Hilfe über Generationen hinweg

Seit April gibt es den Verein Zeitgut in Weinfelden. Er organisiert Nachbarschaftshilfe und will dadurch beispielsweise ermöglichen, dass betagte Menschen möglichst lange in ihrem Zuhause wohnen können – und er hat noch andere Träume.

Zeit ist Zeit. Das ist das Prinzip des noch jungen Vereins Zeitgut Region Weinfelden. Menschen, die Zeit geben wollen, und Menschen, die von einem anderen Menschen Zeit annehmen wollen, führt der Verein zusammen. Es entstehen sogenannte Tandems. Wer dabei sein will – ob gebend oder nehmend oder «nur» als passives Mitglied – bezahlt einen einmaligen Mitgliederbeitrag von hundert Franken. Die Neumitglieder geben an, welche Dienstleistungen sie zu geben bereit sind und/oder welche sie gerne beziehen würden, wie zum Beispiel Gespräche führen, spazieren gehen, Mithilfe in Haushalt und Garten. Die Palette ist breit. Der medizinische Bereich ist jedoch ausgenommen.

Schon 80 Mitglieder
Die Gebenden erfassen ihre geleisteten Stunden online oder auf Papier, das sie an die Geschäftsstelle schicken. Dort führt die operative Leiterin, Barbara Daubenberger, die Zeitgut-Konten. Die geleisteten Stunden werden eins zu eins zum Zeitguthaben, das man irgendwann beziehen kann. Die einen sammeln die Stunden und sehen es als Altersvorsorge, andere beziehen die Stunden lieber möglichst bald. «Wir geben keine Garantie, dass das Zeitguthaben auf jeden Fall eingelöst werden kann, da wir nicht wissen, wie sich die Freiwilligenarbeit in den nächsten Jahrzehnten entwickeln wird», sagt der Präsident und Co-Gründer Thomas Gerster. «Auf jeden Fall ist es wichtig zu wissen, dass jemand, der Hilfe benötigt, sich melden darf, auch wenn er auf seinem Konto null Stunden hat. Es ist wie bei der AHV, die ersten Bezüger haben auch nicht die Möglichkeit gehabt einzuzahlen».
Momentan hat der Verein Zeitgut Region Weinfelden knapp 80 Mitglieder, davon sind 20 Passivmitglieder und 9 Tandems. Wenn man bedenkt, dass der Verein erst im April letzten Jahres angefangen hat, sind das Zahlen, die sich sehen lassen können. Erfahrungsgemäss dauere es etwa ein bis zwei Jahre, bis so ein Zeitgut-Verein im grossen Stil laufe, weiss der Präsident von anderen bereits älteren Zeitgut-Vereinen. 

Drei Vereine im Thurgau
Thomas Gerster und gelegentlich auch der Co-Gründer und Vize-Präsident Adrian Wirth treffen sich über das Netzwerk Nachbarschaftshilfe Schweiz virtuell alle drei Monate zum Erfahrungsaustausch mit 12 anderen Präsidenten von Zeitgut-Organisationen und können viel davon profitieren. Schon lange habe er von dieser Art von Nachbarschaftshilfe gehört, erzählt Thomas Gerster, und mitverfolgt, als der Kanton St. Gallen eine solche eingeführt habe. Die Thurgauer Regierung habe vor ein paar Jahren ein ähnliches Projekt abgelehnt mit der Begründung, dass dies lokal eingeführt werden solle. Inzwischen gibt es im Thurgau ausser in der Region Weinfelden noch den Verein ziitgeh-ziitneh, Nachbarschaftshilfe in Stettfurt-Thundorf und die Nachbarschaftshilfe See der Gemeinden Altnau, Bottighofen, Güttingen, Langrickenbach, Lengwil und Münsterlingen.
Die Pilotphase des Vereins Zeitgut Region Weinfelden läuft bis ins Jahr 2023, dann wird Rückschau gehalten und entschieden, wie es weitergeht. Der Präsident wünscht sich, «dass Zeitgut generationenübergreifend tätig sein kann» und hofft, «dass die Idee zu einer vierten Säule wird».

Martina Seger-Bertschi, 12.1.2022
 


 

«Ich habe darauf gewartet» - Eine pensionierte Zeit-Geberin* erzählt.
«Natürlich habe ich mich sofort gemeldet, als ich in der Zeitung vom Verein Zeitgut las, da mich diese Art der Nachbarschaftshilfe schon lange interessiert hatte. Ich bin gerne in Kontakt mit anderen Menschen, sonst wäre ich nicht Ärztin geworden. Eine Tätigkeit, bei der man keine Verbindung zum Gegenüber hat, wäre gar nichts für mich. Ohne grosse Familie und ohne eigene Kinder tut es mir gut zu wissen, dass ich mit meinem Zeitgeben etwas Zeit auf die hohe Kante legen kann, die ich hoffentlich nie brauchen werde.
Man hat mir gesagt, dass es wohl eine Wartefrist geben würde, bis ich zu einem Einsatz komme, da sich erfahrungsgemäss mehr Menschen melden, die Zeit geben wollen als solche, die Unterstützung brauchen. Bald kam ein Anruf, ob ich einen älteren Herrn in die Physiotherapie begleiten könne. Dies mache ich nun montags und mittwochs. Ich würde gerne auch etwas Generationenübergreifendes tun. Zum Beispiel eine alleinerziehende Mutter mal in der Kinderbetreuung unterstützen. Hier in Weinfelden ist der Zeitgut-Verein ja noch in den Anfängen. Je bekannter er wird, desto mehr werden sich hoffentlich auch jüngere Menschen melden.» (msb)

*Name der Redaktion bekannt
 


■ Nähere Infos: www.zeitgut-weinfelden.ch/

Thomas Gerster und Barbara Daubenberger
Quelle: Martina Seger-Bertschi
Thomas Gerster und Barbara Daubenberger vom Verein Zeitgut Region Weinfelden

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