Was Grosseltern über ihre Beziehung zu den Enkelkindern erzählen

Junge und alte Menschen sind aufeinander angewiesen. Die einen bringen neue Ideen und Veränderungsbereitschaft mit, die anderen Lebenserfahrung und Gelassenheit. Auf diese Verbundenheit macht der kirchliche «Welttag der Grosseltern» aufmerksam, der am 24. Juli – kurz vor dem Weltjugendtag – begangen wird. forumKirche fragte bei Grosseltern nach, wie sie das Miteinander mit ihren Enkel*innen erleben. 

Nach einer freundlichen Begrüssung bietet Trudy Leuch-Gmür (86) für das Interview ihren Wintergarten an – ein wichtiger Ort für das Familienleben, wie sich zeigen wird. Ihr Mann ist aufgrund gesundheitlicher Beschwerden leider verhindert. Die rüstige Rentnerin kommt freudig auf ihre Familie zu sprechen: ihre drei Söhne und Schwiegertöchter sowie deren sechs Kinder. Der älteste Enkel ist bereits 35, die jüngste Enkelin 21 Jahre alt. Wenn es nach ihrem Mann gegangen wäre, hätten es gern noch mehr Grosskinder sein können.
«Die Geburt des ersten Enkels ist für uns eine riesige Freude gewesen», erinnert sich Trudy Leuch. Nachdem seine Mutter ein halbes Jahr nach der Geburt wieder zum Arbeiten ging, wuchs er eineinhalb Jahre lang bei seinen Grosseltern auf. «Er ist wie unser eigener Bub gewesen. Es ist schön, dass seine Eltern ihn uns anvertraut haben», sagt Trudy Leuch. Wer sich für die Enkelkinder keine Zeit nehme, verpasse etwas. Man könne dann ja nicht miterleben, wie sie sich entwickelten. 

Freundlich, ehrlich und treu
Trudy Leuch hat selbst zwei ganz unterschiedliche Grossmütter erlebt. Die eine, die im Haushalt ihrer Familie mitgelebt hat, beschreibt sie als diszipliniert und streng: «Sie hat nie zu viel gegessen. Wir mussten sie mit 'Ihr' anreden. Eine Respektsperson, die sehr bestimmend war.» Zudem habe sie sie nur in schwarzer Trauerkleidung in Erinnerung. Die andere Grossmutter, die ein Restaurant geführt habe, sei «eine ganz liebe Frau» gewesen.
Für Trudy Leuch war Letztere wohl ein Vorbild. Denn die Zeit mit ihren Enkelkindern fasst sie strahlend mit den Worten zusammen: «Wir hatten es immer lustig miteinander.» Die Fotos, die sie daraufhin zeigt, belegen ihre Aussage: zwei Kinder in der Badewanne mit ganz viel Schaum, Kinder, die gerade ihr Osternest gefunden haben, drei Kinder in einem Wägelchen, das der Opa zieht … Und immer wieder taucht der Wintergarten darauf auf. Bei allem Spass war es Trudy Leuch aber auch ein Anliegen, ihren Enkelkindern etwas mit auf ihren Weg mitzugeben. «Es ist mir wichtig, freundlich, ehrlich und treu zu sein.»

