Bundesrätin Karin Keller-Sutter zum Gegenvorschlag

Die Organisation Fastenopfer zählt in der Thematik um die Konzernverantwortungsinitiative (KVI) zu ihren schärfsten Kritikern. Im Interview mit kath.ch erklärt die katholische Bundesrätin, warum sie dem Glencore-Konzern vertraut.

Hängt am Turm Ihrer Pfarrkirche in Wil (SG) eine orange KVI-Fahne?

Nein. Ich bin auch der Meinung, dass Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen geradestehen müssen. Ich finde es jedoch falsch, wenn Schweizer Gerichte Sachverhalte im Ausland beurteilen. Für mich ist deshalb der indirekte Gegenvorschlag ein Schritt in die richtige Richtung. Er nimmt die Unternehmen deutlich stärker in die Pflicht als heute.

Das Fastenopfer gehört zu Ihren schärfsten Kritikern im Abstimmungskampf.

Die Hilfswerke leisten überwiegend sehr gute Arbeit. Auch die Kirchen machen einen guten Job. Trotzdem widerspreche ich dem Fastenopfer und sage: Die KVI ist der falsche Weg.

Stört es Sie, dass die Kirche sich so stark für die KVI engagiert?

Es ist ihr Recht. Ich finde es gut, wenn sich die Kirche zu ethischen Fragen zu Wort meldet. Aber wenn es um Tagespolitik geht, bin ich eher kritisch. Ich frage mich: Wo ist die Stimme der Kirche bei anderen wichtigen Fragen? Beim Mindestlohn? Bei der Anti-Diskriminierung von Homosexuellen? Die Kirche sollte auch nicht vergessen: Ihre Gläubigen haben unterschiedliche Ansichten. Das wissen auch die Bischöfe.

Wenn Sie dem CEO von Glencore, Ivan Glasenberg, in die Augen schauen: Glauben Sie ihm, dass er alles tut, um Menschenrechtsverletzungen zu verhindern?

Warum sollte ich ihm nicht glauben? Ich habe grundsätzlich ein positives Menschenbild.

KVI-Aktivisten behaupten: Es gab 2018 einen Vorfall im Tschad – im Nachhaltigkeitsbericht von Glencore finde sich aber kein Wort dazu. Warum vertrauen Sie Glencore, warum schwingen Sie nicht die Peitsche?

Wir haben eine Peitsche. Der indirekte Gegenvorschlag, der kommt, wenn die Initiative abgelehnt wird, sieht folgendes vor: Wer gegen die Berichterstattungspflicht verstösst, muss bis zu 100'000 Franken Busse zahlen. Es braucht verschiedene Säulen. Es braucht Dialog, Prävention und Repression. Aber ich bleibe dabei: Es ist nicht richtig, die Haftung so weit auszudehnen. Jedes Kind lernt: Man muss Verantwortung für die eigenen Taten übernehmen. Aber doch nicht für die Fehler von rechtlich eigenständigen Dritten. Das ist moralisch fragwürdig.

Moralisch ist es aber auch zweifelhaft, Gewinne zu kassieren, die Verantwortung aber auszulagern.

Mich stört an der KVI-Debatte der Anschein, als ob es heute gar keine Haftung gäbe. Es geht doch nicht um die Frage: Sind wir für oder gegen Menschenrechte und Umweltstandards? Die Frage ist, mit welchem Instrument erreichen wir das gemeinsame Ziel. Der Bundesrat glaubt mit dem Gegenvorschlag.

Trotzdem: Schwarze Schafe lässt Ihr Gegenvorschlag ungeschoren davonkommen.

Nein, der Gegenvorschlag zwingt auch sie zu Transparenz und zudem zu Sorgfalt in der ganzen Lieferkette bei Kinderarbeit und Konfliktmineralien. Mit der KVI wäre nichts gewonnen. Im Gegenteil. Schweizer Unternehmen würden sich zurückziehen, das Problem würde sich verschärfen. Ins - gesamt schadet die KVI der Schweiz, aber auch den Menschen vor Ort.

Interview: Raphael Rauch, kath.ch / Red. forumKirche, 3.11.20

Bundesrätin Karin Keller-Sutter
Quelle: © Manuela Matt
Gegen die Initiative: Bundesrätin Karin Keller-Sutter

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