Grossbaustelle nach Grossbrand

Paris, 23.12.19 (kath.ch). 2020 wird wohl noch ein Schicksalsjahr für die Pariser Kathedrale. Nur knapp konnte das Pariser Wahrzeichen vor dem Einsturz gerettet werden. Bislang ist eine Frage unbeantwortet: Wie lange dauert der Wiederaufbau?  

Erstmals seit dem Ende der Französischen Revolution wird in diesem Jahr in der Pariser Kathedrale Notre-Dame keine Weihnachtsmesse gefeiert. Noch immer ist das Wahrzeichen der Hauptstadt seit dem verheerenden Grossbrand im April eine Grossbaustelle – und wird es auch noch lange bleiben.

Stattdessen wird die gotische Pfarrkirche Saint-Germain l’Auxerrois gegenüber dem Louvre genutzt. Laut Medienberichten vom Wochenende feiert dort der neue Pariser Weihbischof Philippe Marsset die traditionelle Mitternachtsmesse an Heiligabend. Am Ersten Weihnachtstag zelebriert der Dekan von Notre-Dame, Patrick Chauvet, eine gregorianische Messe.

Für einige Jahre keine Gottesdienste mehr

Seit 1803, also seit 216 Jahren, wurde jedes Jahr die Weihnachtsmesse in Notre-Dame gefeiert, auch während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg. 2019 mögen die Pariser wohl traurig sein, dass diese Tradition nun für einige Jahre unterbrochen sein wird. Doch es hätte nicht viel gefehlt, und eine der wichtigsten Kirchen der Welt wäre rettungslos komplett verloren gewesen.

Bei dem Grossfeuer an jenem 15. April 2019, der mutmasslich durch Dacharbeiten ausgelöst wurde, verbrannte der Dachstuhl, die originale Eichenkonstruktion aus dem 13. Jahrhundert. Teile der Gewölbekuppeln stürzten ein. Der 96 Meter hohe hölzerne Vierungsturm aus dem 19. Jahrhundert brach unter dem Stöhnen der Bevölkerung am Seine-Ufer in sich zusammen.

Wiederaufbau ab 2021

2020 wird erneut ein Schicksalsjahr für die Kathedrale. Die Sicherungsarbeiten an dem Unesco-Welterbe dauern an. Der eigentliche Wiederaufbau soll erst 2021 beginnen. Die Finanzierung scheint einstweilen auf sichereren Füssen zu stehen als die Gewölbet. 922 Millionen Euro von 320’000 Spendern sind zugesagt. Im September gaben die Unternehmerfamilien Pinault und Arnault 380 Millionen Euro frei.

Schon als die Kathedrale noch in Flammen stand, schwor Staatspräsident Emmanuel Macron die schockierte Nation auf den Wiederaufbau ein und zwar binnen fünf Jahren – und «schöner als je zuvor». Ganz spannungsfrei verläuft das gemeinsame Projekt aller Franzosen seither nicht; denn die «Grande Nation» denkt traditionell gross und unterschiedlich.

Chefarchitekt will keine Hektik

Umstritten sind vor allem Tempo und Stil des Wiederaufbaus. Chefarchitekt Philippe Villeneuve betreibt eine gründliche Bestandsaufnahme und Sicherung und lehnt hektischen Aktionismus ab. Frankreichs Senat baute in das Wiederaufbaugesetz einen Zusatz ein, demgemäss die Renovierung nach dem «letzten bekannten Zustand» erfolgen solle, also historisch getreu.

Auch Chefarchitekt Villeneuve ist für eine originalgetreue Rekonstruktion statt modernistischer Experimente mit Dachgärten oder Glaselementen. Damit setzte er sich erst zuletzt wieder Kritik von dem forschen Ex-General Jean-Louis Georgelin aus, den Macron zu seinem Feldmarschall für den Wiederaufbau ernannt hatte.

Georgelin beschied öffentlich, Villeneuve solle «die Schnauze halten». Die Frage, ob der Dachreiter aus Holz nachgebaut oder in Plexiglas modern entworfen werde, stelle sich erst 2021. Und dann werde man «die beste Wahl für Notre-Dame, für Paris und für die Welt treffen».

Für den 16. April 2024, den fünften Jahrestag des Sieges über die Flammen, kündigte Georgelin ein «Te Deum» in der Kathedrale an. Ob in der fertig restaurierten Kathedrale, musste er offen lassen.

Wortgefechte und Lob an Weihnachten

Es war nicht das erste Wortgefecht des einstigen Fünf-Sterne-Generals auf der Baustelle. Zwar loben auch Kirchenverantwortliche wie Kathedralrektor Chauvet Georgelins Bemühungen, die am Wiederaufbau Beteiligten zu konzertieren. Doch offenbar knallt es dabei auch ab und zu. Vor wenigen Tagen jedenfalls bemühte sich der General um Begütigung. Bei einer Filmpremiere lobte er den Chefarchitekten über den grünen Klee. Schliesslich ist Weihnachten. Wenn auch ohne Messe in Notre-Dame. 

Alexander Brüggemann/kath.ch, Red.

Teaserbild: pixabay.com

Notre Dame
Kathedrale Notre-Dame im 4. Arrondissement in Paris (Île-de-France/Frankreich), nach dem Brand vom 15. April 2019. © Wikimedia Commons

 

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