Der verstorbene Papst bleibt als ein bescheidenes Kirchenoberhaupt in Erinnerung, was sich schon bei seiner Namenswahl vor zwölf Jahren ankündigte
Den Namen, den Kardinaldiakon Jean-Louis Tauran im März 2013 auf der Benediktionsloggia verkündete, überraschte selbst Kirchenkenner. Das Konklave hatte den ersten aussereuropäischen Papst seit knapp 1’200 Jahren gewählt. Und dieser Papst wählte einen Namen, der eine Kampfansage an das vatikanische Establishment war. Gleichzeitig sicherte er sich mit einem charmanten « buona sera » die Herzen von Millionen Zuschauern auf dem Petersplatz und vor den Fernsehbildschirmen.
Mit dem sanften « buona sera » gewann der neue Papst im Nu die Herzen der Menschen. Reicher an kirchlicher Symbolik und pastoraler Programmatik hätte der erste Auftritt von Papst Franziskus kaum sein können.
Nomen est omen
Franziskus. Kein Papst hatte zuvor diesen Namen gewählt. Aus gutem Grund. Sein Namenspatron, Franz von Assisi (†1226), war ein scharfer Kritiker der reichen Kirche und ihrer machtbewussten Führer. Der neue Papst nahm sich just diesen Heiligen zum Vorbild. Nicht allein deswegen begegnete man auf konservativer Seite Franziskus von Anfang mit Misstrauen. Der Papst vom « Ende der Welt » brach mit vielen Traditionen. Er wohnte nicht im apostolischen Palast, sondern im bescheidenen Gästehaus des Vatikans. Er fuhr Kleinwagen statt gepanzertem Papamobil und er gab häufig Interviews, in denen er sich lieber pastoral als lehramtlich äusserte.
Evangelii gaudium
Sein Programm formulierte Papst Franziskus im Apostolischen Schreiben « Evangelii gaudium ». Ungewöhnlich scharf kritisierte Franziskus den Kapitalismus, den er verantwortlich machte für Ungleichheit, Armut und letztlich für Kriege. Von seiner Kirche und den Gläubigen forderte er den gewaltlosen Kampf gegen ein System, das alles dem ökonomischen Nutzen unterordnet.
« Mir ist eine ‹ verbeulte › Kirche, die verletzt und beschmutzt ist, weil sie auf die Strassen hinausgegangen ist, lieber, als eine Kirche, die aufgrund ihrer Verschlossenheit und ihrer Bequemlichkeit, sich an die eigenen Sicherheiten zu klammern, krank ist. » Damit machte er sich nicht nur Freunde. Auch nicht mit seiner Forderung nach einer « heilsamen Dezentralisierung » der Kirche. Mehr Entscheidungsfreiheit für Bischofskonferenzen und Ortskirchen, weniger Fokus auf die römische Zentralgewalt. Damit schloss Franziskus zwar an die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962–1965) an, brach aber mit dem Kirchenverständnis seiner beiden Vorgänger, Johannes-Paul II. (1978–2005) und Benedikt XVI. (2005–2013).
Offene Rebellion
Der Reformkurs des Papstes führte zu Widerstand. Franziskus gewichtete Barmherzigkeit mehr als Dogmen, forderte Klimaschutz in einer Enzyklika ein und verstand Kirche als Heimat für alle, ungeachtet der sexuellen Orientierung oder des Zivilstandes. Für Traditionalisten in und ausserhalb des Klerus war das schwer zu ertragen. Seine radikalsten Widersacher rebellierten mehr oder minder offen gegen den Papst. Zu den bekanntesten Beispielen gehörten die US-amerikanischen Prälaten Kardinal Raymond Burke und Erzbischof Salvatore Cordileone. Auch der australische Kardinal George Pell (†2023) begehrte auf und lehnte den synodalen Prozess vehement ab.
Liberaler Papst
Im Vergleich zu seinen beiden Vorgängern war Franziskus ein liberaler Papst. Er liess innerkirchlich über Reformen diskutieren und scheute auch kontroverse Themen nicht. Verurteilung kritischer Theologen unterliess Franziskus und rehabilitierte andere, wie Hans Küng, zumindest moralisch. Er reformierte die Kurie und ermöglichte es Frauen, in die höchsten Kurienämter aufzusteigen. In anderen Bereichen blieb es hingegen bei Diskussionen. Ob aus innerer Überzeugung oder aus Sorge vor dem Aufstand, der Franziskus immer von rechtsaussen drohte, bleibt ungewiss. Auf der Amazonassynode 2019 wurde über eine (begrenzte) Öffnung des Zölibats beraten. Auf der Weltsynode von 2021 bis 2024 berieten Kleriker erstmals zusammen mit stimmberechtigten nichtgeweihten Männern und Frauen über grundlegende Reformen der katholischen Kirche. Das Lehramt angepasst hat Franziskus hingegen nicht. Weltkirchlich setzte der Argentinier mehr auf Kultur- statt Strukturwandel.
