Redewendungen aus der Bibel

Mit der Redewendung «Den Seinen gibt‘s der Herr im Schlaf» bringen wir zum Ausdruck, dass jemand ohne grosse Mühen seine Ziele erreicht, Erfolg hat oder Anerkennung erhält, dass ihm alles, was ihm gut tut, einfach zufällt.

Erstaunlich, wie viele Redewendungen sich um den Schlaf drehen. Wer schläft, sündigt nicht. Das hast du wohl verschlafen. Da hättest du eben früher aufstehen müssen. In der Bibel heisst es: «Es ist umsonst, dass ihr früh aufsteht und euch spät erst niedersetzt, um das Brot der Mühsal zu essen; denn der Herr gibt es den Seinen im Schlaf.» (Ps 27)

Längst ist aus diesem biblischen Satz ein gängiges Sprichwort geworden: Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf. Das klingt meistens spöttisch, augenzwinkernd. Manchmal schwingt auch ein wenig Neid mit. Manchen scheint im Leben ja tatsächlich alles einfach nur so zuzufliegen: In der Schule die Sechsen, bei Festen die Herzen der Menschen, die Erfolge im Beruf. Was tun wir nicht alles, um erfolgreich zu sein! Tag für Tag: Früh aufstehen, lange arbeiten, mit Sorgen essen. Am besten noch früher aufstehen, um noch mehr zu schaffen, bis spät in die Nacht hinein am Rattern bleiben. Als gäbe es kein Morgen.

Da trifft der Spruch einen Nerv. Es ist vergeblich, wenn ihr meint, ihr könntet eurem Leben dadurch Sinn geben, dass ihr euch abrackert und sorgt und macht und tut. Gott gibt uns das, was wir am nötigsten brauchen, «umsonst», im Schlaf. Auf einmal bedeutet das Wort «um-sonst» nicht mehr «vergeblich» wie am Anfang des Verses, sondern «gratis», geschenkt. Gott schenkt mir, was das Leben sinnvoll und wertvoll macht. Umsonst. Ohne Gegenleistung.

Wer schläft, kann nichts tun, muss auch nichts tun. Ich bin in der Hand eines Grösseren geborgen. Darum kann ich beruhigt schlafen. Tatsächlich kann man den Psalmvers auch anders übersetzen: Der Herr gibt den Seinen Schlaf. Wir wissen heute, dass unser Gehirn im Schlaf die grösste geistige Leistung vollbringt, ohne dass wir was davon mitkriegen. Da arbeitet das Gehirn wie eine Mülltrennanlage. Der Alltag wird sortiert. Wichtiges vom Unwichtigen getrennt. Probleme werden gelöst, Erfahrungen verarbeitet. Das wussten die Psalmbeter schon vor zweieinhalbtausend Jahren!

Und warum nicht auch beim Beten schlafen? «Wenn ich bete, schlafe ich manchmal ein», sagte Papst Franziskus dem italienischen Fernsehsender TV 2000. Selbst die heilige Therese von Lisieux sei öfter eingeschlafen. Und in den Psalmen stehe, wir sollten uns beim Gebet fühlen, als lägen wir wie ein kleines Kind im Arm der Mutter – ein Ort, an dem man eben gerne einschlafe.

Theodor Pindl, Wirk Raum Kirche St. Gallen

Ausgabe Nr. 17/2018

Bild: Alina Martin

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