KEB-Stellenleiter hört Ende Oktober auf

Bruno Strassmann, Fachstellenleiter der Kirchlichen Erwachsenenbildung (KEB) in der Landeskirche Thurgau, geht nach 13-jähriger Tätigkeit für die Katholische Landeskirche in Weinfelden in seinen wohlverdienten Ruhestand. Zurück blickt er mit einem lachenden und weinenden Auge, nach vorne mit einem kritischen Blick. 

 

Du bist seit 13 Jahren Leiter der Fachstelle Erwachsenenbildung. An was erinnerst du dich nachhaltig in Bezug auf deine Arbeit?

In guter Erinnerung behalte ich das Unterwegssein mit den Menschen – zusammen mit ihnen die existenziellen Fragen des Lebens zu vertiefen sowie Impulse zu geben. Ihre Erfahrungen haben mich nicht selten berührt. Am Intensivsten habe ich diesen Austausch in den zweijährigen Glaubenskursen oder Ausbildungen der Seelsorgemitarbeitenden (SEMA) erlebt. Aber auch in den Tageskursen konnte ich immer wieder wertvolle Erfahrungen machen, die etwas in mir bewegt haben. 

Gab es auch negative Eindrücke?

Ja, dass sich der kirchliche Personalmangel zunehmend auf die pastorale Arbeit ausgewirkt hat, weil die Mitarbeiter teilweise überlastet sind. Darunter leidet dann auch die Qualität. Es stellt sich hier die Frage, ob und wie die Kirchenleitung auf oberster, aber auch auf Pastoralraumebene andere Menschen wirklich involvieren und mitbestimmen lassen will. Die Reformunwilligkeit unserer Kirche lastet schwer auf diesem möglichen Weg. Mir sind beim Aufräumen wieder Dokumente aus den 70er-Jahren in die Hände gefallen und ich musste feststellen, dass sich seit dieser Zeit praktisch nichts geändert hat. Das ist kein gutes Zeichen. Wir müssen uns stets weiterentwickeln, weil uns die Zukunft unserer Gemeinschaft Kirche ein Anliegen ist. Das können wir nur, indem wir lebendig bleiben. 

Wie beurteilst du rückblickend die SEMA-Geschichte? Was hättest du dir hier gewünscht?

Das Projekt startete 1996, damals noch unter dem Namen Bezugspersonen. Es richtete sich an Menschen mit einer reflektierten Lebenserfahrung, einer Beheimatung in Kirche und Pfarrei sowie einer gewissen spirituellen und theologischen Grundausbildung. Durch die Ausbildung hatten sie die Möglichkeit, nach einer praktischen Einführung und in Zusammenarbeit mit der jeweiligen Leitung, organisatorische und auch pastorale Aufgaben zu übernehmen. Der Grossteil derjenigen, die diese Ausbildung durchliefen, haben eine wirklich gute Arbeit in ihren Pfarreien geleistet – auch gegen Widerstände. Der SEMA-Lehrgang wäre für den ganzen deutschsprachigen Raum ein sehr gutes Modell gewesen. Ich hätte mir gewünscht, zusammen mit der Bistumsleitung einen gemeinsamen Weg zu finden. Doch von der Bistumsseite aus gab es zu viele Widerstände, was ich sehr bedauert habe. 

Wie hat sich die Fachstelle unter deiner Leitung verändert?

Der wichtigste Schritt war sicherlich der intensive Ausbau der ökumenischen Zusammenarbeit. Heute können wir es uns nicht mehr leisten in zwei verschiedenen Sprachen zu sprechen. Wir sind gut beraten, diese enge Zusammenarbeit im Bereich der Erwachsenenbildung und im Religionsunterricht künftig noch viel mehr suchen. Ich würde mir diesbezüglich auch auf der oberen Ebene der Landeskirche mutige Schritte wünschen. Natürlich dürfen wir dabei unsere Eigenheiten behalten. Doch gerade für den paritätischen Thurgau – einen Kanton, in dem es viele Mischehen gibt -, ist ein gemeinschaftliches Miteinander wichtig.

Wofür hast du dich noch stark gemacht?

Es war mir ein Anliegen, neue Angebote zu Partnerschaft, Ehe und Familie sowie zum Thema Spiritualität zu schaffen. Unser Alltag besteht aus Spiritualität. Sie spiegelt unsere Grundhaltung, unser Verhalten und unsere Ethik. Was prägt uns, beflügelt uns und gibt uns Kraft? Was ermutigt uns, führt uns weiter und gibt uns ein Fundament, auf dem wir einen sicheren Stand haben? Das wird auch in Zukunft wichtig sein. Wenn Glauben nichts mehr mit dem Leben und diesen Grundhaltungen zu tun hat, dann bauen wir ein Luftschloss. Eine geerdete Spiritualität hilft uns, unser Leben aus der Kraft des Glaubens heraus zu gestalten. Mein Herz schlug zudem schon immer für die Kunst und die Musik. In Filmabenden oder Kursen zur Auseinandersetzung mit christlicher Kunst konnte ich meine diesbezüglichen Kenntnisse und mein grosses Interesse hierfür einfliessen lassen und Zugänge vermitteln.

Was waren Schwerpunkte deiner Arbeit?