Treffen und digitale Kontakte 
Der Kontakt zu den Enkelkindern ist bis heute lebendig. Dabei spielt das Handy eine wichtige Rolle. «Seit ich WhatsApp habe, kann ich allen zum Geburtstag gratulieren», erzählt Trudy Leuch. Eine Enkelin studierte die letzten Jahre in Kreuzlingen und kam ab und zu zum Mittagessen vorbei. Sie half ihrer Grossmutter auch, die Daten ihres Handys auf ein neues Gerät zu übertragen. Am wichtigsten für den Zusammenhalt der Grossfamilie ist jedoch das Weihnachtsfest. «Da sind immer alle da», freut sich Trudy Leuch. Auch zu den Geburtstagen lädt das Ehepaar Leuch seine Kinder und Enkelkinder regelmässig ein. Diese werden oft im Wintergarten gefeiert.
Für Trudy und Max Leuch, die als Mesmerin und Mesmer schon viele Jahre die Kapelle von Landschlacht betreuen, ist der Glauben eine tragende Stütze. Freudig erwähnt Trudy Leuch, dass vier ihrer Enkel*innen ministriert haben und zwei bei der Jubla Leiterinnen gewesen sind. Dass sie nicht mehr jeden Sonntag den Gottesdienst besuchen, ist für sie kein Drama. Sie ist vielmehr stolz darauf, dass sie gut erzogen sind. «Sie sind sparsam und werfen keine Nahrungsmittel weg.»

Alles gut meistern
Angesprochen auf die Zukunft, zeigen sich Sorgenfalten auf ihrer Stirn. Der Ukraine-Krieg, die Folgen des Klimawandels, aber auch die Entwicklungen um geschlechtliche Identitäten und um gleichgeschlechtliche Partnerschaften sieht sie als grosse Herausforderungen. Aber um ihre Enkel*innen habe sie keine Angst, fügt sie überzeugt hinzu. «Die sind auf dem rechten Weg. Sie werden alles gut meistern.»
Im Rückblick ist sie sehr dankbar, dass sie Mutter und Grossmutter sein darf. «Es ist schön, wenn man sieht, wie das Leben weitergeht.» Jetzt müsste sich nur noch das langersehnte Urgrosskind ankündigen. Ihr Mann würde sich am meisten darüber freuen. 

Kinderspuren
Szenenwechsel: Ein verwinkelter Garten in einer Klettgauer Gemeinde mit einem Spielhäuschen im unteren Teil. Im Haus überall Spuren junger Künstler*innen, die ihre Grosseltern beschenkt haben mit ihren Werken. Claudine (74) und Andreas Beyer (80) haben ein offenes Haus – ganz besonders für ihre Enkelkinder, drei Mädchen und einen Jungen im Alter von 8 bis 11 Jahren, die im Kanton Zürich respektive in Wien wohnen. In der Gartenlaube, die überwuchert ist von einer uralten, knorrigen Americano-Rebe voller grüner Trauben, erinnert sich Andreas Beyer an seine Grosseltern: «Sie waren etwas förmlich. Das war damals normal. Ich war ab und zu bei ihnen in den Ferien. Oft ging ich mit dem Grossvater spazieren.» Claudine Beyer erinnert sich eher an die Grossmutter: «Sie war so lieb. Sie hat auch im hohen Alter von über 90 Jahren ihren 6 Kindern und 11 Enkelkindern jeweils zum Geburtstag eine Karte geschrieben. Der Grossvater war alkoholabhängig und böse zu seiner Frau. Ich hatte Angst vor ihm.» 

Richtiges Grosselternalter
Claudine Beyer wartete als Mutter einer Tochter und zweier Söhne sehnsüchtig darauf, Grossmutter zu werden. Ihr jüngerer Sohn musste deshalb ihre Erwartungen dämpfen, als er mit seiner jetzigen Frau zusammenzog. Als diese dann schwanger war und Claudine Beyer davon erfuhr, weinte sie vor Freude. Es war an ihrem 40. Hochzeitstag. Sie und ihr Mann hatten von den künftigen Eltern ein Geschenk erhalten: einen Ratgeber für Grosseltern. Andreas Beyer erinnert sich ebenfalls sehr gut an diesen Moment: «Ich habe mich sofort 5 cm grösser gefühlt, meinen Sohn angerufen und gefragt, wie es ihm denn gehe. Auch er fühlte sich 5 cm grösser. Mit einem Mal sieht man die Welt bunter, positiver. Ich war damals 69 Jahre alt – ideal. Als Pensionierter habe ich Zeit für die Enkelkinder. Wenn man zu früh Grossvater wird, hat man nicht so viel von ihnen. Ich hatte schon nicht so viel von meinen Kindern, weil ich morgens früh aus dem Haus ging und sie erst abends sehen konnte. Ich pendelte täglich drei Stunden.» 

