Zur Erweiterung des Anti-Rassismus Gesetzes

Am 9. Februar wird in der Schweiz über die erweiterte Anti-Rassismus-Strafnorm abgestimmt. Diese soll Lesben, Schwule, Transmenschen und Bisexuelle besser vor öffentlichem Hass und vor Hetze schützen. Der Diskriminierung sind sie aber teilweise auch im kirchlichen Raum ausgesetzt, weshalb sich Marcel Schmidt vom offenen Netzwerk Kreuz & Queer in Zürich von allen Konfessionen eine klarere Haltung zur Abstimmungsvorlage wünscht.

Heute schützt das Strafrecht die Menschen in der Schweiz vor Diskriminierung aufgrund der Rasse, der Religion oder der Ethnie. Die aktuelle Gesetzeslage sieht jedoch keinen Schutz für die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung vor. Lesben, Schwule, trans- und bisexuelle Menschen sind somit vor dem öffentlichen Aufruf zu Hass und Hetze gegen sie sowie der systematischen Herabsetzung und Verleumdung ihrer Personen rechtlich nicht genügend geschützt. Immer noch und immer wieder werden diese Menschen in der Schweiz auf offener Strasse angepöbelt oder beschimpft. Medial bekannt wurden in den letzten Jahren auch mehrere Fälle von Spuckattacken oder schweren körperlichen Angriffen, die für die Opfer meist im Spital endeten. Damit Lesben, Schwule, Trans- und Bisexuelle im Falle solcher Anfeindungen künftig rechtlich besser abgesichert sind, soll die Anti-Rassismus-Strafnorm um das Kriterium «sexuelle Orientierung» erweitert werden. Dies hatte das Parlament im Dezember 2018 entschieden.

Auch die Kirche diskriminiert

Doch nicht nur im Internet oder auf der Strasse kommt es vermehrt zu diskriminierenden Aussagen und Handlungen, sondern auch in den Kirchen. Besonders als homosexueller Christ stehe man noch stärker im Fokus und sei öffentlichen Beleidigungen ausgesetzt, erklärt Marcel Schmidt vom offenen Netzwerk Kreuz & Queer, einer Anlaufstelle für homosexuelle Christen in der Region Zürich. Als solche vernetzt sie die Mitglieder christlicher LGBT-Gruppen miteinander. «Es passiert immer wieder, dass Homosexuelle aus ihren Gemeinden ausgeschlossen oder solange gemobbt werden, bis sie austreten. Gemeinsame Gottesdienstbesuche mit dem Partner oder der Partnerin sind ebenfalls höchst ungern gesehen und auch beleidigende Predigten des Pfarrers sind keine Einzelfälle», sagt Marcel Schmidt. Auch die Tatsache, dass Homosexuelle oft nicht als Freiwillige in ihrer Kirchgemeinde mitarbeiten dürften, dass man einige nach ihrem Outing entliess oder viele Gemeinden nicht einmal Segnungsfeiern für eingetragene Partnerschaftszeremonien anbieten würden, seien Beispiele dieser Diskriminierung.

Geistliche Heimat

Einerseits entstehe diese aus einer wörtlichen und übervorsichtigen Bibelauslegung, auf der anderen Seite hätten viele Christen Mühe mit ihrer eigenen Sexualität, würden sie als etwas Sündiges empfinden und unterdrücken, führt Marcel Schmidt aus. «Schwule und Lesben, die gemäss dem gängigen Klischee ihre Sexualität scheinbar grosszügig ausleben, bieten sich da als Feindbilder geradezu an.» Unter solchen Umständen sei es für viele von ihnen ein ziemlicher Effort gewesen, das christliche mit dem homosexuellen Leben in Einklang zu bringen, weiss Marcel Schmidt. «Dank den Organisationen für homosexuelle Christinnen und Christen haben sie sich von den Fesseln, die ihnen die Kirche an - gelegt hat, lösen können und leben heute in Freiheit, Würde und Zufriedenheit.» Auch in römisch-katholischen Gemeinden hätten mehrere Homosexuelle aus dem Netzwerk ihre geistliche Heimat gefunden und würden dort akzeptiert, so wie sie sind, erklärt Marcel Schmidt. «Besonders in der katholischen Kirche werden die Weisungen aus Rom in den einzelnen Ortsgemeinden je länger je mehr nicht mehr angewendet. Es gibt keine andere Konfession, in der die Denkweise der Kirchenführung und der Basis derart weit auseinanderklafft.»

Klare bischöfliche Haltung

Marcel Schmidt wünscht sich «eine Kirche, die Freude macht, die den Menschen zugewandt und mit den Armen und Ausgegrenzten solidarisch ist, die mit Hoffnung ansteckt und sich um das Wesentliche kümmert». Deshalb sei eine klarere Haltung aller Konfessionen in Bezug auf die Abstimmung am 9. Februar vonnöten. «Wir sehen das Evangelium nicht nur als Theologie, sondern auch unter dem politischen und sozialen Aspekt. Aus diesem Blickwinkel heraus sollten die Bischöfe für die Gesetzesanpassung einstehen. Antidiskriminierungspolitik und gleiche Rechte dürfen auch vor Kirchenmauern nicht Halt machen.» Gerade jetzt sei es wichtig, ein Zeichen zu setzen. «Homophobie, von beleidigenden Sprüchen bis hin zu tätlicher Gewalt, gehören zu unserem Alltag. Gerade in der Silvesternacht ist wieder ein schwules Paar mitten in Zürich verprügelt worden», erklärt er. Den Argumenten der Vorlagegegner, die Gesetzesrevision schränke die Meinungs-, Gewissens-, Glaubens- und Religionsfreiheit ein, setzt Marcel Schmidt entgegen: «Die Religionsfreiheit hört ganz klar dort auf, wo die Diskriminierung von Minderheiten beginnt, denn diese ist niemals christlich. Wir sind überzeugt, dass dies auch Gott so sieht. Die Menschenwürde gilt als unantastbar.»

Sarah Stutte (14.1.20)



News

Nein zu Anti-Rassismus-Vorlage Nein zu Anti-Rassismus-Vorlage
Für die Schweizerische Evangelische Allianz (SEA) ist die erweiterte Anti-Rassismus-Strafnorm für sexuelle Minderheiten «problematisch und überflüssig». Der Vorstand hat die Nein-Parole zur Vorlage beschlossen, über die am 9. Februar abgestimmt wird. Das geltende Recht biete genügend Ahndungsmöglichkeiten, teilte die SEA mit. Zudem sei ein Konflikt mit der Meinungsfreiheit absehbar. Der SEA-Vorstand habe die Parole im Bewusstsein gefällt, dass die Frage auch in kirchlichen Kreisen unterschiedlich beurteilt wird. 


 

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In Sachen Diskriminierung von Homosexuellen sollten auch die Kirchen mehr Farbe bekennen.
(Im Bild: Die Westerkerk in Amsterdam geschmückt mit einem Regenbogenbanner).

Bild: shutterstock.com

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