Was Musik einem Buddhisten bedeutet

Pema Wangyal trat mit 13 Jahren in Indien ins Kloster ein. Heute lebt er in der Mönchsgemeinschaft des Tibet-Instituts in Rikon im Tösstal. Musik spielt für ihn eine wichtige Rolle – bei religiösen Ritualen, aber auch zu seinem Vergnügen.

Der Klang des Schneckenhorns habe eine besondere Wirkung, sagt Pema Wangyal. Denn die «Muschel», wie er das Instrument bezeichnet, klingt angenehm. «Viele Lebewesen sind unruhig, haben Stress oder Angst. Der Muschelklang kann sie zufrieden stellen», sagt der buddhistische Mönch. Ein langer, gleichförmiger und schlichter Ton ist es, den der 43-Jährige während des Morgengebetes dem Instrument entlockt. Pema Wangyal ist einer der sechs Männer, die derzeit die kleine Klostergemeinschaft des Tibet-Instituts in Rikon in der zürcherischen Gemeinde Zell bilden. Ihr Morgengebet beginnt jeweils um sieben Uhr. Rund 40 Minuten dauert das Ritual an jenem Morgen. Die Gemeinschaft spricht zunächst Mantras. Ihre Oberkörper wiegen sich dabei leicht. Unmerklich und scheinbar fliessend wird aus der sonoren Rezitation ein eigentlicher mehrstimmiger Gesang – doch beim Morgengebet geschieht nichts spontan oder intuitiv: Jedes Wort ist festgelegt, jede Gesangsstrophe mit einer exakten Silbenzahl definiert.

Der Abt spielt die Handtrommel

Wenn das Schneckenhorn erklingt, greift ein Mitbruder zu den Cymbeln, ein weiterer Mönch zur Stielhandglocke, die sich auch mit dem in der anderen Hand gehaltenen «Zepter» anschlagen lässt. Auch der Abt lässt die Stielhandglocke erklingen, ihm ist zudem das Spielen der Handtrommel vor - behalten, als Zeichen für seinen Status als Vorsteher. Die Musik ist laut Pema Wangyal eine Methode, um Erleuchtung zu erlangen. Die Musik helfe, «in die Tiefe des geistigen Zustandes» zu gehen, um so die «Natur des Geistes» zu verstehen, wie er sagt. «Ein Ritual ohne Musik, das geht nicht.» Die Musik sei aber auch eine Opfergabe an die Bodhisattwas, die Erleuchtungswesen. «Mit der Musik haben wir sie in diesen Raum eingeladen.» Der Inhalt der gesungenen Strophen sei ganz einfach: «Heilige, kommt hierher. Wir möchten Segnung erlangen von euch. Wir bieten euch Musik dar.»

Musik geniessen

Wie viel Musik im Kloster gespielt wird, sei abhängig von den Neigungen und Fähigkeiten der einzelnen Mönche: Nicht alle spielen bei Ritualen ein Instrument, die Zusammensetzung der Gemeinschaft wechselt entsprechend eines Turnus. Die Mönche verpflichten sich in der Regel für einen sechsjährigen Aufenthalt in Rikon, manchmal kommen sie aus Tibet, meist aber aus Indien in die Schweiz.

Für Pema Wangyal war Musik immer wichtig, auch in der Freizeit. Er mag den Klang des Saxophons, die Stimme von Céline Dion, die Musik von Justin Timberlake und Herbert Grönemeyer. Als Kind hörte er George Michael. Heute geniesst er Jazz, aber auch Klassik, Pop und Rock. «Rockmusik ist kraftvoll und verrückt», sagt der Mönch, damit sei das Musikgenre gar nicht fern vom Buddhismus, denn: «Es gibt eine bestimmte spirituelle Praxis, die ebenfalls etwas verrückt ist.» Musik sei universell, sie bringe Freude und Glück. Musik ausserhalb des kultischen Kontexts sei für ihn spannend, ein Genuss für ein paar Minuten.

Ueli Abt/Red. (20.8.19)

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Für Pema Wangyal gehört Musik zum Gebet dazu.

Bild: Ueli Abt/kath.ch

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