Samenzucht aus Sicht eines Experten

Robert Zollinger gilt als Pionier im Anbau von Schweizer Bio-Saatgut, welcher in Amriswil seinen Anfang nahm. Er begrüsst deshalb die aktuelle ökumenische Kampagne, die das Saatgut weltweit in den Mittelpunkt stellt.  

«Am Anfang, in den achtziger Jahren, da sind meine Frau Christine und ich noch belächelt worden», sagt Robert Zollinger mit einem Schmunzeln. Wie sollten die Nachbarn auch verstehen, dass die Zollingers die wunderbar gewachsenen Salate nicht ernteten, sondern einfach stehen liessen. «Um des Saatguts willen natürlich», erklärt er. Mit den Jahren wunderten sich die Nachbarn nicht mehr und die Zollingers machten auf ihren wenigen Hektaren Land in Amriswil immer mehr Fortschritte. Da die Arbeit mit Saatgut Langfristigkeit bedingt und das Klima hier zu nass, kalt und neblig war, schauten sich die Samenzüchter nach Land in einer wärmeren Klimaregion um. Fündig wurden sie im Wallis, in Les Evouettes nahe am Genfersee, wo heute der Stammbetrieb mit 30 Hektaren Land und zwei Hektaren Glashäusern liegt. «Ein Ort mit idealen Bodenverhältnissen und genügend Grundwasser», schwärmt Zollinger.

Erfahrung bricht weg

Der biologische Zucht- und Vermehrungsbetrieb für Gemüse-, Kräuter- und Blumensamen soll es laut dem diplomierten Landschaftsökologen den Gärtnerinnen und Gärtner ermöglichen, eigenes Saatgut nachzunehmen. Auch soll damit die Ernährungssouveränität gewährleistet werden, um der Abhängigkeit beim Kauf von Saatgut von Multikonzernen entgegenzuwirken. Probleme mit Saatgut hat Zollinger selber in Afrika, konkret in Mali und Kenia, kennengelernt. «In beiden Ländern wird traditionell Hirse angebaut, ein Grundnahrungsmittel, das wenig anfällig auf Trockenheit ist. Mais gilt jedoch als edler, obwohl der Anbau heikler ist. Die tragische Folge daraus: Es gibt kein Hirse-Saatgut mehr, da es entweder gegessen oder vernachlässigt wurde», sagt Zollinger. Bricht das Saatgut weg, bricht auch die Erfahrung um das traditionelle Wissen wie etwa Einsaat, Ernte und Lagerung weg.

Eigenes Saatgut ziehen

Erfreulich für Zollinger ist, dass Saatgut immer noch weitergegeben oder dem Betrieb zugestellt wird, möglichst mit dem Ziel, das Saatgut zu verbessern und es einer breiten Kundschaft zugänglich zu machen. «Unsere Sorten sind für eine kleinstrukturierte Produktion gedacht», so Zollinger. Gentechnisch veränderten Sorten steht er ablehnend gegenüber. Man dürfe nicht auf der technischen Argumentation in Bezug auf Ertrag oder Resistenz stehenbleiben, sondern müsse auch den ethischen Aspekt miteinbeziehen. Deshalb begrüsst er es, dass sich die Kirchen für dieses Thema stark machen. Um junge und auch urbane Menschen anzusprechen, hat Zollinger das Projekt Samengemeinschaftszucht (Sagezu) lanciert, das vom Bundesamt für Landwirtschaft unterstützt wird. Eine solche Gartengemeinschaft findet sich in Frauenfeld, konkret im Klösterli-Garten der katholischen Kirchgemeinde St. Anna, wo der Verein Offenes Gärtnern in Frauenfeld (OGiF) tatkräftig mitwirkt und eigenes Saatgut zieht.

Claudia Koch (17.3.20)
 

Saatgut
Bio-Saatgut-Pionier Robert Zollinger bei der Arbeit. Bild: zVg

 

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