Biodiversität aus der Sicht eines Landwirts

In der Ausgabe 9 von forumKirche wurde über eine Initiative berichtet, die sich das Ziel gesteckt hat, die Biodiversität im Thurgau zu fördern. Als Landwirt kann Benjamin Stadler dieses Anliegen grundsätzlich mittragen, problematisch wird es für ihn aber, wenn damit Einschränkungen bei der Nahrungsmittelproduktion verbunden sind. In einem Gespräch erklärt er die komplexen Zusammenhänge und den daraus resultierenden Konflikt zwischen Ökologie und Landwirtschaft.

Benjamin Stadler liebt seinen Beruf: «Man kann daheim arbeiten, ist selbstständig, kommt immer mit Tieren und der Natur in Berührung und erlebt die Jahreszeiten mit. Es ist wahnsinnig schön.» Die Begeisterung steht ihm ins Gesicht geschrieben. Als Wermutstropfen empfindet er die Bürokratie in Verbindung mit landwirtschaftlichen Programmen und die damit einhergehenden Kontrollen. Doch damit hat er sich arrangiert.

Seit fünf Jahren sind Benjamin Stadler und seine Frau Monika in der Landwirtschaft tätig. Im Vollerwerb produzieren sie vor allem Milch, Brotweizen, Raps und Mostobst. Die Tierzucht sei wegen ihres hohen Ressourceneinsatzes in letzter Zeit in Verruf geraten, gibt der 32-Jährige zu bedenken: «Aber bei uns lässt sich die Hälfte der Anbauflächen nur zur Produktion von Heu oder als Weide nutzen, weil sie zu steil sind oder Hochstammbäume dort wachsen.» Ackerbau ist dort gar nicht möglich.

Düngung muss möglich sein

Im Artikel über die Biodiversitätsinitiative stiess er auf die Idee, dass man im Hudelmoos «den Nährstoffeintrag aus dem umliegenden Landwirtschaftsland» reduzieren möchte. Solche Pläne kann er nicht gutheissen. Denn wenn man auf den Äckern weniger Dünger einsetzt, leidet der Ertrag. Benjamin Stadler ist aber überzeugt: «Wir müssen die Lebensmittelproduktion in der Schweiz hoch halten.» Obwohl er biologische und nachhaltige Anbau-Methoden befürwortet und ihm die Artenvielfalt als Bauer ein grosses Anliegen ist, setzt er auf eine intensive Landwirtschaft. Die Gründe, die dafür sprechen, sind vielfältig. Zum einen findet er es unverantwortlich, Lebensmittel aus Ländern wie z. B. Brasilien zu importieren, in denen Menschen hungern. Zum anderen erhöht ein geringerer Ertrag bei gleichem Einsatz von Ressourcen den ökologischen Fussabdruck. Wenn die benötigten Lebensmittel längere Transportwege zurücklegen und die Gülle, die dann nicht als Dünger verwendet werden kann, im Gegenzug abtransportiert wird, wirkt sich dies ebenso negativ auf die Ökobilanz aus. Ähnlich verhält es sich mit dem Einsatz von Herbiziden. Verzichtet man darauf, sinkt die Produktion. Benjamin Stadler spricht sich für eine angemessene Anwendung aus. Gegenüber früher habe man diese sowieso schon stark gesenkt: «Letztes Jahr habe ich 400 g Herbizid gebraucht, um die Weizenäcker unkrautfrei zu halten. Damit konnte ich 32,5 t Weizen ernten.» Auf mancher Rasenfläche kämen vergleichbare Mengen Pflanzenschutzmittel zum Einsatz, allerdings mit einem weitaus geringeren Nutzen.

Andere sind gefragt

Aus der Sicht von Benjamin Stadler hat die Schweiz mit ihren vielseitigen Landschaften ein hohes Niveau an Biodiversität. Die Landwirtschaft leiste mit ihrer nachhaltigen Produktionsweise heute schon einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz und zum Erhalt der Biodiversität. Bauern, die wie er am Ökologischen Leistungsnachweis (ÖLN) teilnehmen, müssten ein grosses Regelwerk erfüllen, z. B. sieben Prozent ihrer Felder als ökologische Ausgleichsfläche anlegen oder eine geregelte Fruchtfolge einhalten. Von daher sieht er nicht die Bauern in der Pflicht, mehr für die Umwelt zu tun: «Auch andere sollen ihren Beitrag dazu leisten. Gesellschaftliche Bereiche wie die Energiegewinnung, die allgemeine Mobilität, der Flugverkehr oder die Mobilkommunikation haben einen sehr grossen Einfluss auf die Natur.» Er bedauert, dass die Politiker kaum Mut haben, gerade in den letzten beiden Bereichen regulierend einzugreifen.

Wunsch nach Planungssicherheit

Von der Politik wünscht sich Benjamin Stadler längerfristige Entscheidungen, die den Landwirten Planungssicherheit geben: «Viele Massnahmen setzen wir nicht um, weil die Politik zu schnell wechselt.» Als Beispiel nennt er die Düngung mit Gülle. Der Kanton habe zunächst den Kauf von Schleppschlauchverteilern stark gefördert. Fünf Jahre später sei die Förderung verringert und die Verfügung erlassen worden, dass man weniger düngen darf.

Dem ökologischen Engagement der Kirche steht Stadler, der sich als Präsident der Kirchenvorstehenschaft Schönholzerswilen engagiert, kritisch gegenüber. Sie sollte sich weniger in politische Angelegenheiten einmischen und eher den Menschen in den Mittelpunkt stellen.

Detlef Kissner (11.6.19)

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Benjamin Stadler und seine Frau Monika leben zusammen mit ihren Kindern auf einem Hof bei Schönholzerswilen.

Bild: Detlef Kissner

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