Zeit für die Familie durch Vaterschaftsurlaub

Am 27. September wird in der Schweiz darüber abgestimmt, ob werdende Väter künftig zwei Wochen, respektive zehn Arbeitstage, Urlaub beziehen können. Der 38-jährige Martin Burri aus Bischofszell, Ausbilder bei der Post und Berufsfachschullehrer im Bereich Logistik, ist dafür. Er hat für die Geburt seiner drei Kinder jeweils den von der Post schon seit dreieinhalb Jahren geltenden zehntägigen Vaterschaftsurlaub bezogen. 

Sie sind dreifacher Vater. Wie alt sind ihre Töchter? 

Die älteste, Pia, wird 6 Jahre, Myrta ist knapp 3,5 und Sofie, unsere Jüngste, ist 16 Monate alt. 

Warum war es Ihnen wichtig, den Vaterschaftsurlaub für alle drei Kinder zu beziehen?

Beim ersten Kind war noch alles neu für mich. Ich wollte einfach zu Hause sein, wenn meine Frau mit dem Baby heimkehrt. Bei der Geburt meiner anderen beiden Töchter war es für mich dann selbstverständlich, dass ich mir diese Zeit nehme und das Angebot der Post auf den zehntägigen Vaterschaftsurlaub nutze, den es nun seit gut dreieinhalb Jahren gibt. Als Pia zur Welt kam, konnte ich davon noch nicht profitieren. Damals bekam ich zwei Tage bezahlten Urlaub und habe die restlichen acht Tage Ferien
genommen.

Haben Sie diese Entscheidung zusammen mit Ihrer Frau getroffen? 

Ja, das haben wir gemeinsam beschlossen. Meine Frau ist Primarlehrerin und hat jeweils bis zwei Wochen vor den Geburtsterminen gearbeitet. Nach der Geburt unserer Töchter war sie dann jeweils ein halbes Jahr oder länger zu Hause und hat danach wieder angefangen, Teilzeit zu arbeiten. Ich hatte währenddessen eine Vollzeittätigkeit, doch wir hatten das Glück, dass sowohl meine Eltern, meine Schwiegereltern als auch meine Schwägerin uns sehr mit der Kinderbetreuung geholfen haben.

Wie haben Freunde darauf reagiert, dass Sie Vaterschaftsurlaub beziehen?

Gut, es kam niemand zu mir und meinte, er fände das seltsam. Die Arbeit bei der Post erlaubte mir, teilweise nur einen halben Tag zu arbeiten und den Rest des Tages bei meiner Familie zu bleiben. So konnte ich quasi den Vaterschaftsurlaub sogar auf zwanzig Tage ausweiten und war flexibel in der Entscheidung, ob ich arbeite oder zu Hause bin. Auch als sich bei Pia der Geburtstermin noch ein paar Tage hinausgezögert hat, konnte ich meinen Urlaub relativ spontan nehmen. Mein Chef war diesbezüglich sehr verständnisvoll und hat mir das ermöglicht.

Wie haben Sie diese Zeit erlebt und was daraus mitgenommen?

Zwei Wochen sind natürlich nicht die Welt und schnell wieder vorbei. Doch es war trotzdem positiv, dass ich diese Zeit mit meinen Töchtern verbringen und vor allem meine Frau unterstützen konnte. Besonders die erste Geburt war für sie sehr anstrengend und sie benötigte danach einige Wochen, bis sie sich wieder davon erholt hatte. Während dieser Zeit war sie sicher sehr froh, dass ich zu Hause war. Daraus mitgenommen habe ich, dass ich von Beginn an eine Bindung zu meinen Kindern aufbauen konnte. Ich hatte immer das Bedürfnis – und das habe ich auch heute noch – ein Vater zu sein, der für seine Kinder da ist.

Was hat dieser Vaterschaftsurlaub für die Familie gebracht?

Das hat uns sicherlich entlastet und hatte deshalb einen positiven Einfluss auf unsere Beziehung. Die Kinder konnten dadurch von Anfang an mit ihren Fragen auch zu mir kommen und wussten, dass ich genauso für sie da bin und gewisse Dinge entscheiden kann.

Wie sieht die Situation jetzt aus? Verbringen Sie heute noch viel Zeit mit Ihren Kindern?

Ja, denn seit Mai dieses Jahres habe ich einen Tag in der Woche frei und kann mich dann um den Haushalt und die Kinder kümmern, während meine Frau arbeitet. Das war schon seit drei Jahren mein Ziel, jedoch jobbedingt vorher nicht möglich. Doch jetzt, wo ich zusätzlich zu 30 Prozent als Berufsschullehrer in Rorschach arbeite und meine Tätigkeit bei der Post auf 50 Prozent reduzieren konnte, klappt das. Meine Frau arbeitet jetzt noch zwei Tage in der Woche und an dem anderen Tag, an dem ich nicht zu Hause bin, passen meine Eltern auf die Kinder auf.

