Auf den Spuren der Hugenotten und Waldenser

Im Sommer dieses Jahres wurde die Beschilderung des letzten Teilstückes des Hugenotten- und Waldenserweges, das von Zürich nach Schaffhausen führt, fertiggestellt. Dieser Anlass wurde mit über 200 Personen feierlich begangen. Der Europäische Kulturweg erinnert nicht nur an eine leidvolle Zeit, sondern kann auch anregen, über Flucht und Umgang mit Geflüchteten heute nachzudenken.

Am 24. September trafen sich in Barzheim bei Thayngen über 200 Personen, die mit dem Hugenotten- und Waldenserweg verbunden sind. Dort wurde an der Grenze zu Deutschland eine Stele enthüllt, die an das Schicksal von Zehntausenden geflüchteter Menschen erinnert. 
Dahinter verbirgt sich eine leidvolle Geschichte. Als 1685 das Edikt von Nantes aufgehoben wurde, sahen sich die Hugenotten - Protestanten, die sich der Lehre Calvins zugewandt hatten - gezwungen, aus Südfrankreich zu fliehen. 1687 wurden die Waldenser – eine im 12. Jahrhundert entstandene Gemeinschaft christlicher Laien - aus dem italienischen Piemont vertrieben. Ihre Flucht führte sie durch die eidgenössischen Gebiete nach Württemberg und auch ins heutige Nordhessen. 
«Die meisten sind durch die Schweiz einfach durchgereist», sagt Doris Brodbeck, Präsidentin des Hugenotten- und Waldenserweges Aargau-Zürich-Schaffhausen. Nur im Winter seien die Geflüchteten gezwungen gewesen, Quartier zu beziehen, weil eine Weiterreise dann nicht mehr möglich war. 

Unterschiedliche Kulturen 
«Im Spitzenjahr 1687 wurden in Schaffhausen mit seinen 5'000 Einwohner*innen ungefähr 9'000 Flüchtlinge aufgenommen», erzählt Doris Brodbeck. Sie seien in privaten Häusern, Hotels und in den umliegenden Dörfern untergekommen. Die Bereitschaft, Geflüchtete aufzunehmen, sei damals sehr gross gewesen. «Den Einheimischen war klar, dass es nicht selbstverständlich ist, seinen Glauben frei leben zu können. Sie hatten Mitleid mit ihren Glaubensgeschwistern.»
Dass sich die Vertriebenen in der Schweiz nicht ansiedeln konnten, hatte unterschiedliche Gründe. Zum einen hatten die Eidgenossen dem Herzog von Savoyen versprochen, die Waldenser weit entfernt von ihrer Heimat anzusiedeln, um ihnen eine Rückkehr zu erschweren. Zum anderen hatte die einheimische Bevölkerung selbst wenig zu essen. Schliesslich bot das Zunftwesen neuen Handwerkern wenig Möglichkeiten, in den Städten zu arbeiten und sich dort anzusiedeln. «Es trafen auch sehr unterschiedliche Kulturen aufeinander. Während die Schweizer Reformierten puritanisch geprägt waren, waren viele Hugenotten höfische Lebensart mit langen Perücken und teuren Kleidern gewohnt», erklärt Brodbeck.

Fluchtroute als Wanderweg
Um die Erinnerung an diese bewegte Geschichte wachzuhalten, wurde im Jahr 2010 das Projekt Hugenotten- und Waldenserweg ins Leben gerufen und das erste Teilstück von Chancy nach Genf ausgeschildert. Der etwa 1'800 km lange Wanderweg, der seit 2013 zu den Kulturrouten des Europarates zählt, beginnt an verschiedenen Orten in Südfrankreich und dem Piemont und führt dann über Genf, Bern, Zürich, Schaffhausen und Frankfurt bis in die nordhessische Stadt Bad Karlshafen, die 1699 eigens für die Ansiedlung der Hugenotten gegründet wurde. Entlang des Weges werden immer wieder geschichtliche Details präsentiert. «Dies ermöglicht, verschiedene Aspekte häppchenweise aufzunehmen und mit der Gegenwart in Verbindung zu bringen», so Doris Brodbeck. Für die Kirchenhistorikerin ermöglicht der Weg, die Umstände dieser Fluchtbewegung aus der Distanz heraus ohne Wertung zu betrachten und Parallelen zu heute zu ziehen: «Man kann aus der Geschichte lernen, auch die Gegenwart differenzierter wahrzunehmen.»

Materialien und Veranstaltungen
Für die einzelnen Wegetappen in der Schweiz gibt es kompakte Broschüren mit Landkarten, Bildern und Zusatzinformationen. Zusätzlich wurde im April 2023 von Florian Hitz ein Wanderführer herausgegeben mit dem Titel «Auf den Spuren der Hugenotten und Waldenser. In 28 Tagen von Genf nach Schaffhausen». In Zürich und Schaffhausen werden Stadtrundgänge mit und ohne Führung angeboten, die den Einblick in die Geschichte der Glaubensflüchtlinge vertiefen. Markus Plüss aus Ramsen hat einen Dokumentarfilm über die Ursprünge seiner Familie gedreht, die zurückgehen auf zwei Brüder, die schon 1550 ihres Glaubens wegen aus Nîmes geflohen sind. Der Film «Pluss.huguenots» führt anhand dieser Familiengeschichte in die Flucht der Hugenotten ein. Seit 2. September ist in Bern die Wanderausstellung «Wurzeln schlagen» zu sehen. Sie zeigt auf, wie die Geflüchteten den Gemüseanbau in der Schweiz grundlegend verändert haben. 

Detlef Kissner, forumKirche, 18.10.2023


Nähere Infos: www.ref-sh.ch/kg/via  und www.via-huguenots.ch 

Doris Brodbeck mit Theo Bächtold und Regula Küpfer
Quelle: © Annelis Bächtold
Doris Brodbeck (r.) mit Theo Bächtold und Regula Küpfer nach dem Anbringen eines Hinweistäfelchens in Thayngen

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