Kampagne «16 Tage gegen Gewalt an Frauen*»

Seit 2008 organisiert die feministische Friedensorganisation cfd jährlich die Kampagne «16 Tage gegen Gewalt an Frauen*». Im November und Dezember finden dazu verschiedene Aktionen in der ganzen Schweiz statt. Auch im Thurgau und in Schaffhausen veranstalten Partnerorganisationen wie der Katholische Frauenbund Schaffhausen KFS, Alzheimer Thurgau und Pro Senectute Thurgau Ausstellungsrundgänge oder Tagungen zum Thema.

Seit 2008 koordiniert der cfd die Umsetzung der Kampagne «16 Tage gegen Gewalt an Frauen*» in der Deutschschweiz und in Liechtenstein. Das Ziel der Kampagne ist, für Gewalt gegen Frauen zu sensibilisieren und dabei auch weniger sichtbare Diskriminierungen von Frauen zu thematisieren. Zudem sollen Beratungsstellen bekannter gemacht und gewaltfreie Wege aufgezeigt werden. Die 16 Aktionstage starten jedes Jahr am 25. November (Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen) und enden am 10. Dezember (Tag der Menschenrechte). Um stets ein möglichst vielfältiges Programm an Aktivitäten und Veranstaltungen rund um diese beiden Daten zu gewährleisten, arbeitet der cfd mit bis zu 60 Schweizer Frauen-, Männer- und Menschenrechtsorganisationen, Gewerkschaften, Beratungsstellen und Kirchgemeinden zusammen.

Sich Hilfe suchen

Darunter ist auch der Katholische Frauenbund Schaffhausen KFS, der sich mit einer Führung durch die Wanderausstellung «Willkommen zu Hause» am 2. Dezember an den Aktionen beteiligt. Diese thematisiert häusliche Gewalt und Gewaltprävention anhand interaktiver Installationen, die auf eindrückliche Weise die Besucher mit den unterschiedlichen Formen von Gewalt konfrontieren. Cornelia Egli-Angele, Leiterin der Partnerschafts- und Schwangerschaftsberatung Schaffhausen, führt am KFS-Anlass durch die Ausstellung. Sie erklärt: «In unsere Beratungsstelle kommen oft Frauen, die eine Beziehung beendet haben, deren Entscheid von ihrem Partner jedoch nicht akzeptiert wird. Um häusliche Gewalt handelt es sich nämlich auch bei aufgelösten Beziehungen. Der Kindsvater verschafft sich zum Beispiel grenzenlos Zutritt zur Wohnung oder beleidigt die Mutter massiv im Beisein der Kinder. Die Frauen sind dann vielfach äusserst zurückhaltend mit Grenzsetzungen dem Ex-Partner gegenüber, da sie die Vaterbeziehung nicht gefährden möchten und sich vielleicht auch schuldig fühlen». Sie rät Frauen, die sich in solchen Situationen befinden, sich vertrauten Menschen mitzuteilen, so dass die Isolation gebrochen wird. Ferner können sie sich per Mail oder Telefon, wenn der direkte Kontakt noch zu schamvoll ist, bei Fachstellen im Kanton über Handlungsmöglichkeiten erkundigen.

Sorge um Kontrollverlust

Jedes Jahr fokussiert sich die cfd-Kampagne zudem auf ein bestimmtes Thema. In diesem Jahr steht die Gewalt an älteren Frauen im Vordergrund. Am Abend des 4. Dezember findet dazu in Frauenfeld die Fachdiskussion «Gegen die Angst, im Alter ausgeliefert zu sein» statt. Als Veranstaltende mit dabei sind unter anderem Pro Senectute Thurgau und Alzheimer Thurgau. Gerade die Sorge, irgendwann die Selbstkontrolle zu verlieren und ferngesteuert zu werden, birgt viel Konflikt- und damit auch Gewaltpotenzial. Karin Baumann, Sozialberaterin der Pro Senectute Thurgau erklärt: «Die Gewalt kann sich in der Betreuung von Angehörigen in den eigenen vier Wänden oder in Pflegeeinrichtungen zeigen. Es kommt vor, dass diejenigen, die ihre Familienmitglieder versorgen, mit der Aufgabe überlastet sind und ihre eigenen Bedürfnisse hinten anstellen. Primär bei einer zeitintensiven Betreuung durch eine zunehmende Pflegebedürftigkeit.»

Ping-Pong-Effekt

Druck, Hilflosigkeit und Frustration können dann in der Folge die Situation verschärfen und zu Gewalt führen, die aber nicht immer direkt greifbar sei. «Gewalttägige Handlungen müssen nicht zwingend körperlicher Natur sein. Oft äussern sie sich in psychischer Gestalt, beispielsweise durch verletzende Äusserungen, durch Vorwürfe, Bevormundung oder Zurechtweisung, was auch eine Form von Gewalt darstellt», so Karin Baumann. Doch auch von den Pflegebedürftigen selbst könne Gewalt ausgehen. «Schon allein vom Partner zu fordern, die eigene Betreuung zu übernehmen, geht mit einem gewissen emotionalen Druck auf Angehörige einher. Diese kann sich im weiteren Verlauf der Pflege fortsetzen», führt Karin Baumann aus. Beide Situationen führten zu einem Ping-Pong-Effekt. Die Unzufriedenheit, die man bei sich selbst verspüre, werde auf die wehrlose Person abgeladen. Statt sich gegenseitig in einer solchen Lage zu stärken, schwinden die Kräfte auf beiden Seiten.

