Wie Ostern trotzdem gefeiert werden kann

Das wichtigste christliche Fest wird aufgrund der Corona-Krise dieses Jahr ein anderes sein, da die Gottesdienste der Karwoche und Ostern entfallen oder ohne die Gemeinde gefeiert werden. Dennoch wollen die Pfarrgemeinden für die Menschen da sein und werden kreativ – auch in der Region. Seelsorgende und Gläubige berichten, was das Ausbleiben des traditionellen Osterfestes für sie bedeutet und wie sie damit umgehen. 

Als die ersten einschneidenden Mass - nahmen zur Eindämmung der Corona- Pandemie verkündet wurden, stand bei Urs Elsener, Leiter des Pastoralraumes Schaffhausen-Reiat, und seinem Seelsorgeteam erst einmal tagelang «Krisenmanagement» auf dem Programm: «Wir mussten uns überlegen, wie wir unseren Leuten nahe sein können, ohne ihnen physisch zu begegnen.» Ihre Idee, anstelle von Gottesdiensten z.B. täglich von 8 bis 18 Uhr zu Anbetungen einzuladen, mussten sie nach dem Veranstaltungsverbot fallen lassen. «Wir sind froh, dass wir gerade noch unsere Primeli-Aktion umsetzen konnten», so Urs Elsener. Sie bestand darin, alleinstehenden Menschen die 85 Jahre oder älter sind, ein Primeli mit einer Grussbotschaft und einer Telefonnummer vor die Tür zu stellen, bei der sie sich melden können. Froh ist er auch, dass die Kirchen für das persönliche Gebet offenbleiben konnten. Die Webseite entwickelte sich zur wichtigsten Verbindung zu den Gläubigen, da sie laufend aktualisiert werden kann, aber auch das Telefon bleibt ein wichtiger Kanal, um mit ihnen Kontakt zu halten. 

Ostern feiern 
Dass die Gottesdienste auch in der Karwoche und an Ostern ohne Gemeinde gefeiert werden müssen, ist für Urs Elsener eine völlig neue Situation: «Ich bin es gewohnt, alle Sakramente mit Menschen zusammen zu feiern.» Damit die Gläubigen in dieser Zeit ein Stück Vertrautheit erleben, möchte das Seelsorgeteam diese Gottesdienste in den verschiedenen Kirchen des Pastoralraumes aufzeichnen und im Internet zum Abruf bereitstellen. Von den beiden letzten Sonntagsgottesdiensten wurde bereits ein Video online gestellt. «Vielleicht gelingt es sogar, die Gottesdienste in der Karwoche und an Ostern live zu übertragen », sagt Urs Elsener. Ganz besonders freut es ihn, dass sich die lokalen Medien sehr kooperativ zeigen. Auch die Möglichkeit, dass Familien an Ostern einen Hausgottesdienst feiern, findet der Pfarrer eine gute Idee. Die Vorlagen für eine solche Feier sollten allerdings von diözesanen Stellen erarbeitet und verbreitet werden. Für Urs Elsener ist klar, dass die Corona- Krise erst begonnen hat: «Momentan müssen wir zuerst einmal mit den Massnahmen zurechtkommen. Mit zunehmender Dauer werden wir als Seelsorgende aber immer mehr gefordert sein.» 

Ein Hoffnungslicht 
In Romanshorn hätte Gemeindeleiterin Anne Zorell Gross in diesem Jahr das erste Osterfest zusammen mit den Gläubigen gefeiert. Dass sie die Karwoche und Ostern nicht auf die traditionelle Art und Weise in der Gemeinschaft feiern könne, schmerze sie schon sehr, sagt sie. Diese Zeit sei für sie immer schon der Höhepunkt des Kirchenjahrs gewesen. Zusammen mit ihrem Seelsorgeteam versucht sie aber trotzdem, die Menschen in ihrer Gemeinde durch diese besondere Zeit zu begleiten und sie zu unterstützen. «Wir sind telefonisch und per Mail immer gut erreichbar. Unser sozialer Dienst bietet zusammen mit Jugendlichen und Jubla Menschen einer Risikogruppe oder Kranken einen Einkaufsdienst an oder Gassigehen für Hunde», erklärt Anne Zorell Gross. Ferner seien die beiden Kirchen geöffnet, und in der Pfarrkirche werden mehr denn je Kerzen entzündet. Deshalb brenne in der Pfarrkirche nun auch täglich ein spezielles Hoffnungslicht mit einem Segenstext. 

Herausforderung als Chance 
Um die Gemeinde aufrechtzuerhalten, gebe es zudem vom Seelsorgeteam vorbereitete Mittwochsimpulse, die auf dem YouTube- Kanal der katholischen Kirchgemeinde Romanshorn angesehen werden können. In der Karwoche gebe es solche Impulse speziell für Palmsonntag, Gründonnerstag, Karfreitag, die Osternacht und Ostern, auch als Kopien, die jeweils in der Kirche ausgelegt seien. «Ausserdem werden von Palmsonntag bis Ostern zu den jeweiligen Tagen in der Kirche biblische Szenen aufgebaut. Das Glockengeläute zu unseren Gottesdienstzeiten haben wir beibehalten und laden die Gläubigen ein, an die anderen zu denken und ein Gebet zu sprechen», sagt Anne Zorell Gross. Die Gemeindeleiterin selbst wird Ostern gemeinsam mit ihrem Mann feiern und sieht darin auch eine Chance, diese Tage neu zu reflektieren. «Mit der Ruhe und dem Rückzug aus der Öffentlichkeit habe ich Zeit, die einzelnen Tage anders zu begehen und bin gespannt auf meine Erfahrungen», erklärt sie. Und fügt hinzu: «Natürlich ist es eine Herausforderung an uns alle, aber darin liegt auch immer die Möglichkeit, sich neu auszurichten und daraus Erkenntnisse zu gewinnen.»

Leere und Trauer 
Doch nicht nur für die Seelsorgenden ist die Umstellung gross, sondern auch für die Gläubigen. Der 74-jährige Paul Gruber aus Frauenfeld, Präsident des Dachverbands für Freiwilligenarbeit, erklärt, dass er sich nicht erinnern könne, Ostern einmal nicht gefeiert zu haben. Welche Konsequenzen die Pandemie sowohl für das gesellschaftliche, als auch für das kirchliche Leben mit sich bringe, sei ihm erst nach einigen Tagen richtig bewusstgeworden. «Beim Gedanken daran, keine Osterliturgie in der Gemeinschaft feiern zu können, spüre ich Leere, Verlust und Trauer in mir», gibt er zu. Doch er sei froh, dass er wenigstens in seiner Partnerschaft Ostern begehen könne und dass «wir uns noch als Partner haben dürfen». Paul Gruber fühlt sich von den Impulsen auf dem YouTube-Kanal der Pfarrei St. Anna unterstützt, die er als sehr wertvoll empfindet. Und auch er kann der Krise positive Aspekte abgewinnen: «Der Mensch und die Gesellschaft konzentrieren sich wieder auf das Wesentliche. Wir erkennen die Wichtigkeit der sozialen Kontakte, insbesondere auch zwischen den Generationen. Die Hilfsbereitschaft wird zentral und zeigt, dass unsere Gesellschaft fähig ist, in schwierigen Situationen zusammenzuhalten.»

Angehörige vermissen 
Vor zwei Jahren erlebte die 37-jährige Delia Kleiner aus Lanzenneunforn die Ostertage im Kreis ihrer Familie mit gemischten Gefühlen. Der Geburtstag ihres Vaters, der sieben Wochen zuvor verstorben war, fiel auf den Ostersonntag. «Wir waren beieinander, es war alles ruhiger, nicht so festlich», erinnert sie sich. Auch das kommende Ostern wird anders als sonst. Die Vorstellung, dass alle Kirchen leer bleiben werden, berührt sie besonders. Ihr kommen die Menschen in den Sinn, die an den Feiertagen Gemeinschaft suchen, die allein oder krank sind. Auch sie, ihr Mann und ihre drei Kinder werden ihre Angehörigen, die alle im Ausland leben, vermissen. «Ob die Kinder verstehen werden, dass sie ihre Grosseltern immer noch nicht sehen können? », fragt sie sich. Am Karfreitag hat die junge Ärztin noch Dienst im Spital, an Ostern werden sie und ihr Mann vielleicht eine Messe im Fernsehen mitfeiern und mit den Kindern Osternester im Garten suchen. Delia Kleiner hofft, dass sie diese besondere Zeit auch dazu nutzen kann, ein gutes Buch zu lesen und zu Menschen Kontakt aufzunehmen, von denen sie lange nichts gehört hat. 

Zeit für die Familie 
Nicht in der Kirche, sondern stets mit einem eigenen Anlass feiert die Jubla Gachnang normalerweise Ostern. Doch auch dieser wird in diesem Jahr ausfallen. «Wir sitzen alle im gleichen Boot. Auch wir leiden unter der Situation», erklärt Scharleiterin Ladina Schocher. Ihr tue es leid für alle, die das Osterfest in der Kirche mit ihren Angehörigen und der Gemeinde hätten feiern wollen. «Die Corona-Pandemie fordert viel Kraft und Durchhaltevermögen. In einer solch schweren Zeit hätten die Gottesdienste bestimmt vielen Menschen Kraft gespendet», ist sie überzeugt. Umso wichtiger sei es, nicht die Hoffnung zu verlieren. «Es ist schön, wenn man sich wieder mehr Zeit für die Familie nehmen kann und diese Zeit wieder an Wert gewinnt. Man kann abends zusammen fernsehen, gemeinsam essen oder ein Gesellschaftsspiel spielen. Das sind Bräuche, die immer mehr verloren gehen, weil jeder sonst seine Hobbys pflegt. Doch jetzt rückt wieder in den Vordergrund, was wirklich wertvoll ist.» 

Sarah Stutte/Detlef Kissner


Hilfe für ältere Menschen

Die Verordnung des Bundes, möglichst daheim zu bleiben, stellt manche Seniorinnen und Senioren vor neue Herausforderungen, wie ihre Einkaufsorganisation oder die Angst vor Vereinsamung. Aus diesem Grund steht die Pro Senectute Thurgau mit ihren acht Beratungsstellen im Kanton in engem Kontakt mit ihren Klienten. «Viele ältere Menschen sind verunsichert, weil sie nicht wissen, wie lange sich die Lage hinzieht und wie es weitergeht. Einige Klienten, die schon vorher nicht viele soziale Kontakte hatten, rufe ich gezielt selbst an, um zu fragen, ob alles in Ordnung ist oder sie Hilfe benötigen», berichtet Beratungsstellenleiterin Maria Petersen. Viele würden insbesondere unter den beschränkten Kontaktmöglichkeiten innerhalb der Familie leiden, wenn sie Kinder und Enkel nicht treffen könnten. Für manche Senioren könne die Angst, sich anzustecken, gekoppelt mit der Angst davor, fast nicht mehr aus dem Haus zu dürfen, belastend sein. «Wenn sie dann noch Nachrichten anschauen oder die Zeitung lesen, trägt dies nicht unbedingt zur Beruhigung bei», sagt Maria Petersen.

Neben der Pro Senectute, die Einkaufsdienste und Haushaltsunterstützung anbietet, bauen inzwischen auch immer mehr Gemeinden wie Weinfelden selbst Freiwilligendienste auf und koordinieren Nachbarschaftshilfen, beispielsweise auf Facebook. Unter dem Stichwort «gern gscheh» finden sich ganz unterschiedliche Gruppen wie die Frauengemeinschaft Sulgen und Umgebung oder die Corona Hilfe Schaffhausen. Für die Schaffhauser Gemeinden Trasadingen-Osterfingen-Wilchingen wird ein Einkaufsdienst durch die Nachbarschaftshilfe «diakonia» organisiert. Das Projekt wurde durch die drei ansässigen Kirchgemeinden initiiert. Daneben gibt es die Online-Plattform hilf-jetzt.ch, auf der sich Tausende in WhatsApp-Gruppen zusammenschliessen, um in ihrer Gegend oder im Quartier zu helfen. Für Menschen, die digital nicht zu erreichen sind, können freiwillige Helfer auf der Seite einen Brief herunterladen, ausdrucken, mit ihren Kontaktdaten versehen und in der Nachbarschaft verteilen. (sas)

Osternacht
In der Osternacht feiern die Gläubigen normalerweise miteinander die Auferstehung Jesu (wie hier in Frauenfeld 2018).

Bild: © Monika Leutenegger

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

leere Kirchenbänke
Dieses Jahr bleiben an Ostern die Kirchenbänke leer (Kirche Weinfelden).

Bild: © Sarah Stutte

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