Eine Gräfin erfindet die Programmiersprache

Im 19. Jahrhundert durften Frauen nicht studieren und keine wissenschaftliche Karriere anstreben. Dennoch schrieb die Adlige Ada Lovelace (1815-1852) das erste Computerprogramm. Die Anerkennung ihrer Pionierarbeit erhielt sie jedoch erst knapp 100 Jahre später. Heute gilt sie als Ikone der Informatik. 

Schon als 12-Jährige ist sie fasziniert von Maschinen und der Vorstellung, fliegen zu können. Deshalb fängt sie an, unzählige Vogelarten bis ins kleinste Detail zu studieren, um das perfekte Verhältnis von Flügelweite und Körpergewicht herauszufinden. Dazu testet sie viele Materialien und entwickelt versuchsweise unterschiedliche Modelle. Zwar gelingt es ihr nie, wie ein Vogel in die Luft aufzusteigen, auch deshalb, weil sie als Kind oft krank ist und das Bett hüten muss, doch sie hält alle ihre akribischen Erkenntnisse und ausführlichen Zeichnungen in dem Buch «Flyology» fest, das auch einen Entwurf für ein dampfgetriebenes mechanisches Flugpferd enthält. 

Fernunterricht statt Universität 
Ada Lovelace kommt als Augusta Ada Byron zur Welt, am 10. Dezember 1815 in London als einziges eheliches Kind des bekannten englischen Dichters Lord Byron. Ihren Vater soll sie jedoch nie kennenlernen, denn kurz nach der Geburt trennen sich die Eltern und der exzentrische Poet kehrt England endgültig den Rücken. Ada's Mutter, ebenfalls eine Adlige mit einem regen Interesse an Mathematik und Philosophie, befürchtet, dass ihre Tochter das temperamentvolle Gemüt ihres Vaters geerbt haben könnte. Um dem entgegenzuwirken, bietet sie Ada die bestmögliche Ausbildung, die sich eher auf mathematische und technologische Fähigkeiten als auf «gefährliche» Poesie konzentriert. Da Frauen zu Ada's Lebzeiten nicht studieren dürfen, erhält sie Fernunterricht von Augustus De Morgan, angesehener Professor an der Universität London. Er bringt ihr Logik und Algebra bei und schätzt ihr mathematisches Talent sehr hoch ein, behält dies aber für sich, weil er ihr als Frau keine Chancen auf eine wissenschaftliche Karriere attestiert.  

Erste Programmiererin
Die Liebe für Maschinen ist es auch, die Ada's Freundschaft mit dem Mathematiker Charles Babbage begründet, den sie als 17- Jährige auf einem Empfang kennenlernt. Zu diesem Zeitpunkt arbeitet er an einem Prototyp seiner Differenzmaschine, die selbstständig addieren und subtrahieren kann. Ada Lovelace entwickelt über Jahre mit Babbage zusammen die Idee einer riesigen, mit einer gewaltigen Dampfapparatur betriebenen Konstruktion weiter, die auch zu komplizierteren Rechnungen fähig sein soll: der Analytischen Maschine. Dazu verfasst sie ihre eigenen Erläuterungen in insgesamt acht detaillierten Anmerkungen, schlicht «Notizen» genannt. Sie legen dar, welches Potential Ada in der Maschine sieht – nicht bloss ein Gerät für numerische Berechnungen, sondern ein Instrument, das auch Musiknoten, Buchstaben und Bilder verarbeiten könnte. Leider wird das Gerät nie gebaut, weil es mit den damaligen technischen Mitteln schlicht nicht realisiert werden kann. Doch Ada hat mit ihrer Vision die Idee des modernen Computers vorweggenommen, ungefähr ein Jahrhundert bevor Konrad Zuse die erste programmierbare Rechenmaschine konstruierte. In der inzwischen legendären «Notiz G» fügt Lovelace auch eine Anleitung zur Berechnung von Bernoulli-Zahlen bei, einen Algorithmus in grafischer Darstellung – und schreibt damit das erste Computerprogramm der Geschichte. Gemessen am Stand der damaligen Forschung sind ihre Notizen visionär. 

Jung gestorben 
1834, im Alter von 19 Jahren, wird Ada durch die Heirat mit dem Baron William King zur Baroness und vier Jahre später zur Gräfin Lovelace. Das Ehepaar lebt in London und Schottland und Ada bekommt drei Kinder. Zwar wird sie von ihrem Mann in ihren wissenschaftlichen Ambitionen unterstützt, der in Bibliotheken Artikel für sie abschreibt, da ihr der Zugang zu solchen verwehrt ist. Trotzdem bleibt für ihre Studien nicht mehr viel Zeit, will sie ihrer Rolle als Ehefrau und Mutter gerecht werden. Unglücklich darüber, sich nicht mehr ganz der Mathematik und ihrer zweiten Leidenschaft, der Musik, widmen zu können, stürzt sie sich ins Gesellschaftsleben, entdeckt Pferdewetten für sich und feilt an der Entwicklung eines mathematisch sicheren Wettsystems. Nach der Geburt ihres dritten Kindes wird Ada sehr krank. Sie leidet an starken Schmerzen und stirbt am 27. November 1852 an Gebärmutterhalskrebs. Ada Lovelace wird nur 36 Jahre alt – im selben Alter starb auch ihr Vater. Nach Ada’s eigenem Wunsch wird sie neben ihm im Familiengrab im englischen Hucknall beigesetzt. Nach ihrem Tod geraten ihre «Notizen» in Vergessenheit. Erst Mitte des 20. Jahrhunderts, mit Beginn des Computerzeit - alters, wird die Bedeutung ihrer Schriften erkannt und in den 1970er-Jahren wird die Computersprache ADA nach ihr benannt. Aufgrund ihrer Leistungen wird sie heute zu Recht als Pionierin der modernen Informatik bezeichnet. 

Sarah Stutte (27.04.20)



Siehe auch: Buchtipp Seite 14 und www.ada-lovelace-festival.ch (Festival in Zürich, um Frauen aus der Computer und Technologiebranche zu vernetzen). 
 

Porträt von Ada Lovelace
Porträt von Ada Lovelace um 1840.

Bild: © Wikimedia Commons/Alfred Edward Chalon, Science Museum Group

 

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