Über die Bedeutung von Biodiversität

«Geld kann man nicht essen.» Dieser Greenpeace-Spruch aus dem letzten Jahrtausend stimmt noch und gilt für vieles, womit Menschen die natürliche Welt möbliert und durch Bauten, Geräte, Stoffe und Müll ersetzt haben. Die Natur brauchte Millionen Jahre kein Geld, jetzt aber braucht sie es für Schutzmassnahmen, denn 60% der Insekten und 40% der Brutvögel sind gefährdet, 95% der Trockenwiesen und -weiden sind seit 1900 verschwunden.

Wir verlieren gerade unsere Lebensgrundlage als Folge einer Zivilisation, die der natürlichen Welt kaum noch Raum lässt und regenerative Kreisläufe zerstört. Es sterben weltweit innerhalb weniger Jahrzehnte Arten für immer aus, Rote Listen werden länger, noch intakte Lebensräume werden weiterhin rasant dezimiert, das Klima erhitzt sich. Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) schreibt mit Blick auf die Schweiz: «Ein Drittel aller Arten und die Hälfte der Lebensraumtypen der Schweiz sind gefährdet. Die punktuellen Erfolge können die Verluste, welche vorwiegend auf mangelnde Fläche, Bodenversiegelung, Zerschneidung, intensive Nutzung sowie Stickstoff- und Pflanzenschutzmitteleinträge zurückzuführen sind, nicht kompensieren. Biodiversitätsschädigende Subventionen verstärken die negative Entwicklung. Um die Leistungen der Biodiversität zu sichern, ist entschlossenes Handeln dringend notwendig.» 

Garage statt Teich
Ist es wirklich so schlimm? «Ja», sagt Toni Kappeler (77), Präsident von Pro Natura Thurgau, «es ist furchtbar zu sehen, was wir alles verloren haben. Wenn ich an meine Kindheit denke und meine Zeit als Primarlehrer: Wo der kleine Teich mit den Gelbbauchunken war, steht heute eine Garage. Von den Blumenwiesen ist nichts mehr zu sehen.» Toni Kappeler gibt ihnen eine engagierte Stimme.
Mancher denke, es sei schon intakte Natur, wenn Beton ausser Sichtweite ist. «Tatsächlich steht es auch im Thurgau schlecht um die Biodiversität, um Nahrungsketten, um Insekten, Vögel, Reptilien, Pflanzen, Wildtiere - vor allem, wenn sie auf Trockenrasen, nährstoffarme Böden, Rückzugsmöglichkeiten und spezielle Futterpflanzen angewiesen sind. Was sich hingegen massenhaft ausbreitet, sind eingeschleppte Arten, die einheimische verdrängen und die Probleme noch verstärken - wie etwa Quaggamuscheln und Kanadische Goldrute.»

Massnahmen wirken
Seit 2009 führt der Kanton Thurgau ein Biodiversitätsmonitoring durch, das nicht nur die Dramatik zeigt, sondern auch hoffen lässt: Denn Massnahmen, die die Artenvielfalt fördern, wirken! Genau dafür setzt sich Toni Kappeler seit Jahrzehnten ein, auch im Grossen Rat, dem er 18 Jahre lang angehörte. Es ist ihm immer wieder gelungen, Verbündete und Mehrheiten zu finden. So hat er zusammen mit Nationalrat Kurt Egger eine breit abgestützte Volksinitiative für Biodiversität (2020) ausgearbeitet. Sie bewirkte, dass der Thurgau erstmalig eine vielversprechende Biodiversitätsstrategie mit konkretem Massnahmenplan erhält in den Bereichen Kerngebiete schützen, Lebensräume besser vernetzen, Arten gezielt fördern sowie Wissen über Zusammenhänge in der Biodiversität bei Berufsgruppen und Bevölkerung stärken. Denn alle sind gefordert.
Naturschutzorganisationen wie Pro Natura, die auch Schutzgebiete betreut, bieten schon lange interessante Kurse, Publikationen und Hilfsmittel an. Kirchgemeinden - besonders die mit dem Umweltmanagement Grüner Güggel - fördern grosszügig Lebensräume für Tiere und Pflanzen und freuen sich daran. 

Wunderbare Vielfalt
Papst Franziskus schreibt in der Enzyklika «Laudato Si», dass uns die natürliche Welt guttue und jedes Geschöpf eine Botschaft des Schöpfers trage. Wir hätten kein Recht, Arten auszurotten. Die Schönheit der Schöpfung wirke belebend, die wir so oft durch Hässlichkeit ersetzten. «Der Schöpfungsgedanke ist mir sehr wichtig», betont Toni Kappeler. «Wir haben uns nicht selbst geschaffen. Wir sind Teil eines wunderbaren Ganzen, einer Vielfalt, deren Zusammenspiel Leben erst ermöglicht, auch das unsere.»

Gaby Zimmermann, 07.06.2023


Serie Biodiversität
Mit diesem einführenden Artikel beginnt eine Serie zum Thema Biodiversität. Es werden in den nächsten Ausgaben von forumKirche Massnahmen und Projekte vorgestellt, die dem Erhalt von Pflanzen und Tieren dienen. Sie werden auf den Arealen von Kirchgemeinden realisiert, die grösstenteils dem Grünen Güggel angehören. Die einzelnen Beiträge sollen für das Thema sensibilisieren und zur Nachahmung anregen.       Red.


Weitere Informationen zum Thema Biodiversität:

BAFU
Amt für Raumentwicklung TG 
Pro Natura 
Thurgauer Vogelschutz 
WWF 
Bioterra
Laudato Si
Grüner Güggel Schweiz
Grüner Güggel Thurgau

 

 

Eine Wiese am Bommer Weiher mit vielen unterschiedlichen Blumen
Quelle: Manfred Herzog
Eine Wiese am Bommer Weiher mit vielen unterschiedlichen Blumen

 

 

Toni Kappeler
Quelle: zVg
Toni Kappeler

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