Christen in Jordanien

Jordanien ist ein wunderschönes Land, dessen Bevölkerung mehrheitlich muslimisch ist. Trotzdem leben dort über 230’000 Christen; von deren Leben erzählte uns Amira Haddad*, die in Jordanien geboren wurde und seit ihrer Kindheit in der Schweiz lebt.

Pflegen Sie Ihre arabischen Wurzeln?

Wir haben als Kinder und Jugendliche viele Sommer in Jordanien verbracht. Während dem Studium wohnte ich sogar ein paar Wochen bei Verwandten, um die Kultur besser zu verstehen. Die Leute dort sind besonders gastfreundlich, grosszügig und herzlich. Mit einigen Cousinen kommuniziere ich gelegentlich via Soziale Medien. Besuche sind mittlerweile seltener geworden, aber mein Mann und ich waren schon einmal mit unserem Erstgeborenen da, und im nächsten Jahr möchten wir Jordanien auch dem zweiten Kind zeigen. Mein Vater fliegt bis zu dreimal im Jahr hin und ist auch mit Jordaniern hier in der Schweiz befreundet.

Geben Sie Ihren Kindern die Sprache weiter?

Ich spreche einen Dialekt, den ich nur vom Zuhören gelernt habe. Hocharabisch ist für mich jedoch ziemlich herausfordernd. Und da es nicht meine Muttersprache ist, kann ich meinen Kindern Arabisch leider nicht weitergeben. Glücklicherweise kennen sie dessen Klang von meinem Vater. Mit manchen Cousinen schreibe ich auf «Chat-Arabisch», eine Kunstsprache, die arabische Zeichen durch lateinische Buchstaben und Ziffern ersetzt.

Wie leben die Christen in Jordanien?

Christen sind offiziell zwar frei, Missionieren ist dennoch verboten. Es gibt gemischte Ehen zwischen Muslimen und Christen, ihre Kinder werden aber automatisch im Geiste des Islams erzogen, eine Wahl bleibt nicht. Die Kirche darf offiziell Heirat, Taufe, Erbschaft und Scheidung der Christen regeln. Sie erhielten sogar offizielle Feiertage, wie Weihnachten, Palmsonntag und Ostern. Beim Taufplatz am Jordan hat jede bereits bestehende Konfession ein Stück Land bekommen, um eine Gedenkstätte oder kleine Kapellen bauen zu können. Es gibt zwar aus Konkurrenzgründen keine wahre Ökumene, doch gegen aussen halten Christen zusammen.

Werden in Jordanien besondere christliche Rituale gepflegt?

Auf jeden Fall. Das beste Beispiel ist die Beerdigung. Auf dem Friedhof treffen sich dort nur Männer. Bei der dreitägigen Trauerfeier zuhause oder in einem Versammlungslokal sind Frauen und Männer in unterschiedlichen Räumen, es werden mitgebrachter Kaffee und Süssigkeiten konsumiert. Speziell ist, dass parallel zu den Wehklagen häufig Verkupplungen stattfinden. Allgemein ist der Friedhof ein Feiertags- Treffpunkt, man trinkt dort zusammen Kaffee und isst Backwaren. Früher ging man an hohen Feiertagen von Haus zu Haus und gratulierte einander, heute begegnen sich viele Familien an ihren eigenen Besammlungsstellen. In grossen Städten gibt es mittlerweile sogar Versammlungsorte, wo sich Muslime und Christen gegenseitig gute Wünsche zu ihrem Fest überbringen.

Was wünschen Sie sich für Jordanien?

Für Jordanien wünsche ich mir mehr Gerechtigkeit und Toleranz gegenüber den immer noch benachteiligten Christen. Unsichtbare Barrieren für Christen sind in der Militär- und Geschäftswelt nur allzu gut spürbar, Muslime werden klar bevorzugt. Es gibt auch Firmen, die nur verschleierte Frauen einstellen. Generell verbreitet sich Verschleierung in Jordanien mehr und mehr, teilweise wird sie auch durch Geld aus anderen muslimischen Ländern gefördert. Als Reiseziel ist Jordanien nicht gefährlich, aber gewöhnungsbedürftig. Die Strassen werden durch viel bewaffnetes Militär und Polizeikontrollen geschützt. Passkontrollen und Fragen zum Zweck des Aufenthaltes gehören daher zur Tagesordnung. Für Frauen empfiehlt sich bescheidene Kleidung, welche nicht viel nackte Haut zeigt. Wenn man als Reisender anpassungsfähig ist, gibt es in Jordanien keine Probleme. In Europa herrscht leider ein fatales Klischee: wer Arabisch spricht, ist sicherlich Muslim und damit ein potenzieller Terrorist. Das ist sehr traurig.


* Name von der Redaktion geändert


Text & Übersetzung: Monika Freund Schoch (5.3.19)


Life of the minority

Christians in Jordan

Jordan is a fascinating country, inhabited mostly by the Muslim population. Nevertheless, more than 230,000 Christians live there. Mrs. Amira Haddad*, who has been living in Switzerland since her childhood, explained us life conditions in her fatherland.

Growing up Mrs. Haddad spent many summers in Jordan and also now with her own family visits her fatherland every other year. She says: «People there are especially hospitable, generous and welcoming». Occasionally she’s writing with using «chat-Arabic» (Latin signs). «I speak only a dialect that I learned from listening. High Arabic is pretty challenging for me though, so I don’t teach it to my children, but they learn it from my father» mentions Mrs. Haddad.

Christians in Jordan

Christians are officially free, yet evangelizing is forbidden. In mixed marriages between Muslims and Christians, children are automatically raised in Islam, there is no choice. The church is certified by the government to administrate marriage, baptism, inheritance and divorce for Christians. Christians even received official holidays such as 25/26/12, 1/1, Palm Sunday and Easter. At the baptismal site of the Jordan, every approved denomination has been given a piece of land so that they can build a memorial or a small chapel.

Wishes for the future

«I would like to see more justice and tolerance for Christians in Jordan», says Mrs. Haddad. In the military and business world there are invisible barriers for Christians, e.g. if the same or even better credentials are used, the Muslim will still be chosen. The streets are protected by heavily armed military and police controls. «You have to show your passport and explain who you are and what you do in Jordan, which can be disturbing, but if you are adaptable, there are no problems». However, women should avoid big skin-exposal. 


Ausgabe Nr. 05/2019


 

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Das Kreuz auf dem Berg Nebo in Jordanien – von hier aus blickte Moses über das Gelobte Land von
Kanaan.

Bild: pixabay.com

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