Seelsorgende informieren sich über das Asylwesen

Gleich sechs Expert*innen hatte der Vorstand der Pastoralkonferenz Thurgau nach Kreuzlingen eingeladen, die aus verschiedenen Perspektiven das Thema «Wenn Menschen in der Schweiz Asyl beantragen» beleuchteten. Das Interesse der Seelsorgenden war gross, die Zeit, sich in das Thema zu vertiefen, leider begrenzt.

Samuel Hugentobler vom Staatssekretariat für Migration (SEM) schickte seinen Ausführungen aktuelle Zahlen voraus: 2021 wurden in der Schweiz ca. 15´000 Asylgesuche gestellt, dieses Jahr sind es bisher ca. 5´000. Seit Februar dieses Jahres wurden zusätzlich ca. 50´000 Schutzsuchende aus der Ukraine registriert. 2015 - im Jahr der sogenannten «Flüchtlingskrise» - wurden demgegenüber nur 40´000 Asylgesuche gestellt. 
«Wenn eine Person Asyl beantragt hat, wird sie nach einem komplizierten Verteilschlüssel einem der sechs Bundesasylzentren mit Verfahrensfunktion zugewiesen», erläuterte Hugentobler den Ablauf. Dort erhalte sie eine Rechtsvertretung, die ihr unter anderem Rechte und Pflichten erkläre, die Chancen für einen positiven Entscheid aufzeige und sie im Verfahren vertrete. Nach einer Vorbereitungsphase wird im Dublin-Verfahren geprüft, ob die Person schon in einem anderen europäischen Land registriert wurde. Ist dies nicht der Fall, beginnt das eigentliche Asylverfahren. Grundlage dafür ist der Artikel 3 des Schweizer Asylgesetzes. «Hier ist der Flüchtlingsbegriff sehr eng gefasst», erklärte Simon Hugentobler. Als Flüchtling anerkannt werde nur, wer persönlich wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität usw. verfolgt werde. Fliehe jemand vor einem Krieg, werde das nicht als Asylgrund anerkannt. In besonderen Fällen (z. B. bei Gefahr für das Leben, Krankheit) werde eine vorläufige Aufnahme gewährt. Bedarf ein Asylgesuch keiner weiteren Prüfung, wird in einem beschleunigten Verfahren über dieses entschieden. Müssen z. B. noch Beweismittel besorgt oder Sprachgutachten eingeholt werden, findet das erweiterte Verfahren Anwendung. 

Konstruktive Lösung angestrebt
Marija Gaijc vom Migrationsamt des Kantons Thurgau gab Einblicke in die Abteilung «Migration und Rückkehr». Sie wies darauf hin, dass der Anteil anerkannter Flüchtlinge und Personen im Asylverfahren derzeit etwa 0,7 Prozent der Thurgauer Wohnbevölkerung betrage. «Etwa 200 Personen sind aktuell ausreisepflichtig», so Gaijc. Grundsätzlich entscheidet das SEM über die Ausreisepflicht von Flüchtlingen. Die einen müssen zurück in den Dublin-Staat, in dem sie ihren ersten Asylantrag gestellt haben, die anderen zurück in ihr Herkunftsland. In beiden Fällen klärt das Migrationsamt ab, ob die Betroffenen freiwillig ausreisen möchten, und unterstützt sie bei der Beschaffung von Ausweisdokumenten. Denn etwa 95 Prozent dieser Personen haben keine gültigen Papiere. Erklärt sich jemand bereit, freiwillig auszureisen, wird sie*er durch eine Rückkehrberatung unterstützt, die den Flug organisiert und u. U. finanzielle Hilfen vermittelt. Wer die Rückkehr verweigert, erhält nur noch Nothilfe und muss damit rechnen, in polizeilicher Begleitung abgeschoben zu werden. «Die Gespräche mit Ausreisepflichtigen sind oft schwierig», resümierte Marija Gaijc. «Wir versuchen, konstruktive Lösungen zu finden. Oft ist uns klar, dass sie es in ihrem Heimatland nicht einfach haben werden. Aber sie sind illegal in der Schweiz.»

Angebote von Freiwilligen
Über 100 Freiwillige engagieren sich gerade bei der Arbeitsgruppe für Asylsuchende Thurgau (AGATHU). Das berichtete Paul Sommer, derzeit Praktikant in der Einrichtung. Zu bewährten Angeboten wie dem Offenen Café-Treff, dem Sprachcafé oder dem «Kreativen Gestalten» kamen neue Projekte hinzu wie «Entdecke deine Region», bei dem Flüchtlinge und Einheimische zu Fuss die Umgebung erkunden. Mueni Kuhn-Widmer schilderte ihre Erfahrungen bei der Begleitung abgelehnter Asylsuchender.

Fluchtgeschichten anhören
Meike und Marc Ditthardt sind seit eineinhalb Jahren in der Asylseelsorge tätig. «Wir möchten Asylsuchenden in einer offenen, gastfreundlichen, vorurteilsfreien und helfenden Art begegnen, so als wenn es Jesus selbst wäre», erklärte Marc Ditthardt. Dazu gehört für ihn, ein offenes Ohr für die Flucht- und Leidensgeschichte dieser Menschen zu haben und sie «mit geistlicher Nahrung zu versorgen». Zudem sei es ein wichtiges Anliegen, dass sich die Flüchtlinge in ihrem jetzigen Lebensumfeld wohlfühlen. So sind die beiden Seelsorgenden um einen guten Kontakt zu den Mitarbeitenden im Bundesasylzentrum (BAZ) Kreuzlingen und damit um eine gute Atmosphäre dort besorgt. Meike Ditthardt berichtete davon, dass das positive Echo auf die Gestaltung des «Raumes der Stille» bewirkt habe, dass auch andere Bereiche des BAZ renoviert und wohnlicher eingerichtet wurden. 

Detlef Kissner, forumKirche, 24.05.2022
 

Marija Gaijc
Quelle: Detlef Kissner
Marija Gaijc vom Migrationsamt wies auf die Probleme hin, welche die Rückführung abgelehnter Asylsuchender mit sich bringt.

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