Gereiztheit und Aggressivität

Auch Claudia Brüllhardt-Beerli wird der Fachdiskussion als Vertreterin von Alzheimer Thurgau beiwohnen. Die Leiterin der Alterstagesklinik Weinfelden erklärt, dass die Betreuung von Demenzkranken deutlich anspruchsvoller sei als diejenige von kognitiv gesunden Menschen. Da viele Angehörige selbst im höheren Lebensalter seien, sähen sie sich, in einem Lebensstadium, indem sie fragiler sind, mit einer fortschreitenden Hirnerkrankung des Partners oder Familienmitglieds konfrontiert. Mit der damit einhergehenden Persönlichkeitsveränderung sei es teilweise für die pflegenden Angehörigen sehr schwierig umzugehen. «Die Patienten leiden sehr unter ihren Defiziten, was sich in Gereiztheit und Aggressivität niederschlagen kann. Möglicherweise entwickelt sich ein herausforderndes Verhalten wie schimpfen, provozieren oder es kann zu motorischer Aggressivität kommen », berichtet die Klinikleiterin.

Grosse Herausforderung

Für die pflegenden Angehörigen, die tagtäglich mit der erkrankten Person zusammen sind, stellen diese Situationen eine hohe Belastung dar. Aus diesem Druck heraus, aber auch aus der Frustration über das «Verlorene» kann es ihrerseits selbst zu Gewalt gegenüber der erkrankten Person kommen. «Immer wieder würden leichte körperliche Übergriffe wie Schubsen oder Schütteln von Patienten geschehen. Öfters gäbe es verbale Beschimpfungen.» Der Umgang mit Demenzkranken verlangt viel Geduld und Einfühlungsvermögen sowie die Einsicht, dass ein Patient aus seiner Erkrankung heraus handle. Dinge nicht persönlich zu nehmen, falle aber gerade dann schwer, wenn man mit dem Erkrankten in einer persönlichen Beziehung stünde. «Diese Trennung immer einzuhalten, ist eine grosse Herausforderung», sagt Claudia Brüllhardt-Beerli.

Sarah Stutte (5.11.19)


Nähere Infos: www.16tage.ch


Regionale Veranstaltungen

  • 13.11. Input-Referat: Häusliche Gewalt im Alter?!, 14–14.45 Uhr, Altersheim Bussnang
  • 21.11. Film: Wutmann, 15.30–17.30 Uhr, Familienzentrum Schaffhausen
  • 25.11.–14.12. Ausstellung: Warum kommt es zu Gewalt an älteren Frauen? 7–22 Uhr, Bildungszentrum für Gesundheit und Soziales, Weinfelden
  • 27.11.–11.12. Ausstellung: Willkommen zu Hause – Eine Ausstellung zu Gewalt in Familie und Partnerschaft, zu den allg. Öffnungszeiten, Aula des BBZ Schaffhausen (2.12., KFS-Führung mit Cornelia Egli, 17 Uhr, Anmeldung bis 29. November über info@frauenbund-sh.ch)
  • 27.11. Lesung: Teufelskreis. Meine Ehe mit dem Zuckerbäcker, ab 18.30 Uhr, Aula des BBZ Schaffhausen
  • 28.11. Workshop: Frau sein – inne halten, 18.30–21 Uhr, SRK Thurgau, Weinfelden
  • 30.11. Kurs: Sicheres Auftreten durch Stimmschulung: Stimmbildung und Auftrittskompetenz, 14–17 Uhr, Aula Schulhaus Oberhofen, Münchwilen
  • 04.12. Veranstaltung zum neuen Kinderschutzgesetz: …und mittendrin die Kinder, ab 18.30 Uhr, Aula des BBZ Schaffhausen
  • 04.12. Fachdiskussion: Gegen die Angst, im Alter ausgeliefert zu sein, 19–21 Uhr, Stadtgarten Frauenfeld
  • 07.12. Schnupperkurs: Einblick in die Pallas Selbstverteidigung für Frauen ab 50 im Thurgau, 14–16 Uhr, Dojo/alte Thomas-Bornhauser Turnhalle, Weinfelden
  • 10.12. Fachreferat: Gewalt in der häuslichen Pflege – auch ein weibliches Thema, 17–19 Uhr, BBZ Weinfelden 

     

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Blick in die Wanderausstellung «Willkommen zu Hause», hier zu Gast in Aarau 2016.

Bild: © Kanton Aargau

 
 
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Patienten und Angehörige fühlen sich oftmals mit der Pflegesituation überfordert, was auf beiden Seiten zu Aggressivität führen kann.

Bild: © pixabay.com

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