Zum Todestag von Florence Nightingale am 13. August

Florence Nightingale gilt als Begründerin der Krankenpflege als eigenständige Profession. « Ärzte tun, was Ärzte tun. Damit ist es aber nicht getan », so ihre Einsicht. Damit eine medizinische Behand­lung wirkt, muss der genesende Mensch fach­kundig begleitet werden : « Wunden müssen verbunden werden. Seelen müssen aufgerichtet und Heilungsprozesse beurteilt werden. » Bevor Florence Nightingale ihre Arbeit begann, betete sie mit diesen Worten :

Pflege braucht Würde ! 
Spender des Lebens, gib mir Kraft, dass ich meine Arbeit mit Überlegung tue,
getreu dem Ziel, das Leben jener zu hüten, die mir anvertraut sind.
Halte rein meine Lippen von verletzenden Worten, gib mir klare Augen, das Gute der anderen zu sehen,
gib mir sanfte Hände, ein gütiges Herz
und eine geduldige Seele, dass durch deine Gnade Schmerzen gelindert werden, kranke Körper heilen, bekümmerte
Gemüter gestärkt werden, der Lebenswille wieder wachse.
Hilf, dass ich niemandem durch Unwissenheit und Nachlässigkeit schade.
Für jene, die gebeugt sind von Kummer und Weh, von Angst und Schmerz,
gib mir Kraft zum Durchhalten.
Schenke mir, o Gott,
deinen Segen zu meiner Aufgabe.

Amen.

Florence Nightingale weiss, wovon sie spricht. Sie weiss auch, worum sie Gott bittet. Ihr Gebet lässt durchscheinen, welcher Anteil dazu bei den Menschen liegt. Sie erkannte, der grosse Erfahrungs­schatz der Pflege, oft von Frau zu Frau weiter­gegeben, muss systematisiert, gelehrt und gelernt werden. Das erscheint uns heute selbstverständlich. Nicht selbst­verständlich scheint bis heute, dass die Menschen in den Pflegeberufen profes­sionelle Arbeit leisten. Noch immer spukt in den Köpfen das Bild der « Schwestern » herum, die selbstlos und oft ohne eigene Familie als fleischgewordene Nächstenliebe keinen Lohn zum Dank erwarten.

Die Pandemie und ihre Folgen haben gezeigt, dass die Geräte in den Intensiv­stationen nicht ohne hochqualifizierte Fachkräfte funktionieren. Vielen wurde klar, dass in den abgeriegelten Senioren- und Pflegeheimen die Fachkräfte mit allen möglichen Dokumentations­pflichten und engen Pflege­standards gegängelt werden. Ihnen ist dadurch schlicht die Möglichkeit genommen worden, den Bewohnenden die menschliche Zuwendung zu geben, die jene durch die ausfallenden Besuche durch Freunde und Angehörige nicht bekommen konnten.

Unsere Gesellschaft hat mit Applaus, Pizza und Pralinenspenden und auch mit National­ratspetitionen den Pflege­kräften Respekt und Achtung gezollt. Die Würde in der Pflege galt den Gepflegten und den Pflegenden.

Schon in der Erzählung vom barmherzigen Samariter (Lukas 10,29-37) – fällt mir auf – steckt diese Würde in der Pflege. Der Mann aus Samarien übernimmt hier die Pflege eines Opfers aus Mitgefühl. Das macht er selbst und persönlich. Doch er gibt sich und sein Leben dafür nicht auf. Als er sich anderen Aufgaben und Menschen zuwenden will oder muss, übergibt er die Pflege in professionelle Hände. Der Wirt in dieser Geschichte lässt sich seine Pflege­leistung bezahlen. Sicher auch, weil er vertrauenswürdig und kompetent erscheint, findet hier etwas Selbstverständliches statt : Pflege ist Arbeit. Arbeit wird entlohnt. Punkt. Hier gibt es keine Verhandlungen, kein Gefeilsche darüber, was nötig ist und was nicht.
Als eine ehemalige Gemeindeschwester (sie nannte sich selbst so) ihren 80. Geburtstag feierte, gab sie ihrer verdutzten Familie bekannt, dass sie im kommenden Monat ins Seniorenheim umziehen würde. Ihre Tochter und der Schwieger­sohn, die im gleichen Haus lebten, boten ihr gleich an, dass sie gern für sie zu Hause sorgen würden – auch wenn einmal Pflege notwendig würde. « Ach, Quatsch », sagte die Jubilarin. « Das könnt ihr doch gar nicht ! Ich habe mein ganzes Berufsleben so viele wohlwollende und zugleich überforderte Angehörige gesehen, die ihre Alten zu Hause pflegen wollten. Tut mir das nicht an. Pflege ist ein Beruf und kein Hobby. Ihr könnt mich mal im Heim besuchen, dann zeig ich euch, was die Kolleginnen da können. »

Wer Angehörige selbst pflegt, erfährt tatsächlich, dass die Aufgabe quasi einer Umschulung gleichkommt.

Einen kranken oder schwachen Menschen zu pflegen, ist ein Akt der Nächstenliebe. Nächstenliebe, die ich tagtäglich bei uns im Spital erleben darf. Dafür sind Patienten und Angehörige auch sehr dankbar. Jedoch in Politik und Gesellschaft geht das manchmal einfach unter, aber Menschen wie Florence Nightingale helfen uns, das Bewusstsein wach zu halten.

Barbara Huster, Spitalseelsorge Münsterlingen, 25.08.2025

Florence Nightingale
Quelle: Wikimedia Commons
Lithografische Sammlung London : Florence Nightingale am Bett eines verwundeten Soldaten

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