Mehr Teilhabe für Frauen
Vielleicht am deutlichsten zeigte sich Franziskus' Balanceakt zwischen liberaler Öffnung und struktureller Bewahrung beim Thema Frauen. Wie seine Vorgänger verweigerte er ihnen den Zugang zu Weiheämtern und schloss dies auch für die Zukunft aus. Gleichzeitig berief er im Rahmen seiner Kurienreform Frauen auf hohe Verwaltungsposten im Vatikan. Den Anfang machte Franziskus mit Nathalie Becquart. Sie ist seit 2021 Untersekretärin der Bischofssynode. 2025 folgte die weibliche Besetzung von zwei vatikanischen Leitungsfunktionen. Im Januar berief Franziskus die Ordensfrau Simona Brambilla zur Präfektin des « Dikasteriums für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens », also zur obersten Ordensperson der Weltkirche. Am 15. Februar, als Franziskus im Spital lag, gab der Vatikan die Ernennung von Raffaella Petrini als Regierungschefin des Vatikanstaats bekannt. Sie trat ihr Amt am 1. März an. Beide Ernennungen sind wichtige Signale, dass Franziskus seine Kurienreform ernst meint.
Symbolpolitik und Weltkirchenrealität
Besonders im deutschsprachigen Raum wuchs die Enttäuschung über Franziskus im Laufe seines Pontifikats. Hier haderte man besonders mit dem Ausbleiben der erhofften kirchenrechtlichen Modernisierung. Weltkirchlich hatte Franziskus aber gute Gründe, vorsichtig zu bleiben. Viele der hiesigen Forderungen sind in der Weltkirche nicht mehrheitsfähig. Dies zeigte nicht zuletzt der Aufschrei um « Fiducia supplicans », den pastoralen Segen für « irreguläre Paare », den der Vatikan im Dezember 2023 erlaubte. Nach heftigen Protesten aus einflussreichen Teilen der Weltkirche musste der Vatikan zurückrudern. Franziskus' Leistung war es, in dem Spannungsfeld zwischen weltkirchenpolitischer Realität und pastoraler Willkommenskultur zu wandeln. Manchmal wirkte dieses Wandeln ziellos, gar erratisch, wenn auf einen Schritt nach vorne zwei zurück folgten. Dieses Taktieren, samt einer gewissen Unvorhersehbarkeit, brachten Franziskus im Laufe seines Pontifikats viel Kritik von rechts und in der Spätphase zunehmend von links ein.
Missbrauch
Auch für seinen Umgang mit dem Missbrauchsskandal, der die katholische Kirche in ihren Grundfesten erschüttert, wurde Franziskus kritisiert. Die vatikanische Politik der « Nulltoleranz » schien häufig mehr Marketing als Fakten schaffend. Aufsehen erregte in diesem Zusammenhang der Rücktritt des Präventionsbeauftragten Hans Zollner aus der päpstlichen Kinderschutzkommission. Die Kommission sei intransparent und letztlich ein zahnloser Tiger, so Zollner. In seiner im Januar veröffentlichten Autobiografie « Hoffe » behandelte der Papst das Thema ebenfalls nur am Rande. Zwar bekannte sich Franziskus darin zum Durchgreifen und verwies auf die Laisierung schuldiger Prälaten, die er selbst durchgeführt hat, aber er relativierte auch, indem er vor Falschbeschuldigungen warnte, die es gebe. Ein von Herzen kommendes Plädoyer für den Kampf gegen Missbrauch gelang ihm nie ; ein Plädoyer, wie der Papst es bei anderen Themen immer wieder überzeugend lieferte.
Kirche für alle
Sein Selbst- und Kirchenverständnis formulierte er immer wieder. In seiner Autobiografie bekannte sich Franziskus zum Volksglauben, kritisierte Traditionalismus und Rückwärtsgewandtheit. Mit klaren Worten stellte er sich erneut gegen den Ausschluss von Homosexuellen. « Homosexualität ist kein Verbrechen, sondern eine Tatsache des Menschseins. » Es sind solche Worte, mit denen er Menschen innerhalb und ausserhalb der Kirche erreicht hat. In einer Weltkirche, die sich im Spannungsfeld von Ungleichzeitigkeit, Gewalt, Säkularisierung und Missbrauchskrise vor einer der grössten Herausforderung ihrer Geschichte befindet, hat er sie vor dem Auseinanderbrechen bewahrt. Ob die eingeleiteten Schritte nachhaltig sein werden, hängt von seinem Nachfolger ab. Das Kardinalskollegium steht im Konklave jedenfalls vor einer Richtungswahl.
Annalena Müller, Pfarrblatt Bern, 30.4.25
Konklave
Nach der Beerdigung des Papstes begann eine neuntägige Trauerzeit. Es gab verschiedene Gedächtnismessen für den Papst im Petersdom. Die bereits in Rom eingetroffenen Kardinäle treffen sich ausserdem täglich und beraten über das weitere Vorgehen. Sie bestimmen auch den Zeitpunkt für den Beginn der Papstwahl. Das Konklave beginnt in der Regel zwischen dem 15. und dem 20. Tag nach dem Tod des Papstes. Den Vorsitz hat Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin. Eigentlich wäre dies die Aufgabe des Kardinaldekans Giovanni Battista Re. Der 91-Jährige ist aufgrund seines Alters jedoch nicht mehr zur Papstwahl zugelassen. Am Konklave dürfen nur Kardinäle teilnehmen, die das 80. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
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