Die Post gewährt heute schon zwei Wochen Vaterschaftsurlaub. Ist Ihnen eine ähnliche Handhabung von anderen Betrieben bekannt?

Nein, nicht direkt. Bei meiner Anstellung als Berufsschullehrer kam man mir weniger entgegen. Die Schule gewährt nur eine Woche Vaterschaftsurlaub und für meine Vertretung musste ich selbst sorgen.

Befürworten Sie die Initiative, die einen schweizweiten zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub vorsieht?

Ja, absolut. Ich finde, zwei Wochen sind das Minimum. Zum einen, um als Vater eine Beziehung zu den Kindern aufzubauen, aber auch, um die Partnerin unterstützen zu können. Ich kann da natürlich nicht aus direkter Erfahrung sprechen, doch mir sehr gut vorstellen, dass eine Schwangerschaft und eine Geburt sehr kräftezehrend sind.

Finden Sie zwei Wochen generell zu wenig? Könnte die Zeit noch länger sein? 

Im Nachhinein hätte ich bei meiner jüngsten Tochter Sofie gerne noch länger Ferien gehabt. Leider war das jobbedingt nicht möglich. Generell ist es natürlich immer schön, mehr Zeit für die Familie zu haben. Aus diesem Grund bin ich auch sehr zuversichtlich, dass die Vorlage angenommen wird.

Interview: Sarah Stutte, forumKirche, 15.9.20
 


Abstimmung am 27. September

Viele europäische Länder kennen heute entweder den Vaterschaftsurlaub oder zumindest den Elternurlaub, der es Mutter und Vater erlaubt, sich die bezahlten Ferientage aufzuteilen. Nur in der Schweiz gibt es bis heute noch keine diesbezügliche Regelung. Derzeit haben Väter höchstens Anspruch auf ein bis zwei Tage bezahlten Vaterschaftsurlaub, abgesehen von Unternehmen, die freiwillig einen längeren Vaterschaftsurlaub ermöglichen. 

Nun soll aber eine schweizweite gesetzliche Regelung eingeführt werden, um somit auch hierzulande und per Gesetz Vätern bei der Geburt eines Kindes Anrecht auf einen Urlaub zu gewähren. Dieser sieht einen zweiwöchigen Anspruch vor mit einem Lohnersatz von 80 Prozent des durchschnittlichen Erwerbseinkommens, das der Vater vor der Geburt des Kindes erzielt hat. Der Lohnersatz wird wie bei der Mutterschaftsversicherung über die Erwerbsersatzordnung (EO) ausgerichtet. 

Ursprünglich reichte im Juli 2017 ein Komitee aus Arbeitnehmerverbänden und anderen Gruppierungen in Bern die Volksinitiative «Für einen vernünftigen Vaterschaftsurlaub – zum Nutzen der ganzen Familie» ein. Die Initiative forderte einen Vaterschaftsurlaub von vier Wochen. Das Parlament hat sich auf einen Urlaub von zwei Wochen geeinigt, der am Stück oder tageweise in den ersten sechs Monaten nach der Geburt des Kindes bezogen werden kann. Gegen den Vaterschaftsurlaub hat ein Komitee aus SVP-Parlamentariern und Wirtschaftsvertretern das Referendum ergriffen, weshalb es am 27. September zu einer Volksabstimmung kommt. 

Die Gegner sehen die Konkurrenzfähigkeit der KMU durch die sich erhöhenden EO Beiträge gefährdet. Zudem rechnen sie mit indirekten Kosten in Betrieben, die die Gesamtrechnung für den Vaterschaftsurlaub auf bis zu eine Milliarde Franken jährlich erhöhen würden. Des Weiteren argumentieren die Gegner, dass eine Sozialversicherung nur dazu diene, Elend und Not zu verhindern und nicht als Mittel ein - gesetzt werden solle, um Rollenbilder zu durchbrechen oder zu verändern. Schlussendlich sollten und könnten die Eltern selbst entscheiden, wie sie ihre Kinder betreuen wollten.

Die Befürworter, bestehend aus Gewerkschaften, Familienorganisationen und familienfreundlichen Parteien, halten mit dem Argument dagegen, dass Väter sich stärker im neuen Alltag mit Kind engagieren und die Mütter entlasten würden. So könne die ganze Familie vom Vaterschaftsurlaub profitieren. Dieser verbessere die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und bleibe zudem frei wählbar. Sowohl die katholische sowie die reformierte Kirche befürwortet die Einführung eines Vaterschaftsurlaubs, gewisse kirchliche Organisationen beider Seiten fordern sogar einen höheren Ansatz. (sas)
 

Martin Burri und seine Familie.
Quelle: zVg
Martin Burri und seine Familie.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gibt es den gesetzlich vorgeschriebenen Vaterschaftsurlaub bald auch in der Schweiz?
Quelle: pixabay.com
Gibt es den gesetzlich vorgeschriebenen Vaterschaftsurlaub bald auch in der Schweiz?

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