Wege zu mehr Gleichberechtigung in der Kirche

Im Rahmen der Pastoralkonferenz Thurgau blickte die St. Galler Theologin Hildegard Aepli auf das Projekt Kirche mit* den Frauen zurück, das sie 2016 mit anderen Mitstreiter*innen durchgeführt hatte. Sie erzählte die Geschichte des Pilgermarsches, sprach über ihre Vorkehrung, Enttäuschungen vorzubeugen, und stellte internationale Initiativen vor, die sich in ähnlicher Weise für eine geschwisterliche Kirche einsetzen. 

Am 2. Mai 2016 brachen neun Pilger*innen von St. Gallen nach Rom auf, um sich dort für mehr Gleichberechtigung stark zu machen. Über 1'400 Menschen solidarisierten sich mit dem Projekt, indem sie die Pilgergruppe einen Teil des Weges begleiteten. Das Interesse der Medien war riesig. Hildegard Aepli stellte den Thurgauer Seelsorgenden Kirche mit* den Frauen als «ein spirituelles Projekt mit kirchenpolitischem Anliegen» vor. Es sei von Anfang an klar gewesen, dass man nicht explizit die Frauenordination einfordern wolle. «Das hätte nur zu Konfrontation geführt», so die Theologin. Die Initiator*innen einigten sich stattdessen auf die Forderung, dass in Zukunft nicht mehr ohne Frauen über deren Rolle und die Belange der Kirche entschieden werden solle. Der kleine Stern im Projektnamen signalisiere etwas Einschliessendes, erklärte Hildegard Aepli. Alle sollten dazugehören, auch die Frauen. 

Offene Türen

Die Idee zu diesem Projekt kam Hildegard Aepli, als sie am Buss- und Bettag «faul herumlag». Unsicher, ob sie sich in dieses Minenfeld der Gleichstellung begeben sollte, konsultierte sie zwei Freunde, mit denen sie schon andere Pilgerprojekte organisiert hatte. Beide sagten ihr spontan zu. Als Mitarbeiterin des Ordinariats St. Gallen war es ihr auch wichtig, Bischof Markus Büchel einzubeziehen, der sich dem Projekt gegenüber sehr aufgeschlossen zeigte. «Alle Türen sind aufgegangen», kommentierte sie die Entwicklungen in dieser Zeit. Es bildete sich ein Kernteam, das das Projekt so vorbereitete, dass Interessierte etappenweise zur Pilgergruppe dazustossen konnten. Zu den Begleitern gehörte auch ein junges Filmteam, das einen 110-minütigen Dokumentarfilm über das Projekt drehte. 
Der Pilgerweg endete am 2. Juli mit einem Marsch zum Petersdom, auf dem mit Transparenten eine Kirche mit* den Frauen gefordert wurde. «Daran nahmen etwa 800 Menschen aus der Schweiz, Südtirol und Österreich teil», sagte Hildegard Aepli. Diese feierten zum Abschluss eine Eucharistiefeier im Petersdom. 

Aufbruch von unten

Dass weder Kardinal Koch noch ein anderer Vertreter des Vatikans der Schweizer Pilgergruppe Beachtung schenkte, liess die Pilger*innen nicht unberührt. «Wir hatten bis zuletzt gehofft, dass Papst Franziskus uns begrüsst», gestand die Theologin. Frustriert sei sie aber nicht gewesen. Die Kerngruppe hätte sich von Anfang an gesagt, dass sie sich von dem, was in Rom passiere, unabhängig mache. 
Am 25. November 2016 wurden Papst Franziskus schliesslich die Unterlagen zum Projekt überreicht. Die Antwort des Papstes, dass er diese aufmerksam lese, war für Hildegard Aepli ein hoffnungsvolles Signal. Obwohl sich in der Frauenfrage seither wenig bewegt hat, bleibt sie optimistisch. Von unten her, in einer «Graswurzelbewegung», sei bei vielen Gläubigen die Überzeugung gewachsen, dass nur eine geschwisterliche Kirche eine Zukunft habe. «Der Stein rollt unaufhaltsam» zitierte sie eine befreundete Pilgerin. Die grosse Herausforderung bestehe darin, sich unabhängig zu machen, eigene Schritte zu gehen, ohne dabei den Boden der Kirche zu verlassen.

Internationale Verbundenheit

Wie vielfältig sich die kirchliche Frauenbewegung heute präsentiert, zeigte Hildegard Aepli in einem Überblick auf. In Deutschland wurde 2019 die Initiative Maria 2.0 ins Leben gerufen, die zu einem Kirchenstreik aufrief. Sie wird vor allem von den Frauenverbänden getragen. In Österreich führten Frauen von Ostern bis Pfingsten 2019 eine Aktion durch, die in einem Buch mit dem Titel «bleiben. erheben. wandeln» dokumentiert ist. In Frankreich bewarb sich Anne Soupa, Mitglied des Comité de la Jupe, auf die vakante Stelle des Erzbischofs von Lyon. In Spanien forderten Frauen am Weltfrauentag den Diakonat und die Priesterweihe von Frauen. Eine wichtige Funktion schrieb Hildegard Aepli dem Catholic Women's Council zu, weil diese Einrichtung die Anliegen der kirchlichen Frauenbewegungen auf der ganzen Welt bündele und ihnen damit grösseren Nachdruck verleihe. Nach engagierten Diskussionen in Kleingruppen einigten sich die anwesenden Seelsorgenden darauf, dieses sehr drängende Thema in einer der nächsten Konferenzen weiter zu vertiefen.

Detlef Kissner, forumKirche, 01.12.2021
 

Hildegard Aepli
Quelle: Detlef Kissner
Hildegard Aepli deutet das Symbol des Projekts: Wie bei einem Reissverschluss soll Christus Frauen und Männer zusammenführen.

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