Ein neuer Blick auf die Natur

Wir leben und arbeiten in abgeschlossenen, zum Teil klimatisierten Räumen, bewegen uns auf geteerten Strassen und gepflasterten Wegen und holen uns das, was wir zum Leben brauchen, aus den Regalen der Supermärkte. Mit Erde, Wasser, Pflanzen und Tieren kommen wir wenig in Berührung. In der SchöpfungsZeit sind wir eingeladen, die Natur um uns herum mit neuen Augen wahrzunehmen. Wie das gelingen kann, zeigen die folgenden Beispiele.

Kinder erobern ihre Umwelt mit allen Sinnen und nehmen dabei die Erwachsenen mit. Diese Erfahrung darf auch Silvia Kummer mit ihrer Tochter (2) und ihrem Sohn (4) machen: «Auf unseren Nachmittagsausflügen entdecken wir unheimlich viel.» Von Schnecken angefangen, die ihre Tochter mit Vorliebe inspiziert, bis hin zu Käfern oder Stöcken. Ein umgestürzter Baum im Wald muss unter die Füsse genommen und genau begutachtet werden. «Ohne die beiden würde ich ihn wohl kaum beachten», sagt die junge Mutter. Ihre Kinder machen sie auf jeden Heissluftballon am Himmel aufmerksam und auf den Wind, wenn er kräftiger bläst als sonst. Sie verpasst auch nicht den Zeitpunkt, wenn im Herbst die ersten Blätter fallen, weil ihr Sohn dann mit seiner Lieblingsbeschäftigung, dem Laubsammeln, beginnt.

Unter einem Baum

Mit Kindern hat man Zeit, zu verweilen und scheinbar Unwichtiges zu beobachten. «Man bekommt einen anderen Blick für die Natur. Das ist ein riesiges Geschenk», sagt Silvia Kummer. Als ihre Jüngste noch im Kinderwagen lag, konnte sie diesen einfach unter einen Baum stellen, und das Kind war zufrieden. Das wundert die junge Mutter nicht: «Denn in einem solchen Baum bewegt sich so viel, gibt es so viel zu sehen.» Ausserdem hätten Bäume eine beruhigende Wirkung. Wenn sie miteinander im Wald seien, «komme sie so richtig runter». Gleiches stelle sie bei ihren Kindern fest. Kinder bringen uns auch zum Nachdenken und dazu, Selbstverständliches zu hinterfragen, z. B. was eigentlich wirklich «Unkraut » ist oder was von uns Menschen dazu gemacht wird. Und schliesslich traut man sich mit den Kleinen zusammen auch selbst noch Kind zu sein und bei Regen barfuss in Pfützen zu patschen.

Allein im Wald

Die Überlieferung berichtet, dass der heilige Gallus Anfang des 7. Jahrhunderts in die Wildnis ging, um Gott zu finden. Was hat er dort erlebt? Was passiert mit einem, wenn man ganz alleine irgendwo in der Natur lebt? Diesen Fragen wollte Matthias Wenk von der Cityseelsorge St.Gallen nachgehen, als er sich letztes Jahr für drei Wochen in den Wald oberhalb der Gallusstadt zurückzog (vgl. dasgallusexperiment.ch). Zunächst wanderte er umher und nahm sich Zeit, alles zu beobachten: «Ich habe mich unter einen Baum gesetzt und gespürt, wie gut es tut, da draussen zu sein.» Er schaute einer Spinne zu, wie sie unermüdlich ihr Netz spann und dieses immer wieder in sich zusammenfiel. «So ein kleines Wesen erfüllt seine Aufgabe, ohne darüber nachzudenken. Weil es ein Teil von allem ist, fährt es einfach fort», beschreibt Matthias Wenk seine Beobachtung. Nach und nach wurde ihm klar, dass auch er ein Teil dieser Natur ist und nicht ihr Gegenüber. «Wer dieses Verbundensein von allem Leben verinnerlicht, dem fällt es schwer, Krieg zu führen, Menschen zu hassen oder für eine unnötige Strasse zu stimmen», so Wenk.

