürchterlichsten Kriegsbedingungen gefeiert werden.» Er hoffe deshalb, dass seine Ausstellung nicht nur Freude bereitet, sondern «auch zum Nachdenken und kritischer Wachsamkeit anregt».

Weihnachtliche Magie erleben
Mit seinen Objekten will Dünnenberger eine Zeit lebendig werden lassen, «in der die Welt noch mehrheitlich durch Grossfamilien, Kleinräumigkeit, Nachhaltigkeit und christlichen Glauben geprägt war». Unter den seltenen Gegenständen befinden sich Raritäten wie Adventskalender, Nikoläuse, Engel, Christbaumschmuck und Krippen. Trotz Krieg – viele Stücke zeugen von der weihnachtlichen Magie. Die Ausstellung von Alfred Dünnenberger erzählt Geschichten aus der Entwicklung des Weihnachtsfestes – von Jesu Geburt bis ins 20. Jahrhundert. Neben weihnachtlichen Raritäten gibt es viele Anekdoten zu entdecken.

Von Zuckerware bis «Faulenzer-Krippen»
Die Ausstellung ist in fünf Themenbereiche gegliedert. Man erfährt zum Beispiel, wer den Adventskalender erfunden hat, warum jahrhundertealte Zuckerware bis heute überdauert hat oder wie sich der Christbaumschmuck im Laufe der Jahre und Jahrhunderte verändert hat. Besonders eindrücklich sind jene Geschichten, die wieder lebendig werden, als frühere Kriegsgegner einst an der Front gemeinsam Weihnachten feierten. Mit seinen «Faulenzer-Krippen» weckt Dünnenberger zudem die Neugier auf eine ganz andere Art.

Roman Salzmann, Kirchenbote Thurgau/Red., 30.11.2022


■ Die Ausstellung ist bis 29. Januar 2023 zu sehen. Am Sonntag, 11. Dezember, findet um 17 Uhr eine ökumenische Feier im Museum statt.
Nähere Infos: www.weihnachten-bischofszell.ch

Sammler Alfred Dünnenberger
Quelle: Roman Salzmann
Sammler Alfred Dünnenberger mit einer Christbaumkugel in Form einer Bombe und der Weihnachtsdekoration «Christkind auf Schlitten mit Hirschen»

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