Grosse Verantwortung
Für Claudine Beyer war klar, dass sie ihre Arbeit aufgibt, sobald sie Grossmutter wird. Sie hörte auch auf, im Kirchenchor zu singen. Beyers sind Familienmenschen. «Die Schweizer Enkelinnen kommen in allen Schulferien immer ein paar Tage zu Besuch, die Wiener Familie einmal im Sommer und einmal im Winter. Mir bedeuten die Enkelkinder alles», sagt Andreas Beyer. Die Grossmutter sieht es differenzierter, da sie die Enkelinnen in der Schweiz seit deren Geburt einmal in der Woche hütet: «Ich finde es wahnsinnig schön, aber auch anstrengend. Die Verantwortung ist gross, ich will es richtigmachen. Ich bin wohl ängstlicher gegenüber meinen Enkelinnen, als ich es gegenüber meinen Kindern war. Dass Grosseltern sich mehr Freiheiten herausnehmen können mit den Enkelkindern, das stimmt nicht. Wenn ich im Zweifel bin, frage ich meine Schwiegertochter. Bei mir dürfen die Enkelinnen nicht mehr als bei den Eltern.» Und schmunzelnd fügt sie an: «Meine Schwiegertochter sagt, ich hätte eine liebliche Autorität.» 

Oberste Priorität
Ein Leben ohne Enkelkinder kann sich Andreas Beyer nicht vorstellen. Er freut sich über jeden Entwicklungsschritt, den sie machen. Und er möchte sie bis in ihr Erwachsenenalter begleiten und ihnen ein Vorbild sein durchs Vorleben eines offenen Hauses. Seine Frau sagt: «Wenn ich meine Enkel*innen nicht hätte, hätte ich nicht so viel Freude. Sie erfüllen mein Leben und haben oberste Priorität.» Auch wenn ihr bewusst ist, dass der Kontakt mit der Zeit wohl etwas abnehmen wird. Das merkt sie bereits jetzt schon bei der älteren Enkelin. Manchmal ist diese nur noch zum Mittagessen anwesend und hat am Nachmittag ein eigenes Programm. Aber dafür gebe es WhatsApp, SMS und das Telefon. Es sei doch schön, dass sie bereits ihr eigenes Leben lebe, findet Andreas Beyer. Während die Amsel ihr Abendlied anstimmt, sagt Claudine Beyer: «Ich möchte meinen Enkelkindern gerne Hilfsbereitschaft und Offenheit gegenüber den Mitmenschen mitgeben durchs Vorleben. Sie sollen die Augen und Ohren offen haben für die Nöte der Menschen – und der Natur.»

Detlef Kissner, Béatrice Eigenmann, forumKirche, 06.07.2023


«Welttag der Grosseltern und älteren Menschen»
Papst Franziskus hat 2020 erstmals den «Welttag der Grosseltern und älteren Menschen» ausgerufen. Dieser findet jährlich am vierten Sonntag im Juli statt – rund um den Gedenktag der heiligen Anna und Joachim, die als Eltern Marias und damit als Grosseltern Jesu gelten. Dieses Jahr wird er am 23. Juli begangen und steht unter dem Motto «Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht» (Lk 1,50). Dieses Leitwort soll gemäss Papst Franziskus eine Verbindung zum Weltjugendtag in Lissabon (1.–6. August) schaffen.
 

Trudy und Max Leuch
Quelle: Detlef Kissner
Trudy und Max Leuch vor ihrem Haus, wo sie schon viele schöne Stunden mit ihrer grossen Familie erleben durften.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Claudine und Andreas Beyer
Quelle: Béatrice Eigenmann
Claudine und Andreas Beyer beim Spielhäuschen, wo ihre Enkelkinder gerne herumtollen.

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