Vorteile und Schwierigkeiten des Konzeptes Gastfamilie

Der Ukraine-Krieg hat eine Welle der Solidarität ausgelöst in der Schweizer Bevölkerung. Einige Familien haben bei sich Geflüchtete aufgenommen. Welche Dinge es dabei zu beachten gilt, wird im Folgenden aufgezeigt.

Erste Analysen bestätigen, dass die Integration von Geflüchteten besonders gut gelingt, wenn sie in Gastfamilien untergebracht sind. Denn diese unterstützen bei Alltagsfragen, Behördengängen, der Gesundheitsversorgung, dem Erwerb der deutschen Sprache, der Suche nach einem Arbeitsplatz oder einer Wohnung sowie bei der Kinderbetreuung. Zudem werden durch den engen Austausch Vorurteile abgebaut und das gegenseitige Verständnis gefördert. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe SFH – der Dachverband der im Bereich Flucht und Asyl tätigen Organisationen, zu denen auch HEKS und Caritas gehören – möchte diese Art von Unterbringung auch für Geflüchtete anderer Länder etablieren. Gleichzeitig ist sich die SFH der Schwierigkeiten bewusst, die vorkommen können. Grösstenteils bestehen diese in sprachlichen Hürden sowie in den unterschiedlichen kulturellen Auffassungen und unterschiedlichen Erwartungen. Eine engagierte Gastfamilie entlastet die Behörden langfristig. Deshalb ist es sinnvoll, sie zu Beginn zu unterstützen. Die SFH stellt deshalb Informationsmaterial zur Verfügung und fordert schweizweit einheitliche Standards für die Vermittlung von Gastfamilien sowie für deren Begleitung und finanzielle Entschädigung. 

Transkulturelle Kompetenz
Die SFH unterstützt Gastfamilien durch Gespräche und Kurse. Letztere können von Gastfamilien gratis besucht werden, beispielsweise zum Thema «Transkulturelle Kompetenz». Wie kann eine tragfähige Beziehung im gegenseitigen Verständnis über kulturelle Differenzen hinweg aufgebaut werden? Im Austausch mit Betroffenen und Fachpersonen entwickeln die Teilnehmenden ihr Wissen und ihre Fähigkeiten weiter und lernen den Ansatz der transkulturellen Kompetenz kennen. Zusätzlich zeigt dieser Kurs auf, dass Krieg, Flucht und Migration tiefgreifende Erfahrungen sind, die seelischen Schmerz hinterlassen. Dieser ist für Aussenstehende oft nicht sichtbar. Das Zusammenleben fordert alle Beteiligten heraus, manche stossen dabei an ihre Grenzen.
Wer sich überlegt, Gastfamilie zu werden, sollte sich Folgendes bewusst sein: Die Erwartungen sollten nicht allzu hoch sein, denn geflüchtete Menschen haben in der Regel ganz andere Prioritäten als ihre Gastgeber*innen. Gastfamilien sollten sich darauf einstellen, einen geflüchteten Menschen für einen längeren Zeitraum aufzunehmen, um ihm ein stabiles Umfeld zu bieten. Ideal sind sechs Monate und mehr. Eine Obergrenze festzulegen, ist aber ratsam. Zudem sollte man Zeit einplanen, um die geflüchteten Gäste in deren Alltag zu unterstützen und ihnen zu helfen. Ein abschliessbares Zimmer oder mindestens ein abgegrenztes Zimmer ist zentral. Der Wohnraum sollte Rückzugsmöglichkeiten bieten, denn zu viel Nähe ist auf Dauer belastend. Für die Geflüchteten muss der Zugang zu Badezimmer und Kochgelegenheit gewährleistet sein. 

Zuhören statt werten
Eveline Husmann leitet das Ukraine-Büro von Katholisch Stadt Zürich. Ihr Ratschlag für Gastfamilien lautet: «Den Menschen auf Augenhöhe begegnen und ihnen auch etwas zumuten, nicht alles für sie tun wollen. Und: die Unterschiede aushalten und die eigenen Grenzen ernst nehmen.» (forum Zürich 3/2023) Das «Merkblatt für den Alltag der Gastfamilien» des SFH gibt noch weitere Tipps: sich zurückzuhalten mit Kommentaren über Politisches. Oft ist die Situation im Herkunftsland komplexer, als wir es in der Schweiz mitkriegen. Die einquartierten Menschen sollten möglichst Alltagsroutine erleben, sei es durch regelmässige gemeinsame Mahlzeiten, Spaziergänge oder indem sie in die Gartenarbeit oder ins Vereinsleben eingebunden werden. Gastfamilien können auch unterstützen, indem sie Offenheit signalisieren und einfach zuhören, wenn die Geflüchteten über ihre Erfahrungen reden möchten. Es sollten weder Ratschläge erteilt noch das Gehörte kleingeredet oder dramatisiert werden. Merken Gastfamilien, dass sie aufgrund der Schilderungen an ihre eigene Belastungsgrenze kommen, sollten sie zum Selbstschutz Hilfe in Anspruch nehmen. 

Béatrice Eigenmann, forumKirche, 08.06.2023


Weitere Infos


Gastfamilie sein

Schweizerisches Rotes Kreuz
Kanton Thurgau
Sibylle Treu
Tel. 071 626 50 80
freiwillige@srk-thurgau.ch

Kanton Schaffhausen
Sozialamt
Haus der Kulturen
Marijana Schober
Tel. 052 632 67 45
marijana.schober@sh.ch
 

Gastfamilie
Quelle: Priska Ketterer/Caritas Schweiz
Regelmässige Treffen mit der Gastfamilie helfen, den Flüchtlingsalltag zu strukturieren.

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