Unterstützung durch einen Caritas-Bergeinsatz

Die Aktion Bergeinsatz der Caritas unterstützt seit über 40 Jahren Bergbauernfamilien in der Schweiz. Freiwillige ab 18 Jahren arbeiten während mindestens einer Woche auf einem Hof mit, Vorkenntnisse sind dabei keine nötig. Die 30-jährige Thurgauerin Rebekka Debrunner machte diesen März einen solchen Einsatz und erzählt im Interview von ihren Erfahrungen. 

Warum haben Sie sich für einen solchen Freiwilligen-Einsatz entschieden?
Mir gefällt die Berglandschaft und das Leben der Bergbäuerinnen und Bergbauern. Ich wollte schon länger einmal auf einer Alp aushelfen. Bisher fehlte mir aber die Zeit, mich mit dem Gedanken intensiver zu befassen. Im letzten Jahr gab es dann einen Moment, in dem ich beschloss, das nun endlich in Angriff zu nehmen. Daraufhin habe ich im Internet recherchiert und bin auf den Caritas-Bergeinsatz gestossen. Das hat mich sofort angesprochen. Ich wollte etwas Gutes tun, jemanden unterstützen, um etwas zu bewirken. Das war ein wesentlicher Aspekt.

Sind Sie zuvor schon in irgendeiner Weise mit dem Leben von Bergbauernfamilien in Berührung gekommen?
Nein. Auch kenne ich in meinem näheren Umfeld niemanden, der*die schon einmal einen solchen Einsatz gemacht hat. Mir war selbstverständlich bewusst, dass mich keine Ferien erwarten, sondern ich dort arbeiten muss. Aber was für eine Familie ich treffe, wie ich in dieser wohnen und mit ihnen leben werde, davon hatte ich kein Bild. Ich habe mich einfach überraschen lassen.

Wie gestaltete sich der Anmeldeprozess?
Ziemlich einfach. Alles lief automatisch über die Webseite (www.bergeinsatz.ch) ab, die sehr benutzerfreundlich aufgebaut ist. Dort sind die verschiedenen Angebote mit Standorten, verfügbaren Einsatzwochen und kurzer Beschreibung des jeweiligen Betriebs einsehbar. Ich habe dann einen für mich passenden im Kanton Uri ausgewählt und mich dafür online angemeldet – einen Bergbauernbetrieb in Seelisberg am Vierwaldstättersee. Der Hof liegt am Hang und wird von einer Familie geführt, die zwei kleine Söhne hat. Nach meiner Anmeldung erhielt ich sofort ein Bestätigungsmail mit den genauen Angaben, den Kontaktdaten der Familie und der Bitte, sich möglichst schnell mit dieser in Verbindung zu setzen, um die Anreise zu klären. 

Wie war der Erstkontakt mit der Familie?
Auch sehr einfach. Ich habe dort angerufen und mich kurz vorgestellt. Was mich genau in der Woche an Arbeiten erwartete, konnte mir die Familie zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen. Sie meinten, es würde sich spontan vor Ort ergeben, was gerade anfalle. 

Ihr Einsatz dauerte eine Woche. Hatten Sie nur eine Woche Zeit oder dachten Sie, das reiche erstmal, um einen ersten Eindruck eines Bergeinsatzes zu bekommen? 
Ich hatte effektiv nur eine Woche Zeit. Ich wäre aber vermutlich länger geblieben, wenn mir mehr Zeit zur Verfügung gestanden hätte. Vorab habe ich mir Gedanken gemacht, ob eine Einsatzwoche für die Familie überhaupt hilfreich ist. Das ist eine kurze Spanne und der Aufwand gross, um eine Freiwillige einzuarbeiten. Ich fragte die Familie danach, als ich dort war. Sie meinten, natürlich hätten sie lieber Freiwillige, die länger bleiben würden, wären aber für jede Hilfe dankbar. 

Wie sahen Ihre täglichen Arbeiten aus?
Ich habe am Morgen das Frühstück vorbereitet, mich mit den Kindern beschäftigt und im Haushalt geholfen. Danach ging es nach draussen. Dort hatte das Bauernpaar gerade eine Drainage-Leitung gelegt. Dafür habe ich viel Erde geschaufelt und viele Steine geschleppt. Des Weiteren habe ich geholfen, den Garten für den Frühling vorzubereiten, die Plätze für das Angebot «Schlafen im Stroh» aufzuräumen oder die Äste der zurückgeschnittenen Bäume zu sammeln. 

Handelte es sich hier um einen grossen Hof?
Für einen Bergbetrieb ist er eher klein bis mittelgross. Im Gegensatz zu unseren Höfen im Flachland ist er wohl eher klein – mit Mutterkühen, Ziegen, Pferden und Hühnern.

Wie hat es Ihnen dort gefallen? 
Sehr gut, ich war ziemlich begeistert. Ich fand es toll, dass ich das gemacht habe und würde es jederzeit wieder machen. Ein solcher Einsatz ist einfach körperlich sehr anstrengend. Abends war ich regelmässig «nudelfertig», obwohl ich sonst von meiner Arbeit her auch gewöhnt bin, einmal anzupacken. Doch hier war ich nonstop auf den Beinen und habe mitgeholfen.

Gab es Erlebnisse, die Ihnen speziell in Erinnerung geblieben sind?
Ich habe viele schöne Momente erlebt. Die Natur war jeden Tag ein wenig anders, gerade in den Bergen. Einmal habe ich eine Lawine in der Nähe niedergehen gehört oder eine Herde Gämsen, die am Weiden waren. Ein Adler flog an einem Tag herbei und hat ein Huhn gestohlen. Diese Eindrücke zeigten auch auf, mit welchen Widrigkeiten eine Bergbauernfamilie zu kämpfen hat. Ein Huhn weniger, das ein Ei legt. Hirsche, die immer weiter vom Berg herunterkommen und dem Bauern das Gras für die Kühe wegfressen. Das alles rückt erst dort ins persönliche Bewusstsein. Schön fand ich ebenfalls, dass ich so eingebunden war in die Familie. Für diese eine Woche war ich wirklich ein Familienmitglied. Ich wurde auch von der ersten Sekunde an herzlich aufgenommen, weshalb mir der Abschied sehr schwer fiel. 

Da ist also etwas gewachsen in dieser kurzen Zeit?
Ja. Eine Woche vergeht zwar schnell, aber jeder Tag war sehr intensiv. Ich spürte viel Dankbarkeit, weil meine Hilfe wirklich benötigt wurde und sichtbar war. 

Gab es auch Tage, an denen Sie dachten, jetzt habe ich eher keine Lust?
Die Lust war eigentlich immer da. Es kam höchstens vor, dass ich von der Arbeit müde war, Muskelkater in den Händen hatte und mich fragte, wie ich heute noch eine Schaufel halten soll. (lacht)

Könnten Sie sich selbst ein solches Leben als Bergbäuerin vorstellen?
Ja, mir gefällt das. Es ist sicherlich kein einfacher Job und wird auch nicht einfacher. Maschinell ist auf einem Bergbauernhof nicht viel möglich, vieles ist Handarbeit. Es ist trotzdem ein schönes Leben im Einklang mit der Natur. 

Was gefällt Ihnen denn am meisten daran?
Dass ich sehe, was ich geschaffen habe. Wenn ich den Garten herrichte, erwächst daraus etwas. Man kann davon leben, wenn man seine eigenen Lebensmittel anbaut. Ferner gefällt mir die Umgebung und die Ruhe. Ich habe fast jeden Morgen dasselbe Bild aus meinem Fenster gemacht und es war immer schön. 

Würden Sie diesen Einsatz auch anderen empfehlen? 
Unbedingt. Grundsätzlich jedem*jeder, der*die bereit ist, körperlich vollen Einsatz zu zeigen. Durch einen Bergeinsatz kommt man aus seiner eigenen Komfortzone heraus. Sieht, wie das Leben anderer Menschen funktioniert und klinkt sich dadurch auch einmal selbst aus dem Alltag aus. Ich habe bewusst in dieser Woche kein Internet benutzt, keine E-Mails oder sonstigen Nachrichten beantwortet. 
Wir hatten dort oben auch kein Radio und keinen Fernseher. Ich wusste gar nicht, was aktuell läuft. Häufig ist man so gefangen in diesen Berieselungen von aussen und es war sehr befreiend, sich einmal davon loszumachen.

Was konnten Sie für sich persönlich aus dieser Erfahrung mitnehmen?
Dass ich den Mut dazu hatte, in einer fremden Familie für eine gewisse Zeit zu leben und mit dieser gemeinsam zu arbeiten. Und dabei tolle Menschen kennenzulernen, die sich über diese Art der Unterstützung freuen. 

Interview: Sarah Stutte, forumKirche, 09.06.2022


Caritas Bergeinsatz
Jahr für Jahr vermittelt Caritas Schweiz Freiwillige zwischen 18 und 70 Jahren an Bergbauernfamilien. Diese müssen sich in einer Ausnahmesituation befinden, durch die sie den Arbeitsalltag nicht mehr alleine bewältigen können – ein Unfall, eine Krankheit, eine Schwangerschaft oder ein Unwetter. Die Familien können ein Gesuch stellen und nach der Bewilligung wird der Hof auf der Webseite aufgeschaltet. Auf dieser können Freiwillige sich für einen mindestens einwöchigen Einsatz entscheiden und sich direkt online dafür anmelden. Wer sich freiwillig meldet, sollte körperlich und psychisch fit sein, um bei den üblichen Arbeiten auf einem Bergbetrieb mithelfen zu können Zugelassen sind alle Personen aus der Schweiz und EU/EFTA-Staaten, die über mündliche Deutschkenntnisse verfügen. Caritas-Bergeinsatz vermittelt auch Einsätze für Firmen. Gruppen mit bis zu 30 Personen können zusammen einen eintägigen Einsatz bei einer Bergbauernfamilie leisten und tatkräftig mitanpacken. (sas)
 

Rebekka Debrunner
Quelle: Sarah Stutte
Rebekka Debrunner aus Müllheim machte im März 2022 einen Caritas-Bergeinsatz.

 

 

 

 

Hofumgebung
Quelle: zVg/Rebekka Debrunner
Der Blick aus Rebekka Debrunners Fenster auf die Hofumgebung und den Vierwaldstättersee.

 

 

 

 

Caritas-Bergeinsatz
Quelle: zVg/Caritas Bergeinsatz
Beim Caritas-Bergeinsatz ist anpackende Hilfe gefragt.

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