Von den Bewohnern akzeptiert

Zu Beginn seines Gallus-Experiments musste er zunächst im Wald ankommen. Er hatte das Gefühl, dass die Wildtiere, die ihm begegneten, ihn als «Eindringling» empfanden und ihn «beschimpften». «Erst als ich versuchte, in Gedanken mit ihnen zu kommunizieren, haben sie mich akzeptiert», erzählt Matthias Wenk. Eine besondere Anziehungskraft übte auf ihn der Bach aus, der durch diesen Wald fliest. Dem Lauf folgend habe er wahrgenommen, wie der Bach sich ständig veränderte: «Da ist auch bei mir Einiges ins Fliessen gekommen.» Nach den drei Wochen bestand für Matthias Wenk die Herausforderung darin, das Er - lebte in den Alltag zu übertragen. Ihm wurde es wichtig, mehr Ruhephasen einzubauen und sich vor Augen zu halten, dass in seinem Umfeld nicht alles von ihm abhängt. Er besucht auch heute noch gern sein Waldstück: «Das ist für mich wie ein Heimkommen.»


Mit Hund die Natur entdecken

Man muss nicht gleich in die Natur ziehen, um sie neu wahrzunehmen. Es reicht auch, sich einen kleinen Hund zuzulegen. Diese Erfahrung durfte Claudia Koch machen, als vor kurzem ein zwei Monate alter Labradoodle
(Mischung aus Labrador und Pudel) zur Familie dazukam. «Seit Monty im Garten herumspringt, merke ich erst wie viel Blumen und Sträucher dort wachsen», erzählt sie. Da er alles mit der Schnauze untersucht, ist sie auch darum besorgt, giftige Pflanzen zu beseitigen. Sie schaut ihm gern zu, wie er Ameisen entdeckt, einer Hummel hinterherspringt oder sich über Heuschrecken freut. Dabei fällt ihr auf, dass es ihrem Empfinden nach früher viel mehr Heuschrecken gegeben hat. «Ich bleibe jetzt auch eher mal stehen, schaue mit ihm zusammen einem Schmetterling hinterher und bewundere dessen Farben», stellt sie fest. Dass der neugierige Vierbeiner nach Regentropfen schnappt und mit dem «Pfötli» prüfend in den Teich stupft, bevor er hineinspringt, findet sie besonders herzig.


Respekt als Grundhaltung

Ein Hund braucht regelmässig Auslauf. So ist Claudia Koch nun öfter draussen als früher und ist unmittelbarer dem Wetter ausgesetzt: der Hitze, windigen Böen und prasselndem Regen. Zu Beginn musste sie nachts öfters mit Monty Gassi gehen – eine Pflicht, die mit einem herrlichen Blick in den Sternenhimmel belohnt wurde. Zu entdecken gibt es auch viel bei dem kleinen Tier selber. «Wenn er vor einem Gebüsch zurückschreckt, wird mir klar, dass er gerade eine Vielzahl an Gerüchen wahrnimmt, eine Welt, die mir verschlossen ist», sagt Claudia Koch. In der Hundeschule lernt sie viel über die Eigenart von Hunden, wie sich ihre Körperhaltung deuten lässt und wie man darauf reagieren kann. Ziel ist es, eine gute Beziehung zum eigenen Hund aufzubauen. Claudia Koch fiel auf, wie oft vom Respekt vor dem Tier die Rede war: «Eine Übung, die auch unter Menschen gut tun würde.» 

Detlef Kissner, forumKirche, 18.8.20



SchöpfungsZeit 2020

«Und siehe, es war gut» – mit diesem Vers der Schöpfungserzählung sind wir eingeladen, unsere Augen zu öffnen für die Schönheit der Natur und für ihre Bedrohung (siehe auch www.oeku.ch). Nähere Infos zum Gottesdienst finden Sie unter www.kath-tg.ch.


 

Silvia Kummer in ihrem Garten
Quelle: Detlef Kissner
Silvia Kummer in ihrem Garten

 

 

 

Matthias Wenk im Wald oberhalb von St. Gallen
Quelle: Ueli Steingruber
Matthias Wenk im Wald oberhalb von St. Gallen

 

 

 

 

Claudia Koch mit ihrem Welpen Monty
Quelle: Christian Koch
Claudia Koch mit ihrem Welpen Monty

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