Der in sechs Module aufgeteilte zweijährige ForModula-Glaubenskurs. Ein wertvolles Gefäss, um dem Glauben einen Nährboden zu geben. Wir haben versucht, diesen Kurs fortlaufend den Bedürfnissen der Zeit anzupassen. Ein weiterer Schwerpunkt waren die Stammtischgespräche, die vor gut elf Jahren im Frauenfelder Brauhaus Sternen begründet wurden. Regelmässige offene Diskussionsrunden um Naturwissenschaften, Religion, Glaube, Theologie und Ethik in einen Dialog miteinander zu setzen. Ursprünglich nur für ein Jahr geplant, wurden die Stammtischgespräche so beliebt, dass wir sie bis heute nicht aufgegeben haben. 

Wie hat sich das kirchliche Bildungswesen entwickelt?

Glaube, Religion und Kirchenzugehörigkeit sind heute nicht mehr selbstverständlich. 
Somit bedarf es auch einer bewussten Entscheidung, in welche Richtung man sich 
im Bereich des Glaubens, der Spiritualität oder der Ethik weiterentwickeln will. Deshalb ist es einerseits wichtig, die kirchlichen Mitarbeitenden weiterhin zu befähigen. Auf der anderen Seite aber das Kursangebot auch jenen Menschen näherzubringen, die nicht automatisch einen Bezug zur Kirche haben. 

Du warst in Weinfelden Wochenaufenthalter und musstest viel pendeln. War es manchmal schwierig, die Arbeit und die Familie unter einen Hut zu bringen?

Ich bin erst zwischen Weinfelden und Ebikon (LU) gependelt, dann zwischen Weinfelden und Wil (SG). Unsere Kinder waren zu dieser Zeit schon älter, deshalb stellte das kein grosses Problem dar. Arbeit habe ich fast nie mit nach Hause genommen, dafür Fragestellungen, die ich mit meiner Frau und mit meinen Söhnen diskutiert habe. Dabei war ich stets sehr froh um ihre Rückmeldungen und anderen Blickwinkel, die sie einbrachten. Sie haben mich in dieser Hinsicht sehr unterstützt, ermutigt und auch als Korrektiv gewirkt. 

Was wünschst du dir für die Zukunft der KEB?

Dass vermehrt Kooperationen mit Pfarreien und Pastoralräumen gesucht werden, um gemeinsam Anlässe zu entwickeln und durchzuführen. Doch auch Kooperationen mit Gruppierungen und Institutionen sind nach wie vor wichtig. In der Vergangenheit haben wir schon erfolgreich solche gemeinsamen Angebote geschaffen, unter anderem mit dem Thurgauischen Katholischen Frauenbund (TKF), der Perspektive Thurgau sowie dem Schweizerischen Roten Kreuz oder mit ethik22 – Institut für Sozialethik. Zudem bleiben Kurse zum Thema Beziehung und Partnerschaft weiterhin wesentlich, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Im Sommer dieses Jahres haben wir deshalb das Angebot «Paare im Weinberg» lanciert, das noch ausbaufähig ist. 

Was hat dich dazu bewogen, auch als Tagsatzungspräsident zurückzutreten?

Der Verein Tagsatzung hat zum Ziel, einen synodalen Prozess in Bewegung zu setzen. Im Moment sind wir aber nicht soweit, einen synodalen Prozess und die notwendige Partizipation und Mitbestimmung zu erreichen und eine Umsetzung in den kirchlichen Alltag zu bewirken. Dazu darf es keine Themenbeschränkung geben, man muss alles miteinander diskutieren können und gemeinsam nach Lösungen suchen. 

Was hast du dir für die Zeit nach dem Zentrum Franziskus vorgenommen?

Ich werde mich vermutlich irgendwo im Bereich der Erwachsenenbildung oder pastoralen Tätigkeit wiederfinden und dort gewisse Angebote und Aufgaben wahrnehmen. 

Wofür willst du dich als Theologe weiter einsetzen?

Als Jungwachtleiter hat mich der Prozess des 2. Vatikanischen Konzils und auch der Synode 72 in der Schweiz beeindruckt, dieses <Wir sind Kirche>. Der Gedanke, dass wir alle die Gemeinschaft Kirche bilden, ist bei mir stets lebendig geblieben. Es muss eine echte Gemeinschaft sein, ohne Machtgefälle und Machtmissbrauch. Jede*r kann den Weg mitbestimmen – immer im Respekt vor anderen Meinungen. Das hat mich früher am Judentum fasziniert, dass sich Rabbiner in theologischen Fragen widersprechen können, aber alle Ansichten trotzdem ihren Platz haben. 

Was muss sich deiner Meinung nach in der katholischen Kirche ändern?

Es muss ein Miteinander geben und etwas in Bewegung kommen, sonst hat unsere Kirche keine Zukunft. Wir wollen unseren Kindern keine Kirche hinterlassen, welche die Botschaft Jesu in wichtigen Teilen verleugnet. Sie besagt, dass alle vollwertige Mitglieder der Gemeinschaft sind. Auf diesem Weg sollen wir – in den Fussstapfen von Jesus – weitergehen. Vor der Vielfalt müssen wir keine Angst haben, denn das einigende Band wird letztlich diese Botschaft sein. Und der Glaube wird immer durch die Menschen und Gemeinschaften weitergegeben.

Interview: Sarah Stutte, forumKirche, 22.10.20

■ Bruno Strassmanns Nachfolger, Jean-Pierre Sitzler, wird ab 1. Dezember neuer Fachstellenleiter der KEB. 

Bruno Strassmann tritt auch als Präsident des Vereins Tagsatzung zurück.
Quelle: Sarah Stutte
Bruno Strassmann tritt auch als Präsident des Vereins Tagsatzung zurück.

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