Auf den Spuren der jüdischen Gemeinde

Am 25. Oktober findet in Konstanz eine Stadtführung zur Geschichte jüdischen Lebens statt mit anschliessendem Besuch der neuen Synagoge.

«Jüdische Bewohner haben die Stadt Konstanz mitgeprägt», sagt Helmut Fidler, Historiker und Verfasser des Buches «Jüdisches Leben am Bodensee». Er wurde vom Interreligiösen Arbeitskreis im Kanton Thurgau eingeladen, um die Stadtführung am 25. Oktober durchzuführen. 

Späte jüdische Besiedelung
Juden liessen sich erst im 13. Jahrhundert in Konstanz nieder. Alle grösseren Städte um den Bodensee hatten eine jüdische Siedlung. «Christliches und jüdisches Leben vermischte sich in der Stadt. Christliche Geschäftspartner wurden zu jüdischen Hochzeiten eingeladen», erzählt Helmut Fidler. Sein Fokus bei der Stadtführung liegt auf dem Gang durch die Geschichte der Juden in Konstanz, von den Anfängen in der heutigen Rosgartenstrasse über das Konstanzer Konzil 1414–1418, ihre Diskriminierung und Vertreibung bis zur Wiederansiedelung nach 1862. Am Beispiel einzelner Familien wird die Bedeutung der Juden für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt Konstanz sichtbar sowie ihr Schicksal während Diskriminierung, Verfolgung und Holocaust. 

Verfolgung und Vertreibung
«Vor der 1348/49 einsetzenden Judenverfolgung gab es in Konstanz etwa 70 jüdische Familien mit 350 Personen bei etwa 3'000 bis 4'000 Einwohner*innen. Zur Zeit des Konstanzer Konzils erlebte jüdisches Leben eine erneute Blüte, die Gemeinde wuchs auf etwa 30 Haushalte mit etwa 200 Personen», führt Helmut Fidler aus. Weshalb es zur endgültigen Vertreibung im Jahr 1450 kam, darüber gibt es unterschiedliche Meinungen. Das Konzil in Konstanz trug sicher seinen Teil dazu bei. Damals hatte die Zahl jüdischer Geldverleiher deutlich zugenommen. Mit dem Ende des Konzils brach die Wirtschaft ein, Rechnungen blieben unbezahlt, wofür schliesslich die jüdische Bevölkerung verantwortlich gemacht wurde. 

Gleichberechtigung
In den Revolutionsjahren 1848/1849 konnten erstmals wieder Juden in Konstanz arbeiten und wohnen. «Nach der Vertreibung gewährte das liberale Grossherzogtum Baden 1862 als erster deutscher Staat den Juden die uneingeschränkte Niederlassungsfreiheit. So stieg die jüdische Bevölkerung an. 1910 betrug sie 2,1 Prozent von 27'591 Einwohner*innen», so Helmut Fidler. Während der Nazizeit wurde 1938 die Synagoge zerstört. «Erst 1964 wurde auf dem Grundstück der zerstörten Synagoge eine private Synagoge eingerichtet, die heute noch existiert. Dort war auch eine Mikwe, ein rituelles Bad, eingerichtet», erzählt Fidler. 
Nach der Führung und einer kleinen Stärkung treffen die Teilnehmenden Rabbiner Avraham Yitzchak Radbil und besuchen die 2019 erbaute Synagoge.

Béatrice Eigenmann, forumKirche, 26.09.2023


Jüdisches Leben in Konstanz
Datum: 25.10., 17–22 Uhr
Treffpunkt: Kaiserbrunnen mit rotem Obelisken, Marktstätte, Konstanz
Leitung: Matthias Loretan (Präsident Interreligiöser Arbeitskreis im Kanton TG)
Anzahl: max. 20 Personen (nach Eingang der Anmeldung)
Kosten: 25 Franken (ohne Verpflegung im «Dattelhaus»)
Anmeldung: bis 6.10. unter keb@kath-tg.ch
 

Rabbiner Avraham Yitzchak Radbil
Quelle: Matthias Loretan
Rabbiner Avraham Yitzchak Radbil zeigt die neue Konstanzer Synagoge.

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