Redewendungen aus der Bibel

«Ein Herz und eine Seele sein» meint, dass Menschen eng miteinander verbunden sind, dass sie mit dem anderen mitfühlen können und gut miteinander umgehen.

«Schau mal, die zwei sind doch ein Herz und eine Seele.» Das sagen wir meist dann, wenn wir die besondere Innigkeit und Zusammengehörigkeit eines Paares meinen, wenn Geschwister sich ausnehmend gut verstehen oder Freundinnen scheinbar nicht ohne einander sein können.

In der Apg 4,32 berichtet Lukas von einer Gemeinde der Gläubigen, die «ein Herz und eine Seele» war. Sie hatten alles gemeinsam und «keiner nannte etwas von dem, was er hatte, sein Eigentum». Die Gütergemeinschaft der Gläubigen erscheint als Frucht des idyllischen Verhältnisses der Gemeinde. Doch was bedeutet es, ein Herz und eine Seele zu sein? Schlagen die Herzen der beiden im selben Takt, verliert einer sein Herz an den anderen oder ist eine sprichwörtliche Seelenverwandtschaft gemeint? Das Herz hat in unserem Körper eine lebenswichtige Aufgabe. Der Herzschlag lässt uns leben. Hört unser Herz auf zu schlagen, ist unser irdischer Weg zu Ende. Neben dieser zentralen biologischen Aufgabe ist das Herz auch Raum des Willens (vgl. Jes 10,7) und der Gefühle. «Mir tut dies im Herzen weh» meint, dass wir einen Schmerz spüren, auch wenn es sich nicht um eine kardiologische Erkrankung handelt. Biblische Beispiele für den Schmerz im Herzen finden wir in Ps 13,3, und in 1Sam 1,8 ist das Herz der Hanna betrübt. Auch das Gefühl der Freude spüren wir in unserem Herz (Ps 4,8; Jer 15,16) und mit einem herzlichen Gruss wollen wir jemanden mit ganz besonderer und inniger Freude grüssen.

Die Seele ist kein Organ, wir können sie nicht fassen und wir haben auch kein Bild von ihr. Mit dem Begriff der Seele werden auch die Gefühlsregungen und geistigen Vorgänge im Menschen bezeichnet (vgl. Mk 14,34). Sie ist Trägerin von Vitalität oder Lebenskraft und existiert unabhängig vom Leib nach dem Tod weiter. Die Seele eines Menschen macht sein Ich, seine Person aus und betrifft den Menschen in seinem Innersten.

Die Gemeinde in der Apostelgeschichte war ein Herz und eine Seele. Gemäss diesem Vers müsste die Gemeinde mit ihrem Verstand und mit ihren Gefühlen, aber auch betreffend ihrer (Lebens-)Vitalität unvorstellbar gut harmoniert haben. Angesichts der Tatsache, dass eine Gemeinde aus mehr als nur zwei Personen besteht, die vermutlich an Verschiedenheit nicht zu überbieten wäre, hätte es sich um eine sehr grosse Leistung gehandelt. Anders gefragt: Welche Pfarrei kann heute von sich sagen, sie sei ein Herz und eine Seele? Oder können und wollen wir uns im Zeitalter von Individualität und Selbstverwirklichung eine solche Gemeinschaft überhaupt vorstellen?

Andrea Moresino-Zipper, Theologin und Journalistin

Ausgabe Nr. 12/2018

Bild: Alina Martin

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