Ein Cartoonist über den Sinn für Humor

Seit Januar überrascht die Leserinnen und Leser von forumKirche auf der letzten Seite immer ein Cartoon, der religiöse Themen ein wenig auf die Schippe nimmt. Er stammt aus der Zeichenfeder des deutschen Cartoonisten und Karikaturisten Thomas Plaßmann. Im Interview erzählt er uns, was Humor darf und was er nicht darf und warum dieser für uns überlebenswichtig ist.

Wie definieren Sie für sich Humor und was bedeutet er Ihnen?

Es gibt viele treffende Definitionen für Humor. Für mich ist er schlicht eine Gabe, das Leben bestehen zu können.

Woher nehmen Sie Ihre Ideen?

Man kann sie nicht erzwingen oder herbeiüben. Es ist wohl das Glück ein paar Synapsen zu haben, die es einem ermöglichen, aus den umgebenden Informationen ein pointiertes Bild, eine pointierte Szene zu entwickeln.

Worüber lacht ein Cartoonist und welche Art von Humor ist für Sie grenzwertig?

Er lacht über gute Einfälle, originelle Ideen und sonst halt, was dem eigenen Humor entspricht. Er hört allerdings dort auf, wo er selbst seine Grenzen zieht, wo er mit den eigenen Vorstellungen von Geschmack und Würde nicht mehr übereinstimmt. Das ist natürlich ganz individuell verschieden. Worüber der eine sich schaudernd abwendet, mag der andere lauthals lachen. So sind wir.

Warum ist es für uns essenziell, Humor zu besitzen und zu verstehen?

Der Humor ist ein überlebenswichtiger Mechanismus, der hilft, auch an schlimmsten Dingen nicht zu zerbrechen. Er schafft Distanz. Wer über etwas lachen kann, hat es, vielleicht auch nur für einen Moment, besiegt. Warum fürchten und bekämpfen wohl Diktaturen und Ideologien so den Humor?

Wie schafft man es, im privaten sowie im Job nicht alles so ernst zu nehmen?

Es ist schon eine kleine Kunst, dem Leben auf diese Weise entgegenzutreten. Das muss man sich schon ein wenig anerziehen, sich nicht gleich von allem erdrücken zu lassen. Aber es lohnt sich!

Was ist das Schwierigste daran, von Berufswegen humorvoll zu sein?

Das Hauptproblem besteht wohl darin, humorvoll und witzig zu sein, wenn einem so gar nicht danach ist. Wenn man Sorgen hat, den Kopf voller bedrückender Gedanken – was vorkommen kann. Dann den Schalter umlegen zu können, das ist schon ein Akt grosser Disziplin.

Reagieren Leserinnen und Leser heute grundsätzlich empfindlicher auf Komik, die sie anstössig finden oder nicht verstehen, oder sind einfach nur die Möglichkeiten gewachsen, die eigene Meinung kundzutun?

Ich bin mir nicht sicher, ob allgemein empfindlicher reagiert wird. Aber die kommunikativen Möglichkeiten, die jedem mittlerweile zur Verfügung stehen, erleichtern es natürlich immens, seinem Unwillen, seiner Empörung Luft zu verschaffen, immer mehr in bestürzend massloser Weise, so dass der Eindruck schon entstehen kann, dass die Nerven blanker liegen.

Wir haben einen Leserbrief erhalten, indem dargelegt wurde, dass ein Cartoon immer einen textlichen Zusammenhang benötige. Wie stehen Sie dazu?

Das sehe ich nicht unbedingt so. Es zählt schon zu den besonderen Arbeiten, ein gutes Blatt ohne Worte zu schaffen. Aber natürlich ist die Sprache unser Kommunikationsmittel Nummer eins. Auf sie gänzlich zu verzichten, hiesse, sich unendlicher Ausdrucksmittel zu versagen. Und neben dem Bild mit Sprache zu arbeiten und zu spielen, kann für beide Seiten, Zeichner und Betrachter, ein grosses Vergnügen sein.

Sie zeichnen für einige kirchliche Zeitungen und setzen sich auch in Ihren Cartoon-Büchern mit Gott und der Bibel humorvoll auseinander. Was interessiert Sie an der Religion und wie ist das entstanden?

Ich habe die «normale» katholische Sozialisation durchlebt, Kommunion, Messdiener, Jugendarbeit, und ich habe in Gremien mitgewirkt. Der Glaube hat immer und spielt nach wir vor eine grosse Rolle in meinem Leben. Und Themen, die einen selbst berühren und bewegen, fragen den Zeichner natürlich auch immer nach künstlerischer Umsetzung. Und diese Frage habe ich mit einem klaren Ja für mich beantwortet. Religion, Kirche und Glaube – warum sollten diese Themenbereiche auszuschliessen sein?

Inwiefern polarisiert das Thema Religion? Was darf Humor hier und was darf er nicht?

Dieser Themenkreis, das ist einem schon klar, ist natürlich auch vermintes Gelände. Wenn etwas dem Menschen heilig ist, gebiert das besondere Schutzmechanismen. Grundsätzlich finde ich, dass sich die Karikatur, der Humor auch auf diesem dünneren Eis frei bewegen soll. Aber, nicht alles, was geht, muss auch gemacht werden. Man kann auch Rücksicht nehmen. Wie schon erwähnt, hat jeder da seine eigenen Grenzen.

Die Redaktion der französischen Satirezeitschrift Charlie Hebdo zahlte einen hohen Preis für ihren bissigen Humor. Dort kam es 2011 zu einem Brandanschlag und 2015 zu einem Anschlag mit vielen Todesopfern. Hätten Sie bis dato geglaubt, dass diese Art von gezeichneter Kritik ein Grund für islamistischen Terror sein kann?

Man hatte ja schon einen gewissen Vorgeschmack erhalten, im Rahmen des Streits um die Mohammed-Karikaturen 2005/ 2006 in Dänemark. Man erinnert sich. Aber dass so etwas möglich wurde, wie es sich da vor ziemlich genau fünf Jahren in Paris zugetragen hat, das hat alle Grenzen gesprengt und war ein solcher Schock, der noch immer verstört.

Da wir mitten in der Fasnachtszeit stecken: Mögen Sie Fasnacht und sollten wir nicht öfter so ausgelassen sein?

Wir sollten gern etwas öfter ausgelassen sein! Das ist ein ausgezeichnetes Mittel wider die Schwere des Daseins. Ich selbst, als karnevalsfernerer Westfale allerdings, erbitte Pardon, bin eher für mich ausgelassen und nicht so sehr im Rahmen von Fasching, Karneval und Fasnacht.

Interview: Sarah Stutte (28.1.20)


Zur Person

Thomas Plaßmann ist 1960 in Essen geboren. Nach dem Abitur studierte er dort Geschichte und Germanistik und absolvierte eine Ausbildung zum Tischler. Seit 1987 ist er freiberuflicher Cartoonist und Illustrator. Als politischer Karikaturist zeichnet er regelmässig für die Frankfurter Rundschau, die Berliner Zeitung, Spiegel Online und andere grosse Tageszeitungen. Seine Karikaturen und Cartoons erscheinen auch in kirchlichen Blättern wie der Wochenzeitung des Bistums Trier. Neben der Zusammenarbeit mit Zeitschriften, Fachverlagen und Unternehmen, beteiligte er sich schon an zahlreichen Buchprojekten und brachte eigene Bücher heraus. Für seine Arbeiten wurde er vielfach mit Preisen bedacht. So gewann er unter anderem 1994 die Medaille der Hürriyet-Stiftung beim Internationalen Hürriyet-Cartoon-Wettbewerb, den Publikumspreis des Magazins «FOCUS», war mehrfach Preisträger der «Spitzen Feder», Stuttgart, und der «RÜCKBLENDE», des Karikaturenpreises des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), und erhielt zuletzt den Publikumspreis der Rückblende 2018 für eine Zeichnung mit AfD-Thematik. Plaßmann ist verheiratet und hat drei Kinder. 


 

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Thomas Plaßmann zeichnet seit Januar auch für forumKirche.

 
 
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Der Cartoonist bei seiner Arbeit.


Bilder: zVg

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