Was gegenseitiges Verstehen fördert

«Lasst uns darüber reden, wie wir miteinander kommunizieren» - so lautete der Titel der Thurgauer Pastoralkonferenz, die der Kommunikationsexperte Peter Holliger inhaltlich gestaltete. Anhand von Beispielen und Modellen versuchte er, den etwa 40 Seelsorgenden komplexe Abläufe in der Kommunikation zu verdeutlichen, und lud sie ein, eigene Erfahrungen zu machen und diese zu reflektieren. 

Kommunikation beginnt nicht erst, wenn man miteinander redet. Dies veranschaulichte Peter Holliger mit einer kleinen Szene, in der er wortlos das Betreten eines Zuges nachspielte. «Wir drücken uns bereits mit unserer Kleidung, unserer Gestik und Mimik aus», fasste er die Rückmeldungen der Teilnehmenden zusammen. Allerdings sei uns in der Regel nicht bewusst, wie wir auf andere wirken würden, weil wir uns nicht selber sehen könnten. Die jüngere Generation sei uns da mit ihren Handy-Aufnahmen einen Schritt voraus. Mit anschaulichen Beispielen machte Peter Holliger deutlich, dass auch die nonverbale Kommunikation Regeln, Normen und Erwartungshaltungen unterliegt. Gewohnheiten in unserem Verhalten, dass wir zum Beispiel gern immer den gleichen Platz einnehmen würden, gäben uns die nötige Sicherheit, auf die jeder Mensch angewiesen sei. 

Der Hang zum Negativen
Mit der Erkenntnis von Paul Watzlawick «Wir können nicht nicht kommunizieren» führte Peter Holliger den Anwesenden vor Augen, dass man sich zwar zu einer Sache verbal nicht äussern kann, aber damit die non-verbale Kommunikation nicht ausschaltet. «Es findet immer Kommunikation statt», so der Experte. 
Den Ursprung von Kommunikation sieht er in jedem einzelnen: «Sie beginnt bei mir selbst.» Dies wird uns vor allem bei einem Missgeschick wie z. B. einem Fleck auf der Kleidung deutlich, wenn wir mit uns selbst zu reden anfangen. Auffällig ist dabei, dass wir mit uns selbst oft hart ins Gericht gehen. «Wir Menschen sind extrem negativ ausgerichtet», sagte Peter Holliger. Den Grund für diese Disposition entdeckt er in unserer evolutiven Entwicklung: Die hohe Aufmerksamkeit für Gefahren half zu überleben. Diesen Hang gelte es zu hinterfragen: Wie spreche ich mit mir? Wie sehe ich mich? Wo übertrage ich unter Umständen Negatives auf andere? Kommunikation wird auch dadurch erschwert, dass wir Menschen unsere Umwelt unterschiedlich wahrnehmen. Holliger versuchte dies am Beispiel der Zitrone aufzuzeigen, deren Farbe mit einer blauen Brille anders wahrgenommen wird als mit einer roten. Deshalb sei es wichtig, sich immer mal wieder auf einen Perspektivenwechsel einzulassen.

Die vier Ebenen
Als weitere Verständnishilfe präsentierte Peter Holliger das Sender-Empfänger-Modell des Psychologen Friedemann Schulz von Thun, das davon ausgeht, dass jede Aussage vier Bedeutungsebenen hat. Die Äusserung «Die Ampel ist grün» macht auf der Sachebene auf das Umschalten der Ampel aufmerksam. Sie kann darüber hinaus den Appell «Fahr endlich los» beinhalten oder auf der Beziehungsebene die Botschaft «Ich möchte dir helfen». Auf der «Selbst-Ebene» kann es bedeuten, dass die*der Sprechende es eilig hat. Auch der Empfänger kann diese Aussage auf einer dieser vier Ebenen verstehen. «Das sind acht volatile Parameter, die unterschiedliche Möglichkeiten bieten, sich misszuverstehen», stellte der Referent fest. Je nach Gemütslage komme eine Aussage eher auf der einen oder anderen Bedeutungsebene an. Wichtig sei, dass man sich im Alltag dieser Ebenen bewusst sei und sich vergewissere, auf welcher man gerade kommuniziere. 

Aktives Zuhören
Durch diese Einführung sensibilisiert, sollten die Seelsorgenden am Beispiel von Loriots Zeichentrickfilm «Das Frühstücksei» herausarbeiten, was Kommunikation schwierig macht und was im Umkehrschluss hilfreich dafür ist, dass sie gelingt. Die Teilnehmenden trugen zusammen, dass es wichtig sei, gut zuzuhören, die Aussagen des Gegenübers nicht ungefragt zu interpretieren, sondern bei Bedarf nachzufragen, ob man die Aussagen richtig verstanden habe. Peter Holliger führte in diesem Zusammenhang den Begriff des aktiven Zuhörens ein: «Um zu klären, ob man den anderen verstanden hat, kann man dessen Aussagen in eigenen Worten wiederholen.» Man war sich in der Runde einig, dass auch eine sorgsame Vorbereitung eines wichtigen Gespräches und die grundsätzliche Bereitschaft, sich auf die anderen einzulassen, das gegenseitige Verstehen verbessern. 

Detlef Kissner, forumKirche, 02.03.2022
 

Peter Holliger
Quelle: Detlef Kissner
Peter Holliger erklärt anhand eines Schaubildes die Stufen des Verstehens.

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