Gegen die Abhängigkeit von industriellem Saatgut

Mercia Andrews aus Kapstadt setzt sich für die Rechte von Kleinbäuerinnen ein. Während der Ökumenischen Kampagne ist sie in der Schweiz in Pfarreien, Kirchgemeinden und Schulen zu Gast und erzählt von ihrer Arbeit – unter anderem, wie das Recht auf Nahrung im südlichen Afrika erkämpft werden muss.

Mercia Andrews, mit welchen Problemen haben Sie in Ihrer Arbeit zu tun?

Man hört immer wieder, dass Afrika nicht genügend Nahrung für sich selbst produzieren könne. Das ist ein Bild, das gerade Grosskonzerne kultivieren, denn es lässt die Bevölkerung glauben, dass ohne Dünger und Pestizide – ihren Dünger und ihre Pestizide – nichts geht.

Dem ist nicht so?

Nein. Kleinbäuerinnen und -bauern kamen seit jeher ohne Chemie oder Gentechnik aus. Sie hatten ihr lokales und traditionelles Saatgut und Saatgutbanken, haben Saatgut vervielfältigt und getauscht. In einigen Teilen des südlichen Afrikas ist Letzteres nun verboten, industrielles Saatgut muss hinzugekauft werden und – weil es nicht ans jeweilige Klima angepasst ist und nicht ohne Dünger auskommt – weitere chemische Mittel. Viele verschulden sich und verlieren ihr Land.

Was heisst das für das Recht auf Nahrung?

Wenn die industrielle Landwirtschaft auf grosse Monokulturen setzt, hat dies Einfluss auf die Artenvielfalt und darauf, was angepflanzt, gegessen und verkauft wird. Damit entscheiden die Konzerne, was gegessen wird. Das Recht auf Nahrung beinhaltet nicht nur, genug Essen zu haben, sondern auch vielfältiges, gesundes Essen und die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, was man essen will.

Wie hängen Grosskonzerne und Gesetz zusammen?

In vielen afrikanischen Ländern sitzen Konzerne wie Monsanto in denselben Büros wie die regionale Regierung und pushen das industrielle Landwirtschaftssystem. Afrikanische Regierungen unterstützen die Kleinbäuerinnen und -bauern mit industriellem Saatgut, Herbiziden und Dünger, das von den Konzernen kommt. Das macht sie abhängig statt sie in ihrer Eigenständigkeit zu fördern. Also profitieren letztlich vor allem die Konzerne.

Welche Rolle spielt da Ihre Arbeit?

Wir bewahren und verbreiten traditionelles Saatgut und das Wissen darüber; mit Saatgutbanken, Pflanzenschulen, Workshops, Dokumentation und Vernetzung verschiedener Bewegungen, die zum selben Thema arbeiten. Wir setzen auf agrarökologische Methoden, die boden- und klimaschonend und kosteneffektiv sind. Auf politischer Ebene setzen wir uns für traditionelle Saatgutsysteme ein. Und Kleinbauernfamilien sollen ihre Bedürfnisse selbst artikulieren können. Sie wissen am besten, was sie brauchen. Wir verstärken ihre Stimme und unterstützen sie, kritische Fragen zu stellen.

Die Probleme, die Sie skizzieren, wirken düster. Was treibt Sie an?

Ich glaube an eine gerechte Gesellschaft und an die Alternativen, die wir haben. Mit jedem kleinen Sieg spürst du die Vision ankommen – Kleinbäuerinnen, die uns ihr aufbewahrtes Saatgut zeigen, oder die die lokale Regierung zu einem runden Tisch eingeladen haben, um ihre Stimme hörbar zu machen: Das sind alles Momente der Inspiration. Vielerorts in Afrika keimt Widerstand auf. Das ist es, was wir als Aktivistinnen und Aktivisten tun: Wir pflanzen Ideen und hoffen, dass eines Tages ein Wald daraus entsteht, dass die Ideen Wurzeln schlagen und fruchten.

Interview: Madlaina Lippuner, Fastenopfer/Red. (18.2.20)


Zur Person

Mercia Andrews ist seit vielen Jahren Co-Direktorin von Trust for Community Outreach and Education (TCOE), einem Zusammenschluss für Öffentlichkeitsarbeit und Bildung. Dort leitet sie ein Netzwerk von Bäuerinnenvereinigungen, das Ernährung, Nachhaltigkeit, Klima und Wirtschaftskrise analysiert. Das Netzwerk ist in Südafrika, Mosambik, Lesotho, Malawi, Sambia, Zimbabwe, Swasiland, Botswana und Namibia tätig. 


 

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Die Südafrikanerin Mercia Andrews koordiniert verschiedene Kampagnen zu Landrechten von Kleinbäuerinnen, Landlosen und Landarbeiterinnen.

Bild: © Fastenopfer

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