App hilft, Integration zu fördern

Eine leicht bedienbare und kostenlose App bringt seit Juli Menschen mit Fluchthintergrund und Einheimische zusammen. Die Freiwilligen können so integrationswilligen Asylsuchenden beispielsweise bei der Stellensuche, beim Deutsch- oder Mathelernen helfen. Ins Leben gerufen hat das privat initiierte Projekt Glocalmeets der 25-jährige Bankkaufmann Raphael Gerster aus Weinfelden.

Was verbirgt sich hinter dem Namen Glocalmeets?

«Glocal» ist die Verbindung zwischen global und lokal. Ich bin schon seit längerem Mitglied im Zürcher Verein Glocal Roots. Dort widmen wir uns Projekten, die Hilfe zur Selbsthilfe für Asylsuchende leisten. Daraus entstand Glocalmeets, als gemeinsames Projekt zusammen mit der Kreuzlinger Arbeitsgruppe AGATHU. Überdies stehen wir mit dem Netzwerk Asyl Thurgau und mit der Fachstelle Integration des Kantons Thurgau in engem Kontakt. Die Plattform, die ich unter anderem mit finanzieller Unterstützung von Glocal Roots realisieren konnte, soll auf möglichst einfache Art und Weise Integrationspartnerschaften fördern.

Wie funktioniert das genau?

Jeder freiwillige Helfer und jeder Asylsuchende der 18 Jahre alt ist und im Kanton Thurgau wohnt, muss sich nur bei uns via App registrieren. Diese ist relativ einfach anzuwenden, weil die anzugebenden Informationen selbsterklärend sind. Zudem haben wir gewisse Punkte grafisch dargestellt. Wir schauen, ob zwei Personen mit ähnlichen Interessen und Bedürfnissen zusammenpassen, die in der Nähe zueinander wohnen. Ist das der Fall, organisieren wir ein erstes Treffen, an dem sich beide Personen kennenlernen können und beiderseitige Wünsche und Erwartungen abgeklärt werden. Bei diesem Anfangsgespräch ist stets einer unserer sechs Koordinatoren dabei. Sie betreuen die individuelle Integrationspartnerschaft und sind die direkte Ansprechperson bei Fragen oder Rückmeldungen. Grundsätzlich funktionieren die Partnerschaften jedoch autonom, die Gestaltung und der Umfang liegen bei den jeweiligen Integrationspartnern.

Wie kamen Sie auf die Idee und was wollen Sie damit erreichen?

Die Idee entwickelte sich aus meinem privaten sozialen Engagement heraus. Seit vier Jahren gebe ich zweimal in der Woche Deutschunterricht für Asylsuchende in Weinfelden. Ich habe gemerkt, dass ein Mensch mit Fluchthintergrund viel schneller Fortschritte macht, wenn er persönlich betreut wird. Der von mir betreute Afghane hat nun seit diesem Sommer eine Lehrstelle. Für mich ist das ein Erfolgserlebnis, das ich teilen wollte. Zudem besteht meiner Meinung nach die Gefahr von Parallelgesellschaften, wenn jemand sich in einer Gesellschaft nicht akzeptiert oder integriert fühlt. Die App soll eine Möglichkeit bieten, Vorurteile abzubauen und sich gegenseitig besser kennenzulernen.

Wie viele Asylsuchende nutzen die App bereits und wie machen Sie darauf aufmerksam?

Insgesamt haben sich schon dreissig Personen angemeldet. Von der Fachstelle Integration bekommen sie bei ihrer Ankunft eine Informationsmappe, dort durften wir unseren Flyer beilegen. Zukünftig möchten wir auch die Durchgangs- und Flüchtlingsheime besuchen, um eventuelle Vorbehalte von Asylsuchenden abzubauen, die hinter Glocalmeets kein komplett neutrales Angebot vermuten. In Kürze schalten wir auch unsere Webseite auf, die App wird aber weiterhin nur auf dem Handy funktionieren. Aus dem einfachen Grund, weil die meisten Asylsuchenden keinen Computer haben.

Wie kann diese Integration aussehen und wie nicht?

Die Hauptthemen bei uns sind sicher Nachhilfe in Deutsch, Mathe und Unterstützung bei den Bewerbungsunterlagen. Unter Integration verstehe ich jedoch jede Art, in Kontakt zu treten. Ich bringe dem jungen Mann, den ich betreue und der inzwischen zu meinem Freundeskreis zählt, beispielsweise gerade das Autofahren bei. Genauso ist es möglich, zusammen Sport zu machen, zu kochen, Kaffee zu trinken oder Vereine zu besuchen. Was wir nicht möchten, ist eine religiöse Integration. Wir wünschen uns einen gesellschaftlichen Einbezug, bei dem es keine Rolle spielt, woher jemand kommt, welche Sexualität man hat und woran man glaubt.

Die Kirche will aber nicht nur missionieren, sondern leistet auch selbst viel Integrationshilfe durch Freiwilligenarbeit. Macht sie das nicht zum interessanten Partner?

Auf jeden Fall. Ich schätze das freiwillige kirchliche Engagement sehr. Uns ist einfach wichtig, dass der Mensch mit Fluchthintergrund in seiner Persönlichkeit geschützt ist. Wir möchten nicht, dass Integrationspartnerschaften aus dem Zweck heraus entstehen, die Menschen zu christianisieren. Doch wir sind offen für jegliche Formen von Zusammenarbeit. Denn falls die Idee im Thurgau Erfolg hat, soll Glocalmeets auch in anderen Kantonen angeboten werden.

Interview: Sarah Stutte (1.10.19)


www.glocalmeets.ch


 

"

Raphael Gerster vermittelt via App Asylsuchende und Einheimische für Integrationspartnerschaften.

Bild: Sarah Stutte

Kommentare

+

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.
CAPTCHA
Diese Sicherheitsfrage überprüft, ob Sie ein menschlicher Besucher sind und verhindert automatisches Spamming.
Bild-CAPTCHA
Geben Sie die Zeichen ein, die im Bild gezeigt werden.