Religiöse Spuren im Museum für Archäologie

Im Museum für Archäologie in Frauenfeld gibt es eine Sammlung von Fundstücken, die auf kultische und religiöse Aktivitäten im Thurgau seit der Steinzeit hinweisen. Archäologin Irene Ebneter erörterte an der Führung «Kult und Glaube» die Erkenntnisse hinter den wertvollen Fundstücken.

«Die Archäologie ist ein Tummelfeld der Spekulationen.» Mit diesen Worten begrüsst die Archäologin Irene Ebneter die Gäste, die sich für eine religiöse Spurensuche eingefunden haben. Und tatsächlich: Bereits im Eingangsbereich weist sie auf ein Objekt hin, das sowohl ein Teesieb wie auch ein Weihrauchgefäss darstellen könnte. «In der Archäologie stellt sich bei einem Fund immer die Frage: Welche Aussagekraft hat das Objekt? Handelt es sich um einen profanen Gegenstand wie etwa Geschirr oder Werkzeuge oder könnte es ein Objekt mit einer kultischen Bedeutung sein?», sagt Irene Ebneter. Was eindeutiger Auskunft gibt, ist der Bestattungskult. Denn die Menschen haben sich immer schon mit dem Tod und dem Jenseits beschäftigt. Entsprechend aussagekräftig sind Funde wie Gräber, Urnen oder Grab - beilagen. Im Thurgau bilden insbesondere die Pfahlbausiedlungen eine gute Basis, um Siedlungsspuren zu entdecken.

Paradestück aus Holz

Ein einzigartiger Fund, laut Ebneter ein Paradestück, ist die Holzstatue von Eschenz. Diese wurde 1977 bei Ausgrabungen im römischen Vicus in Eschenz in einem alten Entwässerungskanal voller Schlamm und Sand entdeckt. Die Lage der Statue im Kanal zeigte auf, dass diese nicht angeschwemmt, sondern bewusst dort versteckt worden ist. Eine dendrochronologische Untersuchung der Jahrringe datiert die Figur ins Jahr 9. v. Chr. Aufgrund anderer gallorömischer Beispiele aus Frankreich könnte es sich um eine Stifterfigur oder um eine Votivgabe eines Stifters handeln. Dass die Statue so sorgfältig versteckt worden war, spricht für den Wert der Figur und könnte laut Ebneter auf einen religiösen Wandel hinweisen. Seit der keltischen Zeit waren Münzen als Weih- und Opfergaben sehr beliebt. «Die Menschen der Antike gingen davon aus, dass jede Handlung die Welt aus dem Gleichgewicht bringt», sagt Ebneter. Deshalb wurde für jeden Eingriff ein entsprechendes Geldopfer dargebracht, um das Gleichgewicht wiederherzustellen.

Kultische Reinigung durch Feuer

Im Untergeschoss sind verschiedene Objekte zu Kult und Bestattungssitten unter dem Thema «Anderswelten» ausgestellt. Hier sind Mondhörner zu sehen, die aus der Zeit der Pfahlbauer stammen. «Wofür sie dienten, wissen wir leider nicht», so Ebneter. Da diese Mondhörner in Pfahlbausiedlungen sehr verbreitet gefunden wurden, könnte es sich um ein profanes Objekt handeln. Interessant sind auch die dunkel verbrannten Lochäxte. «Sie wurden so stark erhitzt, dass es sich kaum um einen Hausbrand handeln kann», weiss die Archäologin. Sie vermutet, dass das Erhitzen der Lochäxte als Reinigung, als Kulthandlung eingesetzt wurde. Weitere kultische Spuren sind in den verschiedenen Bestattungssitten zu finden. Gab es zur Bronzezeit Hügelgräber, wurden Tote in der Eisenzeit in Körpergräbern beigesetzt. Zur Zeit der Römer wurden die Toten verbrannt und die im Jenseits benötigten Alltagsgegenstände mit ins Grab gelegt. Erste Anzeichen des christlichen Wirkens sind schliesslich nach dem 4. Jahrhundert n. Chr. zu erkennen: Neu wurde die Körperbestattung praktiziert und ab dem 8. Jahrhundert n. Chr. entstanden um Kirchen herum Friedhöfe.

Andenken an Wallfahrten

Ein besonderer Fund und Zeuge der Christianisierung im Thurgau ist ein kleines Silberglöckchen, das bei einem Tauchgang in Güttingen gefunden wurde. «Eine Glocke spricht eine deutliche, religiöse Sprache und ist im liturgischen Kontext zu sehen», sagt Ebneter. Sie stiess bei Recherchen auf einen Vergleichsfund, ein ähnliches Glöckchen aus dem 12./13. Jahrhundert, das in einer Siedlung zwischen Österreich und Slowenien gefunden wurde. Viele religiöse Kleinobjekte wie etwa Amulette, die auch heute noch im Thurgau entdeckt werden, haben mit den ab dem Mittelalter beliebten Wallfahrten zu tun. Diese Zeugen der Volksfrömmigkeit, so Ebneter, wurden als Erinnerung oder zum Schutz in den Thurgau gebracht. Das Ulrichskreuz beispielsweise sollte für angenehmes Wetter sorgen und zugleich Mäuse und die Pest fernhalten. Die Benediktus-Medaille half gar gegen den Teufel und Zaubereien aller Art.

Claudia Koch (2.4.19)


Weitere Infos unter www.archaeologisches-museum.tg.ch und www.archaeologie.tg.ch


 

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Die Archäologin Irene Ebneter erörtert den Werdegang und die Aussagekraft eines Fundstückes.

Bild: Claudia Koch

 
 
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Das in Güttingen gefundene Silberglöckchen weist auf religiöse Spuren im Thurgau hin.

Bild: Julian Rüthi, Amt für Archäologie Thurgau

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