Klosterfrauen im Mittelalter

In der Ausstellung «Nonnen. Starke Frauen im Mittelalter» werden 15 wichtige Repräsentantinnen des Klosterlebens vorgestellt und anhand ihrer Biografien die Zeit vom 11. Jahrhundert bis zur Reformation beleuchtet. Erst konnte die Schau wegen der Corona-Krise nur per Online- Rundgang besucht werden. Seit dem 11. Mai ist jedoch nun auch ein Augenschein vor Ort, im Landesmuseum Zürich möglich. forumKirche hat beide Varianten ausprobiert. 

Mit einer farbenfrohen Installation der Künstlerin Annelies Štrba beginnt sowohl die virtuelle als auch die gewohnte Museumstour. Ihre grossflächigen Fotografien von Kirchenfenstern, Marienfiguren und Gärten wirken in echt noch viel imposanter. Schnell wird klar, dass sich der virtuelle Rundgang, den man bequem von zuhause aus mit dem Handy oder Computer erkunden kann, als erster Eindruck zwar wunderbar anbietet, jedoch keinen Spaziergang vor Ort ersetzen kann. Die Stimmung und Atmosphäre, die durch die Beleuchtung, Gestaltung und vor allem durch die themenbezogene Musik erzeugt wird, kann man nur im Museum selbst aufnehmen. Auch andere Besucher*innen, möglicherweise ein Austausch über das Gesehene und Gehörte, fehlen natürlich im virtuellen Raum, in dem man ganz auf sich zurückgeworfen ist und mit seinen Gedanken allein bleibt. Die Idee, wenigstens auf diesem Wege einen Zugang zur Ausstellung anzubieten, deren Eröffnung Mitte März den Corona-Schutzmassnahmen zum Opfer fiel, hat sich trotzdem gelohnt. Denn ohne Frage ist der historische Spaziergang auf beiden Wegen sehenswert. Allein deshalb, weil die Wirklichkeit hinter den Klostermauern vielfältiger, überraschender und auf eine gewisse Weise auch fortschrittlicher war, als man heute meinen mag. 

Zwischen Martyrium und Mystik

Anhand wertvoller Exponate wird der Lebensalltag der Nonnen in den auf Eigenwirtschaftlichkeit ausgerichteten Frauenklöstern veranschaulicht. Diese genossen im Mittelalter ein hohes Ansehen, denn sie nahmen nicht nur in Bildungsfragen eine wichtige Stellung ein, sondern prägten auch Politik, Wirtschaft und Theologie. Doch es gab auch Möglichkeiten für Frauen, ein gottgeweihtes Leben zu führen, ohne einem Kloster anzugehören. So lebten Beginen als Bürgerliche fromm und ehelos ausserhalb der grossen Orden. Auch über Inklusinnen, wofür die heilige Wiborada als Paradebeispiel steht, erfährt man etwas in der Ausstellung. 15 wichtige Persönlichkeiten jener Epoche zeigen auf, wie vielfältig sowohl die Lebensentwürfe als auch der Handlungsspielraum geistlicher Frauen im Mittelalter waren. Hildegard von Bingen ist heute zwar vor allem durch ihre Naturheilkunde bekannt, verfasste jedoch auch liturgische Gesänge, die im Museum zu hören sind. Zu ihren wichtigsten theologischen Werken gehört ihre Visionstrilogie, die auch den Liber Scivias (um 1150) enthält. Darin beschreibt sie insgesamt 26 selbst erlebte religiöse Visionen. Elsbeth von Oye, die als Sechsjährige dem Kloster Oetenbach in Zürich übergeben wurde, führte ein Leben in Askese und Selbstkasteiung, um die Leiden Christi nachempfinden zu können. Die Johannes-Verehrerin Adelheid Pfefferhart lebte bis zu ihrem Tod im Dominikanerkloster St. Katharinental bei Diessenhofen und soll beim Gebet vor einer Christus- Johannes-Gruppe erleuchtet worden und über dem Boden geschwebt sein. Und die Dominikanerin Margret Zschampi aus dem Kloster Klingental in Kleinbasel widersetzte sich erfolgreich den Reformbestrebungen zu Beginn der 1480er-Jahre, indem sie mit zahlreichen Nonnen das Kloster verliess. 

Eine Vorbildfunktion

Die Gründe, warum Frauen im Mittelalter ins Kloster eintraten, seien unterschiedlich gewesen, sagt Christine Keller. «Viele wurden schon als Kind von ihren Eltern ins Kloster gegeben, um den politischen Einfluss der Familie zu stärken. Andere sind aus freien Stücken eingetreten, manchmal auch gegen den Willen der Eltern», erklärt sie. Sie fügt hinzu: «Im Kloster konnten Frauen selbst - bestimmt ihre Spiritualität leben. Sie genossen die Freiheit, sich in Schriften, Musik und Naturwissenschaften zu vertiefen, da Frauen zu jener Zeit der Zutritt zu Universitäten verboten war». Mit dem Eintritt ins Kloster gewannen sie an Macht und konnten als Äbtissinnen, Priorinnen oder Meisterinnen das weltliche Geschehen mitbestimmen. Und wie steht es um den Einfluss heutiger Ordensgemeinschaften? «Ich habe den Eindruck, dass sie mehr im Hintergrund agieren. Priorin Irene Gassmann vom Kloster Fahr ist sicher eine vorbildliche Klosterfrau, die sich sehr für die Gleichberechtigung in der Kirche einsetzt und versucht, den Frauenorden dadurch auch wieder eine neue Rolle und Bedeutung zu geben», so Christine Keller. 

Sarah Stutte (26.05.20)



Die Ausstellung im Landesmuseum ist noch bis zum 16. August zu sehen. Virtuell kann man diese jederzeit auf www.landesmuseum.ch besuchen. Die Begleitpublikation enthält unter anderem ein Interview mit Priorin Irene Gassmann. 
 

Nonnen im Mittelalter
Nonnen im Chorgestühl, Detail aus: Psalter Heinrichs VI., 1400–1430

Bild: © The British Library